Güterverzeichnis Kloster Rupertsberg bis 1300

Meine Abschlussarbeit behandelt die Güter und das Netzwerk von Kloster Rupertsberg bis 1300. Dafür habe ich allerdings nur die gedruckten Urkunden ausgewertet, sonst wäre es eine Dissertation geworden und wahrscheinlich hätte der Umfang auch diese Vorgaben überschritten.

Viele Informationen konnte ich deshalb nicht in der Studie unterbringen. Damit meine umfangreiche Datensammlung für andere Regionalhistoriker*innen nutzbar ist, ergänzte ich die Studie um einen sehr langen Anhang, den ihr hier zum Downloaden findet. Zur Übersichtlichkeit gibt es hier alle Güter meiner Sammlung, aber ohne Fußnoten. Den kompletten Anhang könnt ihr aber hier mit allen Fußnoten downloaden (pdf-Datei, 332 KB).

Hinweis: Ein Großteil der Güter, die zwischen ca. 1150 und 1200 an das Kloster kamen oder abgingen, ist nur über die Einzelurkunde, sondern nur den Eintrag im Güterverzeichnis bekannt. Die allererste Übersicht des Güterverzeichnisses wurde um 1200 angelegt und ist im Mittelrheinischen Urkundenbuch ediert. Daher sind viele Einträge hier aus Gründen der Kürze auf “um 1200” datiert. Im Grunde müssten sie aber “irgendwann in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts” heißen.

 

Abkürzungsverzeichnis

iur = iurnales (Morgen)

iug = iugera (Joch)

ZT = duale (Zweiteil)

par = particula (Stück)

vir = virga (Rute)

l.a. = libri argenti (Silberpfund)

Appenheim

  • allodium: 41,5 iug. Ankauf (32 Mark): Arnold von Saulheim (um 1200)
  • predium: 4 ZT, 152,5 iug, 15 iur. Unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • predium: 3 iur, 3 ZT. Unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • predium: 15 iug, 3,5 iur, 6 ZT. Unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • predium: 47 iug. Unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • predium: 33 iug, 6 iurn. Mitgift: Guda von Geisenheim (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Schenkung: Friedrich (um 1200)
  • 2 iug. Schenkung: Heinrich von Wintersheim (um 1200)
  • 33 iug. Ankauf (20 Drittelmark): Embricho

Aspisheim

  • 0,5 iug. Verpachtung: unbekannt (um 1200)

Bad Kreuznach

  • 4 iug. Schenkung: Meingott von Treisen (um 1200)

Bergen

  • 1 Acker. Verpachtung: unbekannt (um 1200)
  • 1 Egarten. Verpachtung: Friedrich von Bergen (um 1200)
  • unbekannt. Verpachtung: unbekannt (um 1200)

Bergen bei Kirchberg

  • Hofstätte: unbekannt. Verpachtung: unbekannt (um 1200)

Bermersheim vor der Höhe

  • anderthalb Hufen: unbekannt. Schenkung: Embricho von Bingen (um 1200)
  • allodium: 5 ZT, 4 iug, 1 par. Schenkung: Odalrich, Graf von Ahr (um 1200)
  • Hofstätte: unbekannt. Schenkung: Hugo, Drutwin und Rorich (um 1200)
  • Hof: unbekannt. Schenkung: Odalrich, Graf von Ahr (um 1200)
  • Hof: unbekannt. Schenkung: Rorich (um 1200)
  • Hufe: 32 iug, 5,5 ZT. Verkauf (10 Mark): Kanoniker Heinrich (um 1200)
  • anderthalb Hufen: 45 iug. Schenkung: Embercho (um 1200)
  • predium: 32 iug, 9 ZT. Schenkung: unbekannt (um 1200)
  • predium: unbekannt. Schenkung: Dietrich von Flonheim (um 1200)
  • predium: 58 iug, 8 ZT. Ankauf (37 Mark): Gottbert von Selzen (um 1200)
  • predium: 37 iur, 5 ZT.  Ankauf (18 Mark): Hermann (um 1200)
  • 2 iug. Schenkung: Arnold (um 1200) [Evtl. nur 1 iug]
  • 53 iug, 2 ZT. Schenkung: Drutwin (um 1200)
  • Stall: unbekannt. Schenkung: Drutwin (um 1200)
  • 53,5 iug, 4,5 ZT. Schenkung: Hugo (um 1200)
  • 3 iur. Schenkung: Drutwin, Hugo, Rorich (um 1200)
  • 1 iug. Schenkung: Ida (um 1200)
  • 20 iug, 9,5 ZT. Schenkung: Rorich (um 1200)
  • Hof mit 69 iur. Pacht: Embricho (1194)
  • Brunnen. Verpachtung: St. Alban, Mainz (1276)

Bingen

  • Mühle im Rhein. Schenkung: Erzbischof Heinrich (1152)
  • Predium: 11,25 iug, 1 par, 10 ZT. Schenkung: Pfalzgraf Hermann von Stahleck und Ehefrau Gertrud (1158)
  • Hofstätte: unbekannt. Schenkung: Embercho (um 1200)
  • Hofstätte: unbekannt. Schenkung: Embricho von Bingen (um 1200)
  • Mühle: unbekannt. Schenkung: Bilingus (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Schenkung: Alexander (um 1200)
  • 67 par, 9 iug. Unbekannt: Unbekannt (um 1200)
  • Unbekannt. Unbekannt: Unbekannt (um 1200)
  • Unbekannt. Unbekannt: Unbekannt (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Schenkung: Bezzecha (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Schenkung: Demodis von Stromberg (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Schenkung: Edelindis (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Schenkung: Embricho (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Schenkung: Embricho von Bingen (um 1200)
  • 1 iur, 6 par. Schenkung: Gepa (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Schenkung: Gepa (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Schenkung: Gottfried und Bertha (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Schenkung: Hugo (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Schenkung: Imeza (um 1200)
  • 2 Weinberge: unbekannt. Schenkung: Kleriker Konrad (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Schenkung: Libeita (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Schenkung: Odegeba (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Schenkung: Othwich (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Schenkung: Vogt Walpert (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Schenkung: Werner (um 1200)
  • 0,5 iug. Schenkung: Wolpero (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Ankauf (2 Mark+Zins): St. Servatius, Maastricht (1195)
  • Hof: unbekannt. Schenkung: Diethelm (1203)
  • Hof: unbekannt. Verpachtung: Ortlib Grine (1203)
  • Weinberg: unbekannt. Ankauf (20 Köln. Mark): Wolverad (1213)
  • Hofstätte: unbekannt. Verpachtung: Hertwig (1235)
  • Hof: unbekannt. Mitgift/Seelgerät: Philipp I. von Hohenfels (1260)
  • Egarten: unbekannt. Pacht: unbekannt (1270)
  • Hof: unbekannt. Mitgift/Seelgerät: Brüder von Hohenfels (1278)
  • Unbekannt. Schenkung: Konrad (1281)

Bonnheim

  • 8 ZT, 12 iug. Unbekannt: unbekannt (um 1200)

Bornheim

  • Hufe: 44 iug, 2 ZT, 7,5 iur. Mitgift: Vogt Walpert (um 1200)
  • Unbekannt. Unbekannt: unbekannt (um 1200)

Bosenheim

  • Viertel-Hufe: 3 iur, 7,5 ZT. Unbekannt: Wolfram (um 1200)
  • Viertel-Hufe: 9 ZT, 4 par. Unbekannt: Ebernand (um 1200)
  • Halbe Hufe: 10,5 iur, 3 ZT. Unbekannt: Brüder von Kl. Neuhausen (um 1200)
  • Allodium: 6,5 ZT, 9 iurn. Ankauf (9 l.a.): Baldemarus von Eppelnsheim (um 1200)
  • Allodium: 8,5 ZT, 5 iug. Schenkung: Simon & Wendelmuth (um 1200)
  • Hof: unbekannt. Unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • Teil von allodium: Hof: unbekannt. Schenkung: Simon & Wendelmuth (um 1200)
  • Hof: unbekannt. Unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • Hof: unbekannt. Unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • Hof: unbekannt. Unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • Teil von allodium: Hof: unbekannt. Ankauf (9 l.a.): Baldemarus von Eppelnsheim (um 1200)
  • 1 par, 10 1/8 ZT, 73 iug. Unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • Hof: unbekannt. Verpachtung: unbekannt (um 1200)
  • 0,5 iug. Verpachtung: Volmar (um 1200)

Büdesheim

  • Mühle: unbekannt. Pacht: Kloster St. Alban, Mainz (1181)
  • Weinberg: unbekannt. Schenkung: Mechthild von Bingen (um 1200)
  • Unbekannt. Unbekannt: Kanoniker Werner (um 1200)
  • 13,5 ZT, 29 iur. Unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • predium: unbekannt. Pacht: Lutfried und Regelindis (um 1200)
  • Unbekannt. Pacht: unbekannt (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Schenkung: Mengot von Geisenheim und Jutta (1200)
  • Mühle. Schenkung: Mengot von Geisenheim und Jutta (1200)
  • Weinberg: unbekannt. Verpachtung: Marsilius aus Büdesheim (1270)
  • Hof: unbekannt. Verpachtung: Marsilius aus Büdesheim (1270)

Burgestat

  • Halbe Hufe: unbekannt. Schenkung: Richelinde (um 1200)

Dienheim

  • Teil von allodium: 4 iug. Seelgerät: Friedrich von Hausen (um 1200)

Dietersheim

  • Fundus: unbekannt. Schenkung: Rudolf von Münster (um 1200)
  • Mühle: unbekannt. Schenkung: Rudolf von Münster (um 1200)
  • Pferd. Schenkung: Rudolf von Münster (um 1200)

Dolgesheim

  • Allodium: 50 1/3 iug. Unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • Allodium: 12 ZT, 14 iug. Unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • Allodium: 100 iur, 1 ZT, 2 par. Seelgerät: Walter von Hausen (um 1200)
  • Teil von Allodium: Hofstätte: unbekannt. Seelgerät: Walter von Hausen (um 1200)
  • Hofstätte: unbekannt. Schenkung: Walter von Hausen (um 1200)
  • 3 Hufen: unbekannt. Schenkung: Walter von Hausen (um 1200)
  • 6 iur. Schenkung: Walter von Hausen (um 1200)
  • Unbekannt. Unbekannt: unbekannt (um 1200)

Dromersheim

  • 4 iur. Schenkung: Dieter von Waldböckelheim (um 1200)
  • 1 iug. Schenkung: Drutlinde von Leibenheim (um 1200)
  • 1 iug. Schenkung: Sophia (um 1200)
  • 2,5 iug. Verpachtung: unbekannt (um 1200)

Ebental

  • 2 iur, 2 iug. Unbekannt: unbekannt (um 1200)

Eppelsheim

  • 105,25 iug. Unbekannt: unbekannt (um 1200)

Essenheim

  • Allodium: 81,5 iur, 7 1/6 ZT. Ankauf (52 l.a.): Heinrich von Gabsheim (um 1200)
  • Allodium: 113 iug, 0,5 iur. Unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • Allodium: 121,5 iur, 28 iug, 1 ZT. Unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • Allodium: 24 iug. Unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • Predium: 43,5 iug, 1 ZT, 2 iur. Ankauf (40 Mark): unbekannt (um 1200)
  • 11,5 ZT, 30 iug. Schenkung: unbekannt (um 1200)
  • 4,5 iur. Unbekannt: unbekannt (um 1200)

Gau Algesheim

  • Äcker. Tausch: Altmünsterkloster, Mainz (1184)

Geisenheim

  • 18 iug. Schenkung: Rheingraf Embricho (um 1200)

Gensingen

  • Allodium: 25 iug, 21,5 vir, 2 ZT. Unbekannt: Helfericus (um 1200)
  • Allodium: 30 iug. Unbekannt: Helfericus (um 1200)
  • 1 iug. Schenkung: Heinrich (um 1200)
  • 1 ZT. Schenkung: Adelheid (um 1200)
  • Allodium: 3,25 ZT, 27,75 iur. Schenkung: Frank & Ehefrau (um 1200)
  • 2 Hufen: unbekannt. Schenkung: Frank von Waldböckelheim (um 1200)
  • Predium: 0,5 iur, 27 iug. Schenkung: unbekannt (um 1200)
  • 0,5 iug. Schenkung: Dieter (um 1200)
  • Allodium: 11 iug, 1ZT. Verpachtung: Gela (um 1200)
  • Allodium: 20,5 iug, 1ZT, 24 vir. Verpachtung: Gela (um 1200)
  • 99 iug. Verpachtung: Gela (um 1200)

Guldental (= Heddesheim)

  • 3 Weinberge. Schenkung: Klerker Emicho (um 1200)
  • 3 Weinberge. Verpachtung: unbekannt (um 1200)

Gutenfels (= Weitersheim)

  • Halbe Hufe: 15,5 iug. Unbekannt: Rupert (um 1200)
  • Halbe Hufe: 11,75 iug, 2 ZT. Unbekannt: Werner (um 1200)
  • Halbe Hufe: 13,25 iug, 2 ZT. Seelgerät: Rudolf Messehe (um 1200)
  • Hufe: 35 iug, 2 ZT. Unbekannt: Wicnand (um 1200)
  • Predium: 33,5 iug. Schenkung: Wendela (um 1200)
  • Hofstätte: unbekannt. Verpachtung: unbekannt (um 1200)
  • 8,25 iug. Verpachtung: unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • 1 iug. Ankauf (13 unciis nummorum): Meginbold (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Verpachtung: Hemmercho von Weitersheim (1296)

Hargesheim

  • Teil von Allodium: Hof: unbekannt. Unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • Predium: 32 iug. Unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • Teil von Predium: Weinberg: unbekannt. Unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • Predium: unbekannt. Verpachtung: Hermann von Genheim (um 1200)
  • Unbekannt. Verpachtung: unbekannt: unbekannt (um 1200)

Hattenheim

  • 3 iur. Unbekannt: unbekannt (um 1200)

Hohensteg

  • 7 par, 1 stregela. 1 iur, 19,5 iug. Unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Unbekannt: unbekannt (um 1200)

Horrweiler

  • 3 iug. Verpachtung: unbekannt (um 1200)

Kempten

  • 0,5 iug. Schenkung: Helinburgis (um 1200)

Langenlonsheim

  • Allodium: 13,5 ZT, 33,75 iur, 15 iug. Schenkung: Agnes von Bar (um 1200)
  • Allodium: 81,5 iur, 70 iug. Schenkung: Agnes von Bar (um 1200)
  • Allodium: 55 iug. Seelgerät: Agnes von Bar (um 1200)
  • Allodium: fabrica domus. Seelgerät: Agnes von Bar (um 1200)
  • Allodium: Hof. Seelgerät: Agnes von Bar (um 1200)
  • Hofstätte: unbekannt. Schenkung: unbekannt (um 1200)
  • Hofstätte: unbekannt. Schenkung: Ebernant, Liuppurch, Gerunc (um 1200)
  • Hofstätte: unbekannt. Schenkung: anonym (um 1200)
  • Halbe Mühle: unbekannt. Schenkung: Richelo und Berloch (um 1200)
  • Predium: 1 par, 5 ZT, 17,25 iug. Schenkung: unbekannt (um 1200)
  • 1,75+ iug, 1 ZT. Unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • 2,25+ iug, 2 ZT. Schenkung: Berwart (um 1200)
  • 3,25+ par. Schenkung: Dammo von Bingen (um 1200)
  • Viertel Weinberg: unbekannt. Schenkung: Dammo von Bingen (um 1200)
  • 1 iur. Schenkung: Wolfram und Adelheid (um 1200)
  • 2,5 iug. Schenkung: Wolfram (um 1200)
  • 0,5 iug, 1 ZT, 1 par. Schenkung: Wicgerus (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Ankauf (unbekannt): Weremtrude (um 1200)
  • 2 iug. Schenkung: Ulrich von Braunshorn (um 1200)
  • 1,5 iug. Seelgerät: Sigehart und Rudegerus (um 1200)
  • 1 ZT, 8 iug. Schenkung: Richelo und Berloch (um 1200)
  • 5,75 iug, 1 ZT, 2 par. Schenkung: Ebernant, Liuppurch und Gerunc (um 1200)
  • Viertel Acker. Schenkung: Ebernant, Liuppurch und Gerunc (um 1200)
  • Viertel Wein. Schenkung: Ebernant, Liuppurch und Gerunc (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Schenkung: Herloch (um 1200)
  • 1,5 iug. Ankauf (unbekannt): Heinrich von Dicka (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Schenkung: Hadeloch von Lonsheim (um 1200)
  • 1/8 iug. Schenkung: Godebolt von Bingen (um 1200)
  • 1 ZT, 6.5 iug. Schenkung: Godebolt (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Schenkung: Godebolt (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Schenkung: Diedo (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Schenkung: Embricho von Langenlonsheim (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Schenkung: Embricho von Rüdesheim (um 1200)
  • Teil von Allodium: 1 ZT. Verpachtung: Arnold (um 1200)
  • Teil von Allodium: 1 ZT. Verpachtung: Gertrud von Waldböckelheim (um 1200)
  • Teil von Allodium: 1 ZT. Verpachtung: Hartben (um 1200)
  • Teil von Allodium: 1,25 iur. Verpachtung: Arnold (um 1200)
  • Teil von Allodium: 0,5 ZT. Verpachtung: Gernot (um 1200)
  • Fabrica domus: unbekannt. Verpachtung: unbekannt (um 1200)
  • Hof: unbekannt. Verpachtung: unbekannt (um 1200)
  • Haus mit Garten. Verpachtung: Werner von Bergen (um 1200)
  • 1 Weinberg. Pacht: unbekannt (um 1200)

Münster

  • Haus: unbekannt. Schenkung: Hermann (um 1200)
  • Unbekannt. Seelgerät: Konrad aus Münster und Bertha (1219)

Niederheimbach

  • Unbekannt. Mitgift: Brüder Siegfried, Werner, Embricho (1250)

Ockenheim

  • Allodium: 4 iur. Verkauf (Summe unbekannt): Sigebold (um 1200)
  • Predium: 7 iug, 5 par, 9 ZT. Schenkung: Richardis von Stade (um 1200)
  • 4 iur. Seelgerät: Gepa (um 1200)
  • 16 ZT, 29 7/12 iur. Schenkung: unbekannt (um 1200)
  • 1 Weinberg. Schenkung: Gernot von Bingen (um 1200)
  • 0,5 iug. Schenkung: Gernoth (um 1200)
  • 1 ZT. Schenkung: Hermann (um 1200)
  • 1 Weinberg. Schenkung: Wicherus (um 1200)
  • 1 Weinberg. Schenkung: Jutta von Ockenheim (um 1200)
  • 1 Weinberg: 2,5 iur. Schenkung: Liukardis von Ockenheim (um 1200)
  • 2,5 iur. Schenkung: Volknand von Ockenheim (um 1200)
  • Hofstätte: unbekannt. Verpachtung: Konrad, Wignand, Heinrich (um 1200)
  • 1 par. Verpachtung: Konrad (um 1200)
  • 3 iug. Schenkung: Gepa (um 1200)
  • 10 iug. Verpachtung: unbekannt (um 1200)
  • 4 iug. Ankauf: Ida (um 1200)
  • 0,5 iur. Verpachtung: „her dudenkint“ (um 1200)
  • 1 ZT. Verpachtung: Arnold, Seneschall (um 1200)
  • 1 iur. Verpachtung: Irmtraud (um 1200)
  • Predium: 2 par, 3 iug, 6 ZT. Pacht: Richardis von Stade (um 1200)
  • Unbekannt. Pacht: unbekannt (um 1200)

Reipolteskirchen

  • 1 Weinberg. Verpachtung: unbekannt (um 1200)

Roth bei Stromberg / Warmsroth

  • 2 iug. Unbekannt: Vogt Walpert (um 1200)
  • 1,5 iug. Unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • Predium: unbekannt. Verpachtung: unbekannt (um 1200)

Roxheim

  • Unbekannt. Schenkung: Wendela (1158)

Rüdesheim am Rhein

  • Allodium: 2 Weinberge. Schenkung: Heinrich von Olf und Osperen (1197)
  • 1 Weinberg. Schenkung: Arnold von Rüdesheim (um 1200)
  • 1 Weinberg. Schenkung: Wolfram von Rüdesheim (um 1200)
  • 24 par, 9,5 iug. Unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • 2 Acker. Unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • Weinberg: unbekannt. Pacht: Engelschalk (um 1200)
  • Unbekannt. Tausch: Embricho von Rüdesheim (1200)
  • Weinberg: unbekannt. Verpachtung: unbekannt (1204)
  • 2 Weinberge. Verpachtung: Werner von Rüdesheim (1272)

Schnorbach

  • Hufe: unbekannt. Seelgerät: Eigel und Guda (um 1200)
  • Hufe: unbekannt. Schenkung: Pastor David von Schnorbach (um 1200)
  • Hufe: unbekannt. Verpachtung: unbekannt (um 1200)
  • Predium: unbekannt. Verpachtung: unbekannt (um 1200)

Sommerloch

  • 2 iug. Schenkung: Hildburg von Treisen (um 1200)
  • 4 iur. Verpachtung: unbekannt (um 1200)
  • 4 iur. Verpachtung: unbekannt (um 1200)

Steeg

  • Weinberg: unbekannt: Verpachtung: Wikenand und Sophie (1273)

Trechtingshausen

  • Halber Hof: unbekannt. Ankauf (Summe unbekannt): Sigebold (um 1200)
  • Halbes Haus: unbekannt. Ankauf (Summe unbekannt): Sigebold (um 1200)
  • Allodium: 10,5 iur. Verkauf (Summe unbekannt): Sigebold (um 1200)
  • 1 Weinberg. Schenkung: Adelheid aduocata (um 1200)
  • 1 Weinberg. Schenkung: Wolpurch (um 1200)
  • 1 Weinberg. Verpachtung: unbekannt (um 1200)
  • Weinberg. Verpachtung: Herford und Beatrix (um 1200)

Volxheim

  • Allodium: 4 ZT, 45 iur. Schenkung: Frau Gepa (um 1200)
  • 5 iur, 1 par. Seelgerät: Mechthild (um 1200)
  • 4,5 ZT, 9 iur+. Schenkung: unbekannt (um 1200)
  • Hofstätte: unbekannt. Verpachtung: unbekannt (um 1200)
  • Hofstätte: unbekannt. Verpachtung: unbekannt (um 1200)
  • Hofstätte: unbekannt. Verpachtung: unbekannt (um 1200)
  • Predium: unbekannt. Pacht: Meginlacho und Hugo (um 1200)

Waldlaubersheim

  • Unbekannt. Verpachtung: unbekannt (um 1200)

Walluf

  • Allodium: unbekannt. Schenkung: Heinrich von Olf (um 1200)
  • Mühle: unbekannt. Verpachtung: unbekannt (um 1200)

Weiler

  • Allodium: 15 iur. Ankauf (18 l.a.): Kanoniker Werner (um 1200)
  • Allodium: 15,75 iur, 3 par. Schenkung: unbekannt (um 1200)
  • Allodium: 10 iur. Verkauf (Summe unbekannt): Sigebold (um 1200)
  • Teil von allodium: Hof: unbekannt. Verkauf (18 l.a.): Kanoniker Werner (um 1200)
  • 1 par. Unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • 1 iug. Schenkung: Mechthild (um 1200)
  • 1 iur. Schenkung: Apecha (um 1200)
  • 1 Weinberg. Schenkung: Bertha von Winkel (um 1200)
  • 1 Weinberg. Schenkung: Gerhild (um 1200)
  • 0,5 iur. Schenkung: Gerhild (um 1200)
  • 1 iug. Schenkung: Gerlach (um 1200)
  • 1 iur. Schenkung: Guda (um 1200)
  • 0,5 iur. Schenkung: Guntramus (um 1200)
  • 1 Weinberg. Schenkung: Hedwig von Bingen (um 1200)
  • 1 iur. Schenkung: Hermann (um 1200)
  • 1 iur. Schenkung: Liebheid (um 1200)
  • 1 iur. Schenkung: Mechthild (um 1200)
  • 0,5 iur. Schenkung: Othwich (um 1200)
  • 0,5 iur. Schenkung: Wolpert und Adelheid (um 1200)
  • Hofstätte: unbekannt. Verpachtung: unbekannt (um 1200)
  • Unbekannt. Verpachtung: Hedwig, Frau des Stephan (um 1200)
  • 1 Weinberg. Pacht: Lufried und Regelindis (um 1200)
  • Unbekannt. Schenkung: Vogt Walpert (um 1200)
  • Unbekannt. Seelgerät: Arnold Rapodo und Jutta (1270)
  • Unbekannt: Schenkung: Berungus und Richardis (1273)

Welgesheim

  • Allodium: 8 ZT, 37 5/6 vir, 97 iug. Ankauf (Summe unbekannt): unbekannt (um 1200)
  • Allodium: 6 Höfe (ohne Größe). Ankauf (Summe unbekannt): unbekannt (um 1200)
  • Allodium: 1,5 Äcker (ohne Größe). Ankauf (Summe unbekannt): unbekannt (um 1200)
  • Allodium: 6 Ballen Heu. Ankauf (Summe unbekannt): unbekannt (um 1200)
  • Teil von allodium: Hof: unbekannt. Ankauf (Summe unbekannt): unbekannt (um 1200)
  • Teil von allodium: Hof: unbekannt. Unbekannt: Stefan von Welgesheim (um 1200)
  • Predium: 5 ZT, 15,5 iug. Unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • Predium: 1 vir, 3 ZT, 13 iug. Unbekannt: Stefan von Welgesheim (um 1200)
  • Teil von Predium: 1/6 Acker. Unbekannt: Stefan von Welgesheim (um 1200)
  • Predium: unbekannt. Schenkung: Rheingraf Embricho (um 1200)
  • 2 ZT, 1,5 iur. Unbekannt: unbekannt (um 1200)
  • 1 Weinberg. Schenkung: Adelheid von Welgesheim (um 1200)
  • 2 iur. Schenkung: Adelheid von Welgesheim (um 1200)
  • 1 ZT, 1,5 iur. Schenkung: Gottfried von Welgesheim (um 1200)
  • 1 Weinberg. Schenkung: Godebolt (um 1200)
  • 1 iur. Schenkung: Giselburg (um 1200)
  • 1 iur. Schenkung: Heinrich (um 1200)
  • 2 ZT. Schenkung: Isenbreth (um 1200)
  • 4 ZT. Verpachtung: Gottfried in “ozenheim” (um 1200)
  • Halbe Hufe: 5,5 iug, 2,5 ZT, 2 vir . Pacht: Gerungus & Friedrich (um 1200)
  • Allodium: 10,5 iug. Pacht: unbekannt (um 1200)
  • Unbekannt. Pacht: unbekannt (um 1200)

Windesheim

  • Hufe: unbekannt. Seelgerät: Eberhard von Windesheim (um 1200)

Wiselon (unbekannte Wüstung)

  • 1 Weinberg. Schenkung: Margaretha von Schönburg (um 1200)

Ohne Lokalisierung

  • 1 Weinberg. Unbekannt: Dypurgis (um 1200)
  • 1 Weinberg. Ankauf (4 Solidus trev.): Heinrich (um 1200)
  • 1 Weinberg. Seelgerät: Arnold von Geisenheim (um 1200)
  • Hof: unbekannt. Verpachtung: Hartman (um 1200)
  • Hof: unbekannt. Verpachtung: Richwin (um 1200)
  • Hof: unbekannt. Verpachtung: unbekannt (um 1200)
  • Garten: unbekannt. Verpachtung: Werner (um 1200)
  • 1 iug. Verpachtung: Helferich von „bubelsheim“ (um 1200)
  • 1 iug. Verpachtung: Dieter (um 1200)
  • Halbes Haus. Verpachtung: Dieter (um 1200)
  • Keller. Verpachtung: Dieter (um 1200)
  • 2 iug. Verpachtung: Cimmelich (um 1200)
  • Haus. Verpachtung: Konrad, der Richter (um 1200)
  • 1 Acker. Verpachtung: Konrad, der Richter (um 1200)
  • 3 iug. Verpachtung: Gottfried, der Heiler (um 1200)
  • Unbekannt: Verpachtung: Äbtissin des alten Klosters (um 1200)
  • Unbekannt: Verpachtung: Arnold, der Schuster (um 1200)
  • Unbekannt: Verpachtung: unbekannt (um 1200)
  • Unbekannt: Verpachtung: Binger Schultheiß (um 1200)
  • Unbekannt: Verpachtung: unbekannt (um 1200)
  • Unbekannt: Verpachtung: Gottfried, der Flachsmacher (um 1200)
  • Unbekannt: Verpachtung: Gottschalk „orlaz“ (um 1200)
  • Unbekannt: Verpachtung: Hedwig (um 1200)
  • Unbekannt: Verpachtung: Meregart (um 1200)
  • Unbekannt: Verpachtung: Merewin (um 1200)
  • Unbekannt: Pacht: unbekannt (um 1200)
  • Unbekannt: Pacht: Hedwig (um 1200)
  • Unbekannt: Pacht: unbekannt (um 1200)
  • Mühle: unbekannt. Pacht: Kloster St. Jakob, Mainz (um 1200)
  • Unbekannt: Tausch: Embricho von Rüdesheim (1205)

Die European Super League: Geschichte wiederholt sich nicht, sie reimt sich

Ein Alleingang im Fußball, der jedoch genauso schnell in sich zusammenfällt, wie er startete. Was auf die 60-stündige Super League passt, ist nichts Neues, sondern ein altes Schema.

Auch im Fußball gilt: Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Weder 2021 die European Super League –noch 1920 die Gründung des ersten deutschen Profivereins, auf die der DFB mit einer Machtdemonstration reagierte, indem er allen involvierten Spielern und Vereinen mit Sperren drohte. Der Verband wollte den Amateurstatus für den Fußball über alle Ligen erhalten. Die Drohgebärde funktionierte. Nur wenige Fans besuchten die beiden einzigen Spiele des 1. Deutschen Berufs-Fußball-Club Berlin und der Hauptinitiator, Otto Eidinger, ging bankrott.

Der DFB als Bewahrer des guten, alten Fußballs

Vor 101 Jahren begann der Fußball in Deutschland so richtig zu boomen und Geld in die Kassen der Verbände und Vereinsbesitzer zu spülen. Die Spieler wollten ihren Anteil daran erhalten, doch der DFB erneuerte in den 1920er Jahren mehrfach sein Amateurstatut: Ja zum Fußball, nein zur Bezahlung. Dabei war eine Entlohnung der Spielerstars bereits vor dem 1. Weltkrieg bei den damaligen Topclubs gang und gäbe, wenngleich nur unter der Hand: Geld, Prämien, angenehme Jobs oder das Bereitstellen einer möblierten Wohnung waren die üblichen Entlohnungen, mit denen die Spieler ihren Arbeits- und damit Lohnausfall in ihrem Beruf kompensieren konnten.

Dennoch war auch schon in den 1910er Jahren offensichtlich, dass er Fußball wirtschaftsgetrieben war. Das steigende Interesse an dem Sport führte zu ebenso steigenden Erwartungen. Für deren Erfüllung waren sowohl ein besseres Training wie auch bessere Spieler notwendig – und damit mehr Geld, das über Zuschauer*innen-Einnahmen gedeckt werden sollte. Je erfolgreicher der Verein, desto mehr Zuschauer*innen, aber für den Erfolg brauchte es immer besser ausgebildete Spieler.

Zwischen Dominanz und Einlenken

So, wie die European Super League nun nur aufgehalten wurde, aber nicht gestorben ist, war die Entwicklung auch vor etwa 100 Jahren in Deutschland: Es gab einige Top-Clubs in den Landesligen, deren Bestplatzierte zu Saisonende in Play-off-Spielen den Deutschen Meister unter sich ermittelten.

Clubs wie der Hamburger SV, FC Nürnberg sowie der FC Bayern und FC Schalke 04 kritisierten die sportpolitische Vereinnahmung des Fußballs durch den DFB: Es sei offensichtlich, dass der Fußball nicht mehr nur zur Körperertüchtigung für potentielle Soldaten diene, sondern auch der Unterhaltung der breiten Bevölkerung. Doch der DFB blieb bei seiner Linie und ließ ab Februar 1925 die Vereine und Spieler noch stärker kontrollieren. Eine Konsequenz war, dass das Nationalteam in diesem Jahr kein Spiel mehr bestreiten konnte, weil den Spielern die Zeit zum Trainieren fehlte und eine Entschädigung der Trainingszeit dem DFB-Amateurstatut widersprach.

Im Jahr 1930 kam es in Gelsenkirchen wie bereits 1885 im englischen Preston: Der DFB führte ein Exempel durch, erklärte 14 Schalke-Spieler aufgrund ihrer erhaltenen Entlohnung zu Berufsspielern und sperrte sie. Doch diesmal ließ auch die Gegenseite ihre Muskeln spielen und zeigte diverse weitere verdeckte Berufsspieler bei anderen Vereinen an. Die anderen Vereine reagierten aber nicht brüskiert, sondern solidarisierten sich mit dem FC Schalke 04. Der DFB fürchtete einen Machtverlust und hob die Sperren auf.

Zeichen für ein Umdenken beim Verband? Nein, im Gegenteil. Denn nach seinem kurzen Einlenken erklärte der DFB dem Berufsfußball eine erneute Absage. Offenbar wähnte er sich als Tonangeber und rechnete nicht damit, was im Oktober 1930 geschehen sollte und was wiederum an den April 2021 erinnert: Es gab ein Treffen mehrerer großer deutscher Vereine, an dessen Ende die Einigung auf die deutsche Professionalismus-Reichsliga stand. Doch entgegen der Entwicklungen der Super League folgten mehrere Monate voller Diskussionen rund um Macht und Wirtschaftskraft. Am Ende stand eine vom DFB gesteuerte Reform, die die Vereine zum Einlenken brachte.

Ein Blick in die Glaskugel

Was bedeutet das nun für die Super League? Die Geister, die der Fußball durch seine Beliebtheit rief, wird er nicht los. Die Spirale des modernen Fußballs wird sich immer weiterdrehen. Das schnelle Ende der Super League zeigt aber auch den Einfluss der Fans und Fanorganisationen, nicht zuletzt über die sozialen Medien: Wir können zwar nicht ihre Drehbewegung aufhalten, denn für zu viele ist Fußball tatsächlich nur ein Entertainment. Aber die Geschwindigkeit der Drehbewegung lässt sich verlangsamen – so wie gerade geschehen.

Ein Zitat, das Mark Twain in den Mund gelegt wird, lautet: Geschichte wiederholt sich nicht, sie reimt sich. Das trifft auch immer wieder auf dieses Prozedere im Fußball zu.

Und die Geschichte zeigt: Ereignisse wie die Super League sind nicht neu und die Zukunft lässt sich nicht aufhalten, aber wir können sie gestalten.

Vom Kaiserreich zur Kommerzialisierung: Deutschland und der moderne Fußball

„Moderner Fußball“ ist ein Schlagwort. Ein Schlagwort, das in Zeiten von wankendem 50+1, zunehmender Kommerzialisierung, zerstückelter Spieltage etc. vorwiegend negativ konnotiert ist. Aber war der Fußball vorher alt? Antik? Natürlich mitnichten. Etymologisch betrachtet, bedeutet modern nichts anderes als „modisch/nach heutiger Mode“. Synonyme sind Adjektive wie aktuell, neu(artig), zeitgemäß und meinen damit auch fortschrittlich und etwas, das gerade eben („modo“) beliebt geworden ist. Ähnlich definiert es auch der Duden. So gesehen geht es bei der Frage nach modernem Fußball um die Phase, in der Fußball bei der Masse der Bevölkerung und nicht nur ein paar Nerds beliebt und in der die ursprüngliche Form weiterentwickelt wurde.
Es soll hier nur um den Beginn des modernen Fußballs in England und Deutschland (genauer gesagt: im deutschen Kaiserreich) gehen und um die Frage, was oder wer verursachte, dass er modernisiert wurde. Der Beitrag ist ein in Fließtext gebrachtes Brainstorming, das ausdrücklich zum Kommentieren anregen soll. Allerdings geht es hier wirklich nur um die Anfänge des Fußballs, d.h. um etwa die Phase 1820-1900 in England und 1870-1930 in Deutschland.

Dieser erste von zwei Teilen befasst sich mit dem Beginn des modernen Fußballs in England.

Dieser Beitrag erschien erstmals 2019 auf 120minuten.net

Im Mittelalter und der Frühen Neuzeit gab es in England football, in Frankreich soule, in Italien calcio. In Deutschland, genauer gesagt dem damaligen deutschen Kaiserreich, gab es vor dem 19. Jahrhundert kein Fußballspiel. Es konnte also nicht auf schon bekannte Formen zurückgreifen, die in der Folgezeit reguliert wurden. Fußball war unbekannt. Und daher musste er erstmal Fuß fassen, um modernisiert werden zu können. Denn das Wort modern setzt ja voraus, dass es schon eine Vorform, eine antike Form zuvor gab.

Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts kamen die in England beliebten Sportarten wie Cricket, Baseball und beide Fußballvarianten, Rugby und (Assoziations-)Fußball, nach Deutschland. Denn die in Deutschland lebenden Engländer und englische Langzeittouristen wollten nicht auf die liebgewonnenen Sportarten verzichten, die auch die Kontaktaufnahme zu anderen Engländern der Umgebung sehr erleichterte. In diesen Jahrzehnten entwickelte sich das reglementierte Fußballspiel vom Schüler- und Studentensport zu einem in der englischen Gesellschaft verankerten Freizeit- und Bewegungsvergnügen.

Deutsche, die in Kontakt zu Engländern standen – beispielsweise Ärzte, Sprachlehrer, Uniprofessoren oder Journalisten – beobachteten den Sport der Engländer, fanden mitunter Gefallen an Fußball und imitierten ihn. Das passiert vor allem in den so genannten Engländerkolonien in Deutschland. Diese befanden sich vor allem in Residenzstädten wie Hannover, Braunschweig, oder Dresden, oder in Universitätsstädten wie Heidelberg oder Göttingen. Auch in im 19. Jahrhundert beliebten Kurorten – Wiesbaden, Baden-Baden oder Cannstatt sind hier Beispiele – und in Handelsstädten wie Frankfurt, Berlin, Hamburg oder Leipzig waren häufig Engländer anzutreffen.

Soziale Herkunft der Fußball-Liebhaber: Engländer in Deutschland und Konrad Koch

Es waren aber nicht nur die in Deutschland lebenden Engländer, die den Fußball in Deutschland bekannt machten, sondern auch Konrad Koch, der Thomas Arnolds Ideologie und Leben profund während seines Studiums erforscht hatte. Koch muss von Arnold begeistert gewesen sein, denn er kopierte ihn und führte als Lehrer das Fußballspiel 1874 am Martino-Katharineum in Braunschweig ein, um die Jugendlichen fit zu machen und um die Basis für eine athletische Elite zu legen. Wie in England wurde Fußball als Winterspiel in den kalten Monaten des Jahres gespielt, während im Sommer Leichtathletik im Vordergrund stand. Übrigens hat Konrad Koch nicht Assoziationsfußball spielen lassen, sondern Rugby – wie Thomas Arnold als Schulleiter der Privatschule in Rugby. Da jedoch Assoziationsfußball in Deutschland wesentlich mehr und schneller Verbreitung fand als Rugby, unterstützte er diesen ab den 1890er Jahren. Koch versuchte, in Deutschland eine Fußballbegeisterung zu entfachen, wie es in England damals gerade passierte. Aber der Funke sprang in Deutschland nicht über. Als die erste Assoziationsfußballmannschaft in Deutschland gilt der Lüneburg College Football Club, bei dem den Namen der Spieler nach auch aus Deutschland stammende Schüler spielten.

Vgl. Hock, Hans-Peter: Der Dresden Football Club und die Anfänge des Fußballs in Europa. Hildesheim 2016. S. 18-20. Wer mehr zu Konrad Koch wissen möchte, sei Malte Oberschelps 2015 erschienene Biografie über Koch sehr empfohlen.

Denn in Deutschland war das Turnen die Körperertüchtigung Nummer Eins. Anfang des 19. Jahrhunderts beliebt geworden, war das Turnen eng mit studentischen Verbindungen und dem Einheits- und Nationalgedanken verbunden. Die aus England kommenden Sportarten wie Rugby oder Assoziationsfußball, Tennis oder Cricket wurden argwöhnisch beobachtet, weil sie eben aus England stammten und nicht deutschen Ursprungs, also nicht Teil der deutschen Kultur waren. Dazu kamen die Übersetzungsschwierigkeiten des englischen Begriffs sports, der letztendlich einfach in den deutschen Sprachgebrauch übernommen wurde. Auch Fachbegriffe wie offside, hand, to center oder goal wurden zunächst übernommen.

Die Spielbewegung und der Zentralausschuss zur Förderung von Jugend- und Volksspielen

Im November 1882 erließ der preußische Kultusminister, Gustav von Goßler, den nach ihm benannten Spielerlass. Er ermunterte darin die preußischen Kommunen, Spielplätze zu bauen und Turnen (später auch Bewegungsspiele/Sport) als regelmäßigen Teil des Unterrichts zu integrieren. Gleichzeitig sollten schulfreie Spielenachmittage etabliert werden.

Neun Jahre später, am 21. Mai 1891, gründeten von Goßler und der preußische Abgeordnete Emil Freiherr von Schenckendorff den Zentralausschuss zur Förderung von Jugend- und Volksspielen (ab 1897 Zentralausschuss zur Förderung von Volks- und Jugendspielen), kurz ZA. Der ZA war dabei kein Zusammenschluss von Fußball-Liebhabern verschiedener sozialer Herkunft, sondern bestand vor allem aus Mitgliedern der Nationalliberalen Partei und dessen Alldeutschen Verbandes (gemeinsame Ziele: Stärkung des deutschen Nationalbewusstsein, Pro-Imperialismus), somit vor allem Politikern, Beamten und Armee-Angehörigen. Ihr vorrangiges Ziel war aber nicht, den Sport politisch zu vereinnahmen, sondern vielmehr eine philanthropische, erzieherische, militärische und sozialdarwinistische Mischung, eine „gesunde“ Elite an sportlichen Deutschen und damit potentiellen Soldaten heranzuziehen. Daher versuchten die engagierten Persönlichkeiten, die Gräben zwischen Turnern und Sportlern aufzufüllen und zwischen ihnen zu vermitteln. Turnen und Sport (zeitgenössisch auch Bewegungsspiele genannt) sollten parallel existieren und sich ergänzen. Um diese Absicht zu erreichen, versuchte der ZA, die einzeln wirkenden Kräfte in Deutschland zu bündeln, um so das gemeinsame Ziel schnell zu erreichen. Dazu gehörte der Zentralverein für Körperpflege in Volk und Schule, der Deutsche Bund für Sport, Spiel und Turnen, das Komitee für die Teilnahme Deutschlands an den Olympischen Spielen zu Athen 1896 und später der 1911 gegründete Jungdeutschlandbund, in dessen Bundesleitung auch viele Mitglieder des ZA vertreten waren und der sich wie der ZA in der vormilitärische Ausbildung engagierte.

Wie versuchte man, die Ziele zu erreichen? Nun, durch einen intensiven Lobbyismus in Militärbehörden und Schul- und Stadtverwaltungen, Englandreisen, regelmäßige und verschiedene Zielgruppen ansprechende Veröffentlichungen und eine enorm große Werbetätigkeit. Die Geldmittel kamen aus dem preußischen Kultusministerium und anderen deutschen Landesregierungen.

Der ZA erreichte letztendlich seine Ziele der Verbreitung der Sportarten und die nationale Ausrichtung dieser.

Der Deutsche Fußballbund

In den 1890er Jahren entstanden eine Reihe von neuen Vereinen und auch erste regionale Fußballverbände, zum Beispiel in Berlin (Bund Deutscher Fußballspieler 1890, Deutscher Fußball- und Cricketbund 1891). Doch während Vereine in England gewachsene Gemeinschaften waren, gab es in Deutschland eine hohe Fluktuation in den Vereinen und daher auch einen geringen Zusammenhalt der Spieler. Die Identifikation mit einem Club war also nicht gewachsen – das kam dem ZA ungelegen. Seine Versuche, einen gesamtdeutschen Verband zu gründen, scheiterten zunächst an Unstimmigkeiten zwischen den Verbänden. Nach einigen Jahren der Vermittlung gab es Ende Januar 1900 in Leipzig einen neuen Versuch, einen deutschen Verband zu gründen. Nun stimmten 60 der 86 Vereine für die Gründung des Deutschen Fußballbundes. Die Gründungsmitglieder waren sowohl regionale Verbände (Verband südwestdeutscher Fußballvereine, beide Berliner Verbände und der Hamburg-Altonaer Fußball-Bund) als auch einzelne Vereine aus Prag, Magdeburg, Dresden, Hannover, Leipzig, Braunschweig, München, Naumburg, Breslau, Chemnitz und Mittweida – also aus dem ganzen damaligen Deutschland. Der Spielausschuss des DFB erstellte in den kommenden Jahren einheitliche Statuten und Spielregeln nach englischem Vorbild (1906 herausgegeben) und es gab einen regelmäßigen Spielbetrieb um die Deutsche Meisterschaft (ab der Saison 1902/1903) und den Kronprinzenpokal (ab der Saison 1908/1909).

Im DFB entschied man sich für die nationale und gegen die kosmopolitische Ausrichtung. Denn so erhielten sie vor den Turnern den Vorzug, um die Exerzierplätze als Spielfeld benutzen zu dürfen. Als Wehrsport wurde der Stereotyp eines Fußballers mit soldatischen Idealen aufgeladen: Kampf und Opfermut bis zur letzten Minute, Pflichttreue und Treue zur eigenen Mannschaft sowie Charakterstärke und Idealismus. An diesem Ideal hat sich bis heute wenig geändert und es ist auch der Grund, weshalb in Deutschland die Legalisierung von entlohntem Fußball noch vehementer abgelehnt und stigmatisiert wurde als in England. Vieles ist in Deutschland wie in England verlaufen, nur etwa 50 Jahre später, aber nicht in diesem Punkt: Während Fußball in England modern wurde, als er legaler Profifußball wurde und viele Menschen direkt oder indirekt durch das Fußballspiel Erwerbsmöglichkeiten fanden, wurde Fußball in Deutschland durch das Militär und das soldatische Ideal, also durch das deutsche Amateurideal, modern. Das änderte sich auch nicht, als der Profifußball etwa 50 Jahre nach der Legalisierung in England auch in Deutschland legalisiert wurde. Das ist vielleicht ein Grund, weshalb in Deutschland das Begriffspaar moderner Fußball mittlerweile stark negativ konnotiert ist und die 50+1-Regelung nicht schon längst über den Haufen geworfen wurde. Es ist aber vielleicht auch der Grund dafür, dass häufig und des Geldes wegen wechselnde Spieler als Söldner(!) beschimpft werden, weil sie nicht bis zu ihrem letzten Atemzug ihrer Mannschaft treu blieben – bewusst sehr pathetisch formuliert.

Währenddessen stieg die Mitgliederzahl des DFB rapide an und versiebzehnfachte sich zwischen 1904 und 1913.

Wie schon gesagt, Goßlers Idee ging also auf, Fußball wurde Wehrsport. Schon vor 1910 spielte die Marine ihre eigene Fußballmeisterschaft aus, ab 1911 auch das Landesheer. Der DFB wurde wie der ZA Mitglied in staatlichen, militärisch geprägten Jugendorganisationen wie dem 1911 gegründeten Jungdeutschland.

Als Wehrsport musste sich Fußball nun aber endgültig von dem Vorwurf des undeutschen Sportes lösen und Sprachbarrieren  beseitigen. Daher gab es ab den 1890er Jahren immer wieder Artikel in Zeitungen, Pamphlete und auch Bücher, die die englischen Begriffe eindeutschten.

Moderner Fußball: Die Fußballbegeisterung wird Teil der deutschen Gesellschaft

Viele deutsche Soldaten lernten das Fußballspiel erst als Wehrsport während des ersten Weltkrieges kennen; liebten und lebten ihn. Die Spiele dienten hier, in dem reinen Stellungskrieg, vor allem zur psychischen Stabilisierung von Truppeneinheiten und zur Hebung deren Stimmung, fand aber auch durch seinen klassennivellierenden Charakter allgemeine Beliebtheit bei den nichtadeligen Milieus. Diese Begeisterung endete nicht mit dem Kriegsende – im Gegenteil. Manche spielten Fußball fortan in Vereinen und viele weitere wurden begeisterte Zuschauer. 1920 hatte der DFB die 500.000er Marke seiner Mitglieder geknackt. Jetzt begann der Fußball, auch in Deutschland ein Massenphänomen zu werden.

In dieser Zeit, in der Weimarer Republik, nahm Fußball eine Mittlerrolle zwischen der deutschen Bevölkerung und der Reichswehr ein. Dabei war die Grenze zwischen zivilem und Militärsport fließend. Das Wort Kampf wurde in den 1920er Jahren zu einem Schlüsselbegriff: Kampfspiele, Kampfbahn, Kampfgemeinschaft, usw. Der Fußball diente als vormilitärisches Feld, um trotz dem Verbot einer Armee, die kommende Generation an die Tugenden der Soldaten heranzuführen. Außerdem tarnten sich viele paramilitärische Vereinigungen als Sportclubs wie die Box- und Sportabteilung der NSDAP. Diese wurde aber schon verhältnismäßig früh, nämlich im November 1921, von Hitler in Sturmabteilung, SA, umbenannt.

Waren Sportarten wie Fußball nach Ende des ersten Weltkrieges ein gutes Ventil, um die psychische Belastung der Kriegsjahre zu kompensieren, bargen sie damit aber in der Zwischenkriegszeit ein deutliches Gewaltpotenzial. Viele, die das Fußballspiel während des Krieges kennengelernt hatten, spielten einen derart unfairen Fußball oder benahmen sich als Zuschauer mit Platzstürmen und Gewaltandrohungen gegen Schiedsrichter und Gegner so rüde, dass Fußball zu Beginn der 1920er Jahre nicht nur breite Beliebtheit erfuhr, sondern gleichzeitig einen sehr schlechten Ruf erlangte. Der sehr angesehene Schiedsrichter Peter Joseph „Peco“ Bauwens legte 1925 wegen des Verhaltens der Spieler und Zuschauer in der Halbzeit des Spieles 1. FC Nürnberg gegen MTK Budapest schlicht sein Amt nieder.

Zu der Problematik von Fußball in der Weimarer Republik und Bauwens vgl. Eisenberg, Christiane: „English Sports“ und deutsche Bürger. Eine Gesellschaftsgeschichte 1800-1939. Paderborn 1999. S. 306-339.

Dabei entwickelte sich der Fußball durch die zahlreichen Zuschauer zu einem veritablen Wirtschaftsgut. Diesen verlorenen Respekt versuchte der DFB abermals durch die Verknüpfung mit dem soldatischen Ehrbegriff wiederherzustellen – erfolgreich.

Die ersten Radioübertragungen

Unterstützung erfuhr der Fußball in Deutschland wie in England durch Journalismus, Getränke- und Bauindustrie, Wettbüros, Fotografie und Sportartikelhersteller. Auch Zigarren- und Zigarettenfabriken sowie Schnapsbrennereien profitierten von dem Sport, denn es war auf den Zuschauerrängen üblich, sich zwischendurch mit einem Schluck aus dem Flachmann oder einer Zigarre zu stärken. Neu und in diesem Fall ganz elementar war für Sportinteressierte das moderne Medium Radio, dessen Verkaufszahlen sich zwischen 1923 und 1926 rapide anstiegen. Es war für Sport und Medium eine Win-Win-Situation: Das Radio beflügelte das Interesse, Sport zu verfolgen und die an Sport Interessierten kauften sich Radios. Wann das erste Spiel in Deutschland übertragen wurde, ist umstritten: War es das Spiel Preußen Münster gegen Arminia Bielefeld am 1. November 1925 oder das vom Rundfunkpionier Bernhard Ernst kommentierte DFB-Endspiel zwischen der SpVgg Fürth und Hertha BSC (Ende 1925)? Wie dem auch sei, der DFB unterstützte zunächst die Rundfunkübertragungen von Fußballspielen, um 1928 stark zurückzurudern: Um nicht die Zuschauerzahlen und damit Einnahmen der Vereine zu gefährden, wurden die Übertragungsrechte nur für das DFB-Endspiel sowie drei Länderspiele vergeben. Diese deutlichen Einschränkungen führten zu heftigem Protest der Zuschauer und tatsächlich wurden ab 1932 wieder mehr Fußballspiele via Radio übertragen; vor allem solche Spiele, bei denen eine Reduzierung der Zuschauerzahl nicht zu befürchten war.

Der DFB war kein Einzelfall. U.a. auch England und Schweden ließen die Übertragungen teils verbieten (Schweden) oder diskutierten über ein generelles Verbot (England).

Moderner Fußball: Profifußball wird (zum ersten Mal) legal

Mitte der 1920er Jahre kam es in Deutschland zu den ersten ernsten Anläufen, dass Fußballspieler ein bezahlter Beruf wird. Denn durch den Dawes-Plan (1925) und seine Unterstützungen begannen viele Städte, neue Stadien zu errichten, um mit Hilfe der Fußballbegeisterung die städtischen Kassen zu füllen. Um die Hypotheken schneller zurückzuzahlen und das Stadion auszulasten, musste man attraktive Spiele bieten und daher Fußballergrößen in die Vereine der Stadt locken. Außerdem war ab 1925 die Teilnahme Deutschlands an den Olympischen Spielen wieder möglich. Der Ehrgeiz , eine besonders schlagkräftige Mannschaft nominieren zu können, war deshalb groß. Unter der Hand gezahlte Zuwendungen waren längst die Regel.

Der DFB blieb bei seinem soldatischen Ideal des Fußballers, den der ehrenvolle Verdienst leitete, nicht der finanzielle . Bei Zuwiderhandlung drohte die Disqualifikation aus Meisterschaft und Pokalwettbewerb. Dabei war der Wunsch vieler Vereine, wettbewerbsfähig zu anderen Ländern zu sein. Bereits 1925 hatte der DFB eine Satzungsänderung verabschiedet, die es deutschen Vereinen stark erschwerte, gegen ausländische Profimannschaften zu spielen. (Der Boykott wurde erst 1930 auf Druck der FIFA aufgehoben.)

Durch die finanziellen Verluste der Weltwirtschaftskrise, die insbesondere die untere Mittelschicht (Angestellte, Facharbeiter) traf, gab es ab 1929 erneut deutliche Bemühungen, den Berufsfußball einzuführen. Bezahlungen der Fußballer unter der Hand waren mittlerweile die Regel, aber der DFB blieb weiterhin bei seinen Prinzipien. Mehr noch, im August 1930 sperrte er 14 Schalker Spieler und zudem mehrere Schalker Funktionäre und verhängte eine empfindlich hohe Geldstrafe von 1000 Reichsmark gegen den Verein. Der Grund: Schalker Spitzenspieler waren Arbeiter in der Schachtanlage Consolidation, wurden aber nur mit leichteren Aufgaben betraut und mussten also nicht unter Tage arbeiten, erhielten dafür aber deutlich mehr Lohn als ihre Kollegen. Die Bestrafung als abschreckendes Exempel für alle anderen Vereine ging für den DFB komplett nach hinten los: Viele weitere erfolgreiche Vereine bedrängten den Verband, die Strafen zurückzuziehen und drohten andernfalls mit dem Austritt. Der Westdeutsche Fußballverband forderte die Trennung in Amateurfußball und Berufsfußball. Noch lehnte der DFB ab, aber als es noch 1930 zur Gründung des Deutschen Professionalverbandes innerhalb des Westdeutschen Fußballverbandes und zu einer Reichsliga (gegründet von Sportjournalisten) kam, lenkte er ein. Schalke wurden die drakonischen Strafen erlassen. Aber der Profifußball wurde noch nicht legalisiert. Das Drängen der Vereine blieb und zwei Jahre später fürchtete der DFB die Spaltung des Fußballs wohl so sehr, dass er wie ca. 50 Jahre zuvor Alcock in England den Fußballsport legalisiert, um ihn dann besser kontrollieren zu können. Doch zu der für 1933 geplanten Reichsliga kam es nicht. Daran hatten nicht direkt die Nationalsozialisten Schuld; ihnen wären professionelle Sportler vielleicht sogar entgegengekommen. Nein, Felix Linnemann, seit 1925 Vorsitzender des DFB wurde 1933 mit der Leitung des Fachamts Fußball im Deutschen Reichsbund für Leibesübungen betraut und machte direkt die in seinen Augen erzwungene Legalisierung des Profifußballs rückgängig.

Moderner Fußball: Profifußball wird (wieder) legal

1950, noch vor der Neugründung des DFB, beschloss die Delegiertenversammlung der Landesverbände, ein Vertragsspielerstatut zur Legalisierung des bezahlten Fußballs. Ein Spieler, der noch einem weiteren Beruf nachging, durfte dennoch nicht mehr als 320 DM monatlich erhalten, d.h. nicht mehr als den Lohn eines Facharbeiters. Aus dem Jahresgehalt errechnete sich die Ablösesumme. Zur der gehörte auch immer ein Gastspiel des neuen Vereines.

1954 wurde Deutschland überraschend Weltmeister. In den Folgejahren nahm die Bedeutung der Nationalmannschaft wegen fehlender Erfolge jedoch spürbar ab. Viele Spieler wechselten zu Vereinen ins Ausland, wo der Profifußball längst etabliert war und sie höhere Gehälter erhielten. Beispielsweise nach Italien, wo Helmut Haller (1962-1968 FC Bologna, 1968-1973 Juventus Turin), Karl-Heinz Schnellinger (1963-1964 AC Mantua, 1964-1965 AS Rom, 1965-1976 AC Mailand) oder auch Horst Szymaniak (1961-1963 CC Catania, 1963-1964 Inter Mailand, 1964-1965 FC Varese) spielten. Um dem Trend entgegenzuwirken, beschloss der DFB auf seinem Bundestag 1962 die Einführung einer Berufsspielerliga, der Bundesliga. Neben Amateurspielern und Vertragsspielern gab es nun auch Lizenzspieler, die ein dreimal so hohes Gehalt wie Vertragsspieler erhalten und einen Teil der Transfersumme kassieren konnte. Aber die Bestimmungen waren in den 1960er Jahren noch recht restriktiv, weshalb in der ersten Bundesligasaison nur 34 Spieler Fußball als Vollzeitberuf ausgeübt haben sollen. Sie brauchten einen guten Leumund, durften aber ihren Namen nicht für Werbezwecke zur Verfügung stellen und so weiteren Lohn erhalten und die Gesamtbezüge aus Lohn, Handgeld, Prämien und Ablösesummen durften nicht 1200 DM monatlich übersteigen.

Für den DFB lohnte sich die Einführung der Bundesliga: Die Nationalmannschaft hatte wieder Erfolg und da in den 1960er Jahren schon viele Haushalte über einen Fernseher verfügten, konnte sich der DFB durch Fernsehübertragungsgebühren, Werbeeinnahmen und Sponsorengelder finanzieren.

Für die Vertrags- und auch Lizenzspieler war das Fußballspiel innerhalb der vom DFB gesetzten Grenzen nicht rentabel und so verwundert es nicht, dass es in der Saison 1970/71 zu einem so großen Bestechungsskandal kam und der DFB abermals zum Umdenken gezwungen wurde. 1972 wurde der Markt geöffnet – seitdem steigen die Einkommen der Fußballprofis kontinuierlich. Die Liberalisierung der elektronischen Medien und das Bosmanurteil vom Dezember 1995 haben diesen Effekt noch einmal deutlich verstärkt.

Fazit: Moderner Fußball durch Eventisierung und Taktik

Doch wann hielt der moderne Fußball nun tatsächlich Einzug in Deutschland? Je nach Betrachtungsweise gibt es dafür drei Möglichkeiten:

  1. Macht man den modernen Fußball an der allgemeinen, nationalen Begeisterung fest, so war es der erste Weltkrieg.
  2. Verbindet man den modernen Fußball mit Profifußball und seinen Folgen, so waren es die 1960er und 1970er Jahren, da die erste Legalisierung 1932 nur wenige Monate Bestand hatte.
  3. Nimmt man den Begriff “moderner Fußball” dagegen als Ausgangspunkt, liegt der Beginn in den 1980er Jahren. Bis 1976 existierte dieser Begriff in der deutschsprachigen Literatur noch gar nicht. Seitdem gab es ein kurzes kleineres Maximum von 1987 bis 1988, das ab 2002 wieder erreicht wurde und mindestens bis 2008 übertroffen wurde.

Lag die erste Häufung des Begriffs Ende der 1980er Jahre an dem Wechsel von Trainer Arrigo Sacchi zum AC Milan und seiner dort etablierten Spielidee? Wurde dieses Ereignis in der deutschsprachigen Literatur tatsächlich so gewürdigt? Oder hat es eine andere Ursache? Darauf habe ich leider keine Antwort.

 

Vom Gentlemen- zum Arbeitersport: England und der moderne Fußball

„Moderner Fußball“ ist ein Schlagwort. Ein Schlagwort, das in Zeiten von wankendem 50+1, zunehmender Kommerzialisierung, zerstückelter Spieltage etc. vorwiegend negativ konnotiert ist. Aber war der Fußball vorher alt? Antik? Natürlich mitnichten. Etymologisch betrachtet, bedeutet modern nichts anderes als „modisch/nach heutiger Mode“. Synonyme sind Adjektive wie aktuell, neu(artig), zeitgemäß und meinen damit auch fortschrittlich und etwas, das gerade eben („modo“) beliebt geworden ist. Ähnlich definiert es auch der Duden. So gesehen geht es bei der Frage nach modernem Fußball um die Phase, in der Fußball bei der Masse der Bevölkerung und nicht nur ein paar Nerds beliebt und in der die ursprüngliche Form weiterentwickelt wurde.
Es soll hier nur um den Beginn des modernen Fußballs in England und Deutschland (genauer gesagt: im deutschen Kaiserreich) gehen und um die Frage, was oder wer verursachte, dass er modernisiert wurde. Der Beitrag ist ein in Fließtext gebrachtes Brainstorming, das ausdrücklich zum Kommentieren anregen soll. Allerdings geht es hier wirklich nur um die Anfänge des Fußballs, d.h. um etwa die Phase 1820-1900 in England und 1870-1930 in Deutschland.

Dieser erste von zwei Teilen befasst sich mit dem Beginn des modernen Fußballs in England.

Dieser Beitrag erschien erstmals 2019 auf 120minuten.net

Eigentlich. An der Uni habe ich gelernt, dass man möglichst nicht das Wort eigentlich benutzt, weil es eine Aussage so stark abmildert, dass diese ihren Sinn verliert. Aber wir sind hier ja nicht an der Uni. Also, eigentlich war Fußball in England ja schon vor 1820 beliebt. Football, das Fortbewegen eines runden Gegenstandes mit den Füßen, wurde zwischen nahegelegenen Siedlungen gespielt. Allerdings erinnern die Beschreibungen an ein sehr kampfbetontes Rugbyspiel, denn das Transportieren der Kugel mit den Händen war ebenso erlaubt wie gewaltfrohes Einsteigen als Tackling. Sei es mit Füßen und Händen oder mit anderen Mitteln wie Stöcken. Spielen durfte jeder; eine Einteilung in Spieler und Zuschauer gab es nicht. Zwar gab es einzelne Regeln, die jedoch nicht so regulierend in das Spiel eingriffen wie in die heutigen Varianten des Fußballspiels. Darüber hinaus gab es schon während der Frühneuzeit Bemühungen, die Fußballspiele zu regulieren und damit zu kontrollieren (Richard Mulcaster, 1561: Man brauche einen „training master“ und eine Person, die „jugde over the parties and hath authroritie to commaunce“ ), aber sie waren erfolglos.

Nimmt man diese Formen des Fußballspiels als alte, archaische Varianten an, so muss man die regulierten Fußballspiele an englischen Privatschulen zwangsläufig als den modernen Fußball bezeichnen, und zwar als Fußballspiele, die bestimmten Regeln unterworfen waren mit dem Ziel, die aus der Oberschicht (hierunter zähle ich „aristocracy“ und „gentry“) und gutverdienenden Mittelschicht stammenden Privatschüler zu Gentlemen zu machen.

Doch sie waren nur die Basis für das Entstehen eines Massenphänomens, das von Gentlemen in Gang gesetzt wurde. Als vermehrt Arbeiter Fußballspieler wurden, wandten sich die bisherigen Fußballliebhaber entweder vom Fußballsport ab oder unterstützten ihn als wirtschaftliche Gönner. Da die Arbeiter den Sport nicht als reine Muße ausübten, sondern ihn gerne als Nebenverdienst nutzten (dazu später mehr), wurde die Bemühung um einen entlohnten Fußballsport immer größer, denn die Bezahlung der Arbeiter, Bergarbeiter wie Fabrikarbeiter war so gering, dass die Familien mindestens am Existenzminimum, wenn nicht darunter leben mussten.
Ein weiterer Aspekt des modernen Fußballs in England entstand durch die Veränderung der Abseitsregel; der Möglichkeit nämlich, zu kombinieren und mit taktischen Finessen den Gegner auszuspielen. Das war vorher im von „long ball“ und „dribbling game“ geprägten Fußballspiel im 1-2-7-System mit sehr restriktiver Abseitsregel nicht möglich.

Fußballregelwerke und Fußballverbände schaffen die Basis

Thomas Arnold ist in aller Munde, wenn es um die Anfänge der Fußballregeln in England geht, aber das erste Fußballspiel an einer englischen Privatschule wurde 1815 in Eton gespielt, in Thomas Arnolds Schule in Rugby ab 1823. Etwa zur gleichen Zeit wie in Rugby wurde das Spiel an der Aldenham School (Elstree) eingeführt (spätestens 1825) und in den 1830er Jahren im Londoner Stadtteil Harrow sowie in Winchester und in Shrewsbury. Die Idee von Thomas Arnold war nicht so einmalig, wie sie mitunter dargestellt wird. Waren die verschiedenen Fußballregeln teils sehr unterschiedlich (Handspiel, Anzahl der Spieler, Kampfbetontheit, Größe des Spielfeldes, Aussehen des Tores, etc.), hatten die frühen (Schüler-)Fußballmannschaften doch Gemeinsamkeiten: Die Schüler sollten auf diese Weise spielerisch Gentleman-Ideale lernen: Ehrlichkeit, Selbstdisziplin, Verantwortungsbewusstsein, Selbstorganisation; kurz gesagt: Fairplay. So hatten die Teams keinen Trainer oder Manager – die Mannschaft organisierte sich selbst, Lehrer reagierten nur auf Anrufung der Schüler.

Leider sind die Regeln aus diesen Jahren sind nicht überliefert. Die älteste, überlieferte Regel ist das Regelwerk der Universität von Cambridge von 1856, die acht Jahre nach dem ursprünglichen Regelwerk erstellt wurde. Denn an der Cambridger Universität trafen sich fußballliebende, ehemalige Privatschüler, die aus den ihnen bekannten Regelwerken ein neues generierten, die Cambridge Rules. In anderen englischen Universitäten wird ähnliches passiert sein, überliefert ist das aber nicht. Was man weiß, ist, dass zeitgleich innerhalb der Städte Sportclubs der Oberschichten entstanden, die neben Reitsport und Jagd auch an den Fußballformen (Assoziations-)Fußball und Rugby sowie Cricket Freude fanden.

Jeder Club hatte wiederum seine eigenen Regeln. Damit sich die Clubs vor Spielen gegen andere Clubs der Stadt nicht immer einigen mussten, welche Regeln befolgt wurden und welche verboten waren, entstanden Verbände (football associations) in den einzelnen Städten, so 1858 zunächst in Sheffield und 1863 in London. Diese Verbände gingen in den folgenden Jahren ineinander auf, sodass 1877 nur noch die Sheffield FA und London FA verblieben und sich in diesem Jahr zu einer nationalen FA vereinten. Dabei wurde das Regelwerk der London FA übernommen. Zwar wurden in anderen Regionen Englands noch weitere Verbände gegründet – 1875 in Birmingham, 1878 in Lancashire, 1882 in Norfolk, Oxfordshire, Essex und Sussex, 1883 in Berkshire, Buckingham, Walsall, Kent, Nottinghamshire, Middlesex, Liverpool, Cheshire, Staffordshire, Derbyshire und Scarborough -, aber diese traten kurz Zeit nach ihrer Gründung der 1877 geeinten FA bei. Bereits 1871 hatte sich die Rugby Union gegründet. Damit war die Trennung in rugger und soccer (a_socc_iation) endgültig.

Aber nicht nur die einzelnen Stadtverbände, später dann die nationale FA, sorgten für die zunehmende Begeisterung für den Fußballsport und den Zusammenhalt der Clubs, sondern auch der FA-Cup, der ab der Saison 1871/72 durch die London FA ausgetragen wurde. In der ersten Saison nahmen 13 Clubs aus diesem Verband teil, nämlich acht Clubs aus London und fünf aus der Umgebung. Außerdem wurde der Glasgower Club Queen’s Park eingeladen. Die Idee für diesen Wettbewerb hatte Charles William Alcock, der Verbandssekretär der London FA und Mittelstürmer der Wanderers FC, früher Schüler an der Privatschule in Harrow. Den Harrower Wettbewerb mit K.o.-System übernahm er für den FA Cup, dessen ersten Wettbewerb er mit seiner Mannschaft (vorwiegend ehemalige Schüler aus Harrow) auch gewann. Alcocks Ziel mit der Einführung dieses Pokalwettbewerbs war, inoffiziell gezahlte Spielergehälter zu unterbinden, indem für den Sieger ein hoch dotierter Pokal in Aussicht gestellt wurde. Alcock dachte – als Gentleman -, dass der Anreiz des Pokalgewinns das Ehrgefühl der Spieler anspricht und diese sich deswegen fair, also unter gleichen, unbezahlten Umständen, messen würden. Doch dieser Versuch scheiterte nicht nur, er wandte sich in das Gegenteil um, da der Reiz des Wettbewerbs die Ideale des Amateurfußballs umging. Die Teilnahme am (London) FA Cup wurde in den kommenden Jahren beliebter, die Rivalität nahm zu, genau wie der Ehrgeiz, die Spannung und der Wetteifer und damit die Anwerbung von sehr guten Fußballspielern, um den Lokalrivalen im kommenden Spiel besiegen zu können. Außerdem lockten die Spiele durchgehend eine drei- bis vierstellige Anzahl an Zuschauern an, so auch viele Arbeiter, die auf diesem Wege leicht mit unbekannten, gleichgesinnten Menschen in Kontakt kamen – und die Kassen der Clubbesitzer füllten.

Der entlohnte Fußball in England

1850 wurde eine Erweiterung der Factory Acts, der Compromise Act, verabschiedet, der unter anderem den Feierabend um 14 Uhr an Samstagen einführte. So hatten auch Fabrikarbeiter/innen Freizeit. Fußball war eine Sportart, die verhältnismäßig wenig Geld kostete und manche Fabrikinhaber unterstützten die sportliche Freizeitgestaltung ihrer Arbeiter (fußballspielende Spielerinnen sind mir aus dieser Zeit nicht bekannt), stellten die Ausrüstung und bezahlten auch manchmal die Reisen zu Auswärtsspielen. Eine Win-Win-Situation, denn so waren die Inhaber sicher, dass ihre Arbeiter ihre Freizeit nicht bei übermäßigem Alkoholgenuss faulenzend verbrachten und die fußballbegeisterten Arbeiter hatten eine Alternative – auch für Bergarbeiter und ihre physisch und psychisch anstrengende Arbeit unter Tage. Es gab auch viele damalige Werksvereine, von denen manche heute noch existieren, beispielsweise die Munitionsfabrik Dial Square (Arsenal FC), die Thames Iron Works (West Ham) oder die Newton Heath LYR Company (Manchester United).

Auch Pubbesitzer trugen zur Kommerzialisierung des Fußballs bei. Sie nutzten das Interesse ihrer Besucher an Wettspielen und den Ergebnissen des lokalen Clubs. Daher boten sie einen Resultatservice für diejenigen an, die die jeweiligen Spiele nicht besuchen konnten. Via Telegrafen wurden die Ergebnisse durchgegeben und per Zettel an die Wand geheftet. Das Veröffentlichen der Ergebnisse weckte auch die Neugier von bisher nicht an Fußball interessierten Pubbesuchern und steigerte so nochmals das Interesse an der Sportart.

Anders als den Menschen aus der Oberschicht diente Fußball den Arbeitern nicht als gesunder Lebensstil und um Fairplay zu lernen, denn aus ihnen konnten keine Gentlemen werden. Er diente ihnen zur Geselligkeit und als Herausforderung. So veränderte sich die soziale Basis des Fußballsports – von den aus Ober- und Mittelschichten stammenden ehemaligen Privatschülern hin zu Arbeitern, von einem reinen Spiel hin zu einer entlohnten Tätigkeit. Abgesehen vom gesunden Lebensstil wollten viele ihren Einsatz während ihrer schon spärlichen Freizeit nämlich entlohnt haben. Und Clubbesitzer, häufig mit Blick auf das Steigern des eigenen Ansehens, entgolten gute Fußballspieler auch. Das steigerte bei vielen Aktiven die Ambitionen. Dieser wurde zusätzlich durch die Aussicht geschürt, dass man im Fall des Sieges zum lokalen Helden avancierte – eine soziale Anerkennung, die den Arbeitern sonst nicht zuteil werden konnte. Die sprichwörtliche englische Härte war Spiegelbild der sozialen Herkunft der Fußballspieler aus der Arbeiterschicht.

Zwar war eine finanzielle Entlohnung der Fußballer offiziell verboten, aber Clubs umgingen diese Regelung und boten entweder eine Bezahlung in Naturalien und Mobilien an oder eine anspruchslose Tätigkeit bei gleichem Lohn in der Fabrik oder zahlten auch Lohn pro Spiel. Bereits seit den 1850er Jahren gibt es in England den Begriff professional, also kurz nach dem Compromise Act. Den Begriff „amateur“ gibt es in England aber erst seit den 1880er Jahren; er wurde von Gentlemen benutzt, um sich von dem bezahlten Fußballsport, dem von ihnen so genannt „shamateurism“, abzuheben. Bei manchen Gentlemen existierte eine regelrechte Endzeitstimmung durch die “americanisation”, die angeblich zu Verdummung und Verrohung der Großstadtmenschen führte. Oder man stigmatisierte den bezahlten Fußball als Krebs, der den Sport von innen zerstöre. Die Gentlemen in den FAs versuchten, die unter der Hand erfolgten Entlohnungen durch Disqualifikationen und Sperren der Spieler und Clubs zu stigmatisieren. Aber alles Moralisieren hielt nicht den Lauf der Dinge auf.

Die Grenze zwischen Pro-Profifußball und Pro-Amateurfußball war keine Grenze zwischen dem Süden (Amateure) und dem Norden (Profis), wie es bei Lowerson und Koller zu lesen ist. Es war auch keine Grenze zwischen den Reicheren (Ober- und Mittelschichten) und der Arbeiterschicht. Die Trennung ging durch die Mittelschicht und damit auch durch Vereinsgremien und Fußballspieler; nämlich zwischen jenen aus der Mittelschicht, die sich den Gentleman-Idealen verpflichteten, und denen, die in die Einnahmequellen des entstehenden Massensportes investierten, zum Beispiel als Buchmacher, Bau- und Transportunternehmer, Getränkehersteller oder Manager der Sportartikelindustrie. Tendenziell stimmt aber die Trennung in Nord und Süd schon, wenn auch nicht so rigide. Denn in dem im Nordosten Englands liegenden Lancashire war das mehr oder minder verdeckte Zahlen von Löhnen weit verbreitet. Dabei waren es nicht nur englische Arbeiter, die für ihr Fußballspiel entlohnt wurden, sondern vor allem schottische Fußballspieler, die bewusst ihre Heimat verließen, um in England bezahlte Fußballer zu werden, wissentlich, dass in England der Profifußball verboten war (in Schottland wurde der Profifußball später als in England erlaubt). Sie fanden aber auch schnell Anstellung, da ihre spielerische Finesse bekannt war. So kam es, dass immer mehr schottische Fußballspieler zufällig (wer’s glaubt…) in England bleiben mussten, weil sie den Zug nach Hause verpasst hatten… Charles Edward Sutcliffe, J. A. Brierley und F. Howarth, die zum 50jährigen Jubiläum der Football League mit “The Story of the Football League 1888-1938” einen Rückblick veröffentlichten, fassten diese Phase in ihrer Einleitung wie folgt zusammen:

„The first real development follows the appearance in Lancashire – often under mysterious circumstances – of Scottish players who had strayed over the Border or been surreptitiously spirited across, and by others who had conveniently ‚missed the train back‘ home after coming down with Scottish clubs to visit English clubs. The precise reasons which gave rise to this invasion do not matter a great deal to-day. What it is important to remember is that these were the days of amateurism, and that the influx of so many Scotsmen under suspicious circumstances led to a crisis which had far-reaching consequences.“

Diese weitreichende Konsequenz hieß Football League. Denn nachdem Preston North End 1884 aus dem FA Cup ausgeschlossen wurde, weil ihre Entlohnung und Anwerbung von Spielern öffentlich wurde, protestierten 40 Clubs wie Lancashire, Aston Villa, Walsall Swifts und Sunderland und kündigten an, aus der mittlerweile nationalen FA auszutreten und eine British Football Association zu gründen, in der das professionelle Fußballspiel erlaubt war.

Zuvor erkannte Verbandssekretär Alcock, dass die Entwicklung zum Profifußball nicht mehr aufzuhalten war und versuchte, ihn durch Legalisierung zu kontrollieren. Im Juli 1885 wurde der professionelle Fußball erlaubt, wenn auch zunächst mit einer Gehaltsobergrenze und weiteren Bedingungen: Die Spieler mussten bei der FA registriert sein, in einem Radius von sechs Meilen von Spielort entweder geboren worden sein oder dort seit mindestens zwei Jahre leben und durften während einer Saison nicht bei mehr als einem Verein spielen – außer durch eine Sondergenehmigung der FA. Ihren Meinungswandel begründete die FA, in dem sie die Fußerballerlöhne als irrelevante Vergütung (“irrelevant consideration”) bezeichnete, d.h. Fußballwettspiele quasi aus der Realität ausklammerten. Wettspiele seien Teil einer durch die Regeln der Unerheblichkeit (“rules of irrelevance”) abgeschirmten Spielsphäre und daher könnte Amateurfußball neben Profifußball existieren. Viele Gentlemen aber wandten sich mit der Legalisierung des Profifußballs von dieser Sportart ab.

1888 folgte dann die Gründung der englischen Profiliga, der Football League (FL), die zunächst aus vorwiegend nordenglischen Clubs bestand. Die FL war von Beginn an eine Erfolgsgeschichte. Die erste Saison mit 22 Spielen besuchten insgesamt rund 602.000 Zuschauer (ca. 2488 Zuschauer pro Spiel), zehn Jahre später waren es schon über fünf Millionen (ca. 8651 Zuschauer pro Spiel). 1892 wurde die Second Division der FL gegründet, in der sich Clubs messen konnten, die nicht so erfolgreich wie die FL-Clubs waren. Das gesteigerte Interesse am Fußball lag auch an der Routine, die mit den Ligaspielen einherging, denn sie steigerte Qualität – und auch die Ausgaben für immer bessere Spieler. Zum Beispiel erwarb Middlesborough Ironopolis 1893 innerhalb von drei Tagen eine völlig neue Mannschaft, um den verhassten Konkurrenten aus Huddersfield und Preston endlich ebenbürtig zu sein. Alcocks Ziel, die Kontrolle des Profifußballs, war gescheitert.

Nicht wenige Proficlubs gingen an die Börse. Die meisten hatten nicht das Ziel, reich zu werden, sondern versuchten, mit dieser Methode den Bankrott ihres Vereines zu verhindern – nicht immer erfolgreich. Im Fall von Newton Heath LYR FC, Mitglied der Second Division der FL, die wegen 2670 Pfund (heute gut 308.000 Euro) ) Schulden Insolvenz anmelden mussten, ging es glimpflich aus. Lokale Unternehmer investierten insgesamt 2000 Pfund in den neuen Club Manchester United FC, der schnell wieder in die First Division der FL aufstieg und zu einem deren führenden Clubs wurde.

1890 setzte die FA ein Gehaltsmaximum von zehn Pfund pro Monat fest (entspricht etwa 500 heutigen Pfund), aber schon drei Jahre später wurden Starspieler in der Regel mit 50 bis 75 Pfund/Monat bezahlt. Diese waren aber in der starken Minderheit, denn das durchschnittliche Gehalt von Profifußballern belief sich in diesem Jahr auf drei Pfund/Monat im Winter (d.h. während der FL-Saison) und zwei Pfund/Monat im Sommer (außerhalb der FL-Saison). Dazu kamen Siegerboni von maximal zwei Pfund je gewonnenem Spiel. Die Gehälter waren in der Regel nicht verhandelbar und orientierten sich am Erfolg des Spielers. Nur Starspieler hatten Mitspracherecht.
Paul Brown gibt an, dass der durchschnittliche Fußballspieler bis 1890 das Vierfache eines allgemeinen Arbeiters (nicht Facharbeiter) verdiente, Ende des 1890er Jahre bereits das Zehnfache. 1900 setzte die FA gegen Protest ein Gehaltsmaximum von vier Pfund/Monat fest, das bis 1961 gültig blieb, aber schon vom ersten Jahr an durch großzügiges Schwarzgeldzahlungen und Geschenke umgangen wurde.

Ab 1893 bedurfte es für den Wechsel zu einer anderen Mannschaft der Einwilligung des aktuellen Clubs. Auf der anderen Seite konnte jeder Verein jedes Jahr seine Spieler auf die im Sommer vom League Management Committee veröffentliche Transferliste setzen, denn es gab in der Regel nur Jahresverträge. Die Spieler hatten beim Wechsel keinerlei Protestmöglichkeit, weshalb schon zeitgenössische Berichte die Praxis mit einem Viehmarkt verglichen. Auch die FA kritisierte das System deutlich als unfair, aber nicht wegen der Bevormundung der Clubs, sondern weil sich eingebürgert hatte, dass kleinere Clubs junge Spieler entdeckten und sie dann an vermögendere Vereine für möglichst viel Geld verkauften. Was heute als wirtschaftlich kluge Transferpolitik bezeichnet wird, war für die FA damals offenbar Wettbewerbsverzerrung.
Das Transfersystem veranlasste einige führende FL-Spieler zur Gründung der Association Footballs‘ Union (AFU), einer Fußballergewerkschaft, die jedoch keinen Einfluss nehmen konnte und sehr schnell nicht mehr existierte. 1907 konstituierte sich dann in Manchester die bis heute existierende Professional Footballer’s Association (PFA), die vor allem aus Spielern von Manchester United bestand und die die Beseitigung von Gehaltsobergrenzen und die freie Wahl des Arbeitsplatzes forderte.

Der teuerste Wechsel im englischen Profifußball vor dem ersten Weltkrieg waren übrigens die Transfers von Alf Common 1905 von Sunderland zu Middlesbrough für 1000 Pfund, die nach Paul Brown etwa 110.000 heutige Pfund entsprechen.

Unterstützende Gründe für den Aufstieg des Fußballs zum Massenphänomen

Was unterstützte die steigende Beliebtheit von Fußball in England sonst noch? Die meisten von ihnen wurden schon genannt. Zum einen die Pubs, aber es war auch das Eisenbahnnetz, der Journalismus und die Fotografie. Letztere ermöglichte, all denen einen Eindruck vom Spiel zu vermitteln, die es nicht besuchen konnten und diente außerdem dazu, Berichte in den allgemeinen und speziellen Sportzeitungen zu illustrieren. Sportzeitungen entstanden als Weiterentwicklung des Resultatservice in Pubs. Die Journalisten unterstützten dabei häufig das Amateurideal, um die Berufsethik aufzuwerten. Die Presse wurde in den oberen Schichten mit Indiskretion und Korruption in Verbindung gebracht. Die (Sport-)Journalisten versuchten so, sich öffentlichkeitswirksam als Gentlemen zu präsentieren, wenngleich sie nie den sozialen Status eines solchen erlangen konnten. Und die Eisenbahn erweiterte den Einzugsbereich für die Zuschauer von Sportveranstaltungen und verhalf so auch zu einer Steigerung des Zuschaueraufkommens. Bereits vor der Legalisierung des Profifußballs waren Sonderzüge zu Spielen außerhalb der eigenen Stadt üblich. Mit der Legalisierung des Profifußballs wurden sie dringend erforderlich. Auch das Straßenbahnnetz innerhalb der Städte wurde verbessert, um die Erreichbarkeit der Stadien für die Zuschauerströme zu erleichtern und zu beschleunigen.

Die Wiege der Taktik – Das Kombinationsspiel

Bis in die 1870er Jahre war die übliche Spielweise ein Mix aus „long ball“ und „dribbling game“, also aus dem ziellosen, weiten Vollspannstoß nach vorne (in Kontinentaleuropa „Kick and Rush“ genannt) und dem individuellen Spiel unter Mitführen des Balles. Das frühe Fußballspiel war also ein schnelles Spiel, bei dem das individuelle spielerische Können ausschlaggebend war – und es zu vielen Kontern kam, wenn der Schuss nach vorne oder das Dribbling von den Gegenspielern unterbunden wurden.
‚Ein schnelles Spiel durch die long-ball-Variante?‘, mag sich mancher von euch fragen. ‚In der Zeit ist doch auch ein schnelles Kurzpassspiel möglich und meistens auch erfolgreicher als der weite Ball nach vorne.‘ Und genau da ist auch der Knackpunkt: Nur wenige Mannschaften spielten ein Kurzpassspiel und wurden dafür bewundert, die „science of the football“ zu beherrschen.

Im Rugbyfußball war „scientific football“ schon seit den 1850er Jahren ein Buzzword; im Assoziationsfußball dauerte es ein gutes Jahrzehnt länger. Dass das „combination game“ im Assoziationsfußball Ende der 1860er Jahre aufkam, war kein Zufall, da 1866 (London FA) bzw. 1858 (Sheffield FA) die Abseitsregelung gelockert wurde. War vorher jeder im Abseits, der zwischen Ball und gegnerischem Tor stand, wurde nun die 3-Mann-Regel (London) bzw. 2-Mann-Regel (Sheffield) eingeführt. Nun brauchte man nicht mehr den Ball nur nach vorne zu treiben, sondern konnte eine Position auf dem Spielfeld einnehmen.

Der Begriff „combination game“ wurde erstmal von dem hier schon häufig genannten Charles William Alcock 1874 benutzt: „Nothing succeeds better that what I may call a ‚combination game‘“, äußerte er beim Anblick eines Spiel der Fußballmannschaft der Royal Engineers. Viele Sportberichte übernahmen aber zunächst nicht diesen Begriff, sondern versuchten, mit eigenen Worten die Spielweise der Royal Engineers, Shropshire Wanderer, Cambridge University AFC, Derby School, von Nottingham Forest, des Trent Colleges, von Queen’s Park und Mannschaften aus der Sheffield FA zu erklären. Dabei glich sich das combination game der verschiedenen Mannschaften nicht ganz. Der Sheffield style wurde als „passing on“ (direkte Weitergabe des Fußballs) bezeichnet, der Spielstil der Royal Engineers als „backing“ (Angriffsspiel mit Absicherung gegen Konter) und der Queen’s Park-Style als „Scottish style“ bzw. „Scotch style“. Aber alle Spielstile hatten das neuartige Passspiel zwischen mehreren Spielern gemein – Kurzpassspiel statt long ball und individuelles Ballmitführen.

In der zeitgenössischen Spielberichterstattung umschrieb man diese Spielweise in Sheffield und die der Royal Engineers als schnelle („quick piece of play“,„scientific movements“, „scientific play“) und kluge („attracted especial[!] attention by their clever play“, “tactical passing”) Spielweise mit akkuratem Zuspiel („remarkeably neat“, “turned the ball”) und Zusammenspiel (“these three play in concert”, „played beautiful together”, “worked well together”), mit Absicherung (“backed up each other”, “has learned the secrets of football success – backing up”) und wenigen Dribblings (“very little dribbling was displayed”).

Die Spielstile dieser Mannschaften waren aber noch wesentlich statischer als das heutige Kombinationsspiel, denn es beinhaltete kein systematisches, einer bestimmten Taktik folgendes Spiel. Auch blieb das Spielsystem beim 1-2-7.

Das Kombinationsspiel entwickelte zunächst Queen’s Park noch in den 1870er Jahren und ein paar Jahre später entwickelte Cambridge University AFC die schottische Spielart zum heute üblichen Kombinationsspiel weiter, in dem jeder Spieler einem Bereich auf dem Spielfeld zugeteilt ist und nach vorgegebenen Schemata mit seinen Mitspielern spielt. So entwickelten sich auch neue Spielsysteme. Queen’s Park spielte in einem 2-2-6- oder 2-2-3-3-System, Cambridge im 2-3-5-System.

Der Scottish style wurde als “most creditable” und immer wieder als “fine style” bezeichnet. Ihn kennzeichnete ein gutes Zusammenspiel (“worked well together”, “worked […] well together through knowing each other’s play”, “played excellently well together”, “working beautifully to each other’s feet”, “adepts in passing the ball”, “development of scientific passing and cohesion between halfbacks and the forwards as a counter to the traditional dribbling and individuality”) und die Fähigkeit, ein Fußballspiel aufzubauen und zu machen (“drove their opponents before them”, “profound influence in fashioning the technique of the game”). Das Cambridger Spielsystem wurde 1891 so beschrieben: “[It] illustrate[s] the full possibilities of a systematic combination giving full scope to the defense as well as the attack”.

Das kombinationsreichere Spiel von Queen’s Park wurde durch die im Vereinsregelwerk („Rules of the field“, 1867) festgeschriebene 2-Mann-Abseitsregel ermöglicht, die zudem nur 15 yards (= 13,716 Meter) vor dem gegnerischen Tor galt. Außerdem trainierte Queen’s Park das Zuspiel in Gruppen auf Kleinfeldern. Das war völlig neu – wenn es überhaupt Training gab, dann war es reines Ausdauertraining. Der Queen’s Park-Style wurde durch Spiele der Mannschaften gegen andere schottische Vereine bekannt und von diesen imitiert. So wurde aus dem Queen’s Park-Style der „Scottish style“. Beim ersten Aufeinandertreffen der englischen Fußballerauswahl auf die der Schotten im Jahr 1872 konnte das englische Team trotz seiner schnellen und dribblingstarken Spieler dem verzahnten Spiel der Schotten nur wenig entgegensetzen. Spielerisch stand dem damals üblichen 1-2-7 der Engländer die schottische Auswahl im 2-2-6-System gegenüber, was das schottische Spiel zusätzlich agiler machte.

England konnte zwischen 1872 und 1885 nur drei der alljährlichen Spiele zwischen England und Schottland gewinnen. Als England 1882 5:1 gegen den nördlichen Nachbarn verlor, änderte sich auch in England endgültig die Spielart von Fußball. Im Norden Englands hatte sich der „Scottish style“ bereits einen Namen gemacht. Wie schon im Abschnitt zur beginnenden Professionalisierung beschrieben, kamen einige schottische Fußballspieler auf „missionary visits“ nach England, blieben dort und wurden später auch von den nordenglischen Vereinen direkt angeworben. „Scottish professors“ wurden sie genannt, weil sie die „science of the game“ kannten und den englischen Vereinen lehren konnten. Nun begannen immer mehr englische Mannschaften, auf das „combination game“ umzustellen und das Passspiel zu trainieren.

Der englische Fußball revolutionierte sich also konzentriert in den 1880er Jahren durch die Legalisierung des Profifußballs nebst all seinen flankierenden Entwicklungen und durch die Übernahme des als „Scottish style“ bekannten Kombinationsfußballs. Für mich sind diese beiden Umbrüche so tiefgreifend, dass sie aus meiner Sicht die Wendepunkte zum modernen Fußball darstellen. Was in der Folgezeit passierte, waren nur die Konsequenzen aus diesen Ereignissen.

Datenauswertung in practise

Ich bin gerade mal wieder mit der Feldpost von Philipp Weinheimer beschäftigt.
Mit einem Update zur abgeschlossenen Auswertung am Ende des Artikel.

Ich habe nun die Hälfte der Feldpostdaten systematisch gesammelt – allerdings erst die des Eingangs. Ich nutze dafür, recht primitiv, Excel. Senkrecht links die Namen, die ich dann und dann alphabetisch sortiere und waagerecht die einzelnen Stationen. Letztere auch mehrfach genannt, wenn Weinheimer nach einem Urlaub dorthin zurückkehrte oder dort seinen Urlaub verbrachte. Die zweite Spalte ist formatiert und summiert alle in der Zeile genannten Zahlen.

Zunächst trage ich Postkarten, Briefe und Päckchen in einzelne Zellen ein (siehe rechts im Bild), die ich nach Abschluss der Spalte dann summiere und im Kommentar der Zelle aufdrösele. Der besseren Übersicht wegen. Zur dieser markiere ich auch die Treffer farblich, um so einen konstanten Schreibfluss auf den ersten Blick erkennen zu können.

Dieser konstante Schreibfluss, der bislang natürlich nur für die eingegangene Post gilt, betrifft nach 2,5 Jahren nur zwei Personen: Einen “Jakob”, der nie mit Nachnamen genannt wird, und einen Josef Mehler aus dem hiesigen Nachbarstädtchen Gau-Algesheim (wenn ich die Abkürzung “Alg.” hinter dem Namen damit richtig interpretiere). Bei “Jakob” handelt es sich um Weinheimers Schulfreund Jakob Kronebach. Und Josef Mähler könnte Philipp Weinheimer während seiner Ausbildung auf der Landwirtschaftsschule in Gau-Algesheim kennengelernt haben. Vielleicht ist  der heutige gleichnamige Inhaber eines Fliesengeschäftes in Gau-Algesheim sein Nachfahre.

Wie bei Jakob werden in der Auswertung ab und zu Personen nur mit ihrem Vornamen genannt. Oftmals handelt es sich um einen Vornamen, der zuvor schon mit einem Nachnamen (nur einmal mit mehreren Nachnamen) genannt wird. Eine mutmaßliche Zuordnung dieser nachnamenlosen Nennungen wird allerdings erst zum Schluss der Auswertung geschehen. Dass ich Jakob als nahen Verwandten vermute, liegt auch an der herausstechend großen Anzahl an Post, die er Weinheimer zukommen ließ, nämlich 27. Die nächstgrößere (aktuelle) Summe an Post erhielt er von Mehler: 18. Danach folgt die nachnamenlose Anny, hinter der sich seine Cousine Anny Weinheimer versteckt.

Wie eingangs schon gesagt: Meine Auswertung via Excel und formatierten Zellen ist ziemlich primitiv. Allerdings ist es, neben der Auswertung eines mittelalterlichen Güterverzeichnisses, erst meine zweite statistische Auswertung. Und jene die Auswertung dieses Güterverzeichnisses unternahm ich per Hand und mehreren DIN A4-Zetteln, weil ich sie auch flexibel im Zug weiterführen wollte. Welch Durcheinander!

Habt ihr Tipps für mich, wie ich mir künftig das Auswertung einfacher gestalten kann?

Klar, das Eintragen nimmt mir niemand ab. Aber: Abgesehen von dem ununterbrochenen Schreibfluss mag es Personen geben, die nur an einen Standort nicht geschrieben haben. Oder an zwei. Oder nur an die ersten Stationen und später nicht mehr (weil verstorben, selbst eingezogen, etc.).  Das alles mache ich im Anschluss an das Eintragen mit eigenen Augen. Bei diesem überschaulichen Datensatz ist das weniger ein Problem als bei größeren, die folgen könnten. Daher wäre ich für Hinweise sehr dankbar!

Update: Abgeschlossene Auswertung (29.03.2014)

Die Auswertung aller Daten aus dem Feldposteingang bestätigen die ersten und oben geschilderten Eindrücke: Anny Weinheimer und Jakob Kronebach schrieben Philipp Weinheimer nicht nur die meisten Briefe (Anny 28, Jakob 32), sondern auch am konstantesten (Von Anny erhielt er in 13 von 21 ausgewerteten Stationen Post, von Jakob sogar 14 von 21). Auch Josef Mehler war ein regelrechter Briefpartner von Philipp Weinheimer während des Krieges (er schrieb 29 Briefe an 12 seiner Stationen).

Viele Briefe …

Anzahl der geschrieben Postkarten, Briefe und auch Päckchen an Weinheimer

  1. Kronebach, Jakob: 32
  2. Mehler, Josef: 29
  3. Weinheimer, Anny: 28
  4. Krick, Philipp: 19
  5. Weis, Philipp: 18
  6. Bungert, Franz: 17
  7. M., Hildegard: 12
  8. NN, Liesel: 14
  9. Acht, Gerlinde: 13
  10. Fleischer, Eva: 12
  11. Weis, Liesel: 12

…  konstanter Briefverkehr

Die Zahl entspricht der Anzahl der Stationen Weinheimers, an die die folgenden Personen schrieben

Kronebach, Jakob: 14
Weinheimer, Anny: 13
Mehler, Josef: 12
Weis, Philipp: 11
Krick, Philipp: 9
Weis, Liesel: 9
Bungert, Franz: 8
Weinheimer, Philipp [Onkel]: 7
M., Hildegard: 7
NN, Liesel: 7
Fleischer, Eva: 6

Möglicherweise handelt es sich außerdem bei der nachnamenslosen Liesel auch um Liesel Weis.

Der Posteingang nennt außerdem ohne Nachnamen eine Gerlinde und einen Seppel, hinter denen sich Frau Acht und Herr Mehler verbergen könnten. “Frau Weis” könnte Liesel Weis gewesen sein – aber auch Lisbeth Weis oder eine weitere Dame des Nachnamens.

  • Josef Mehler: schrieb insgesamt 30x an x Stationen
  • Gerlinde Acht: schrieb insgesamt 15x an x Stationen
  • Liesel Weis: schrieb insgesamt 13x an x Stationen

Es verändern sich nicht die Anzahl der Stationen, aber der geschriebenen Post: bei Josef +1, Gerlinde +2 und Liesel +1.

Möglicherweise finden sich in den Nachlässen dieser Personen noch Briefe zu Philipp Weinheimer. Für mich erstmals eine Quellensuche außerhalb eines Archives.

„Ich schrieb verhältnismäßig viel.” – Eine erste Auswertung

Wie schon angekündigt, habe ich mich mit der detaillierten Auflistung von erhaltener und versandter Post von Philipp Weinheimer beschäftigt. Er schrieb zwischen 1940 bis März 1945 insgesamt 1459 ((Philipp Weinheimer schrieb schon auf der ersten Seite des Postausgangs: „Ich schrieb verhältnismäßig viel. Zuerst im R.A.D. in Dahnen (Eifel)“, S. 70. Er schrieb durchschnittlich knapp eine Karte, Briefe oder ähnliches pro Tag, sofern man die Dauer der fehlenden Einträge und Urlaube in Ockenheim nicht mitzählt.))

an Karten und Briefen (auch wenigen Telegrammen) und erhielt 714 an Briefen, Karten, Päckchen, Telegrammen und auch Zeitungen ((Zwei von der NSDAP, eine nicht näher genannte von Fr. Bierschenk aus Ockenheim.)).

Die geschriebene Post besteht vor allem aus den 817 Briefe (56,4% ((Die Prozentangaben sind immer auf die zweite Nachkommastelle gerundet.)) ) und 635 Karten (43,5%), die erhaltene aus 495 Briefen (69,33%), 159 Karten (22,27%) und 60 Päckchen (8,4%). Er erhielt also rund die Hälfte an Post wie er schrieb.

Während er so gut wie nie während seiner Heimaturlaubsaufenthalte Post schrieb und erhielt (eine Ausnahme) gibt es noch ein paar weitere Lücken bei den Aufzeichnungen, die insbesondere das Jahr 1942 betreffen und die restliche Kriegszeit ab dem März 1945. Durch das Tagebuch, das er 1942 in einem Kalender führte, lässt sich der Briefverkehr vom 11. Mai bis 15. Juli 1942 rekonstruieren.

Zur besseren Übersicht hier eine komplette Übersicht:

Zur Auswertung

Die Auswertung ist zunächst nur reine Statistik – und ich weiß nicht, ob ich mehr dazu überhaupt veröffentlichen kann. Nicht wegen des rheinland-pfälzischen Archivrechtes – 1940-1945 ist mehr als 60 Jahre vorbei – , sondern viel mehr der Sinnhaftigkeit von Namensauflistungen wegen. Ein einziger Brief ist erhalten; einen Briefverkehr anhand von Briefen und Aufzeichnungen zu rekonstruieren ist inhaltlich nicht möglich. Gut, ich kann den Schriftverkehr zwischen Ph. Weinheimer und beispielsweise seinen Eltern datumsgenau sortieren, aber ich glaube nicht, das es viel bringt; der Kontakt zwischen ihnen war nicht abgebrochen und war unregelmäßig. Auswerten werde ich aber trotzdem – in der Hoffnung, dass sich doch Unregelmäßigkeiten ergeben, denen ich auf den Grund gehen kann. Mit einem Soldaten aus Wiesbaden-Igstadt hatte er noch 1957 Kontakt. Vielleicht habe ich Glück und die Dame, die heute das Haus bewohnt, ist eine Nachkommin von ihm und besitzt Briefe von meinem Opa. Ansonsten bleibt es bei dieser Auswertung.

Die Auflistung

Im Folgenden habe ich die erhaltene und geschriebene Post nach seinen in “Posteingang” und “Postausgang” genannten Stationen[1]Und mit Hilfe von “Wo war ich 1940-1945” in der Kladde auf den Seiten 50-52. aufgeteilt:

Dahnen (R.A.D.) (2. bis 30. Oktober 1940)

  • Erhalten (7 Karten, 17 Briefe, 4 Päckchen)
  • Geschrieben: 65 (33 Karten, 32 Briefe) (= 4,46% von allen, 2,32 Geschriebenes pro Tag)

Koblenz (R.A.D., Generalstabswache) (1. November bis 8. Dezember 1940)

  • Erhalten: 54 (Darunter 2 Päckchen. Karten und Briefe wurden hier nicht unterschiedlich gekennzeichnet)
  • Geschrieben: 93 (52 Karten, 41 Briefe) (= 6,37% von allen, 2,45 Geschriebenes pro Tag)

Kesfeld (R.A.D) (9. Dezember 1940 bis 30. Januar 1941)

N.B.: Zum 31. Januar 1941 wurde er aus dem R.A.D. entlassen.

  • Erhalten: (24 Karten, 33 Briefe, 13 Päckchen, 2 nicht weiter genannte Arten)
  • Geschrieben: 97 (48 Karten, 49 Briefe) (= 6,65% von allen, 1,54 Geschriebenes pro Tag)

Ockenheim (Urlaub) (31. Januar bis 4. Februar 1941

  • Keine Post erhalten und geschrieben

Koblenz-Pfaffendorf (A.E.A. 179) (8. Februar bis 28. Juni 1941)

N.B. Zwischen dem 3. und 5. April 1941 lebte er bei den Brüder Kohns in der Grabenstraße 60, Ochtendung.

  • Erhalten: 108 (37 Karten, 57 Briefe, 14 Päckchen)
  • Geschrieben: 174 (106 Karten, 68 Briefe) (= 11,93% von allen, 1,24 Geschriebenes pro Tag)

Verdun (A.E.A. 179) (29. Juni bis 18. Juli 1941)

  • Keine Post erhalten und geschrieben

Ockenheim (Urlaub) (18. Juli bis 2. August 1941)

  • Keine Post erhalten und geschrieben

Verdun (A.E.A. 179) (3. August bis 27. November 1941)

N.B. Am 3. August und 5. Oktober 1941 in Paris.

  • Erhalten: 101 (14 Karten, 76 Briefe, 11 Päckchen)
  • Geschrieben: 130 (17 Karten, 113 Briefe) (= 5,76% von allen, 1,33 Geschriebenes pro Tag)

Ockenheim (Urlaub) (28. November bis 13. Dezember 1941)

  • Keine Post erhalten und geschrieben

Verdun (A.E.A. 179) (14. Dezember 1941 bis 12. Januar 1942)

N.B. Am 25. Dezember 1941 „im Stall“ als „Stallwachhaltender“.

  • Erhalten: 37 (11 Karten, 21 Briefe, 5 Päckchen)
  • Geschrieben: 81 (48 Karten, 33 Briefe) (= % von allen, 2,89 Geschriebenes pro Tag)

Zwischen 12. Januar und 10. Oktober 1942 fehlen die Einträge sowohl im Postausgang, im Posteingang sogar bis 30. Oktober 1942. Eventuell finden sich für diese Zeitspanne Aufzeichnungen im Kalender 1942.

Nancy (A.E.A. 179) (12. bis 13. Januar 1942)

  • Eintragungen fehlen

St. Wendel (A.E.A. 179) (14. bis 31. Januar 1942)

  • Eintragungen fehlen

Transport St. Wendel nach Ostpreußen (A.E.A. 179) (1. bis 4. Februar 1942)

  • Eintragungen fehlen

Schilino (A.E.A. 179) (4. bis 12. Februar 1942)

N.B. Während dieser Tage lebte er bei „Bauer Hermann Pausat, Schillau (Ostpreussen[!]), Ortsteil Billen“.

  • Eintragungen fehlen

St. Petersburg (A.E.A. 179) (12. Februar bis 18. Juli 1942)

N.B. Einträge anhand des Tagebuchs von 1942 für den Zeitraum vom 11. Mai bis 15. Juli 1942.

  • Erhalten: 53 (8 Karten, 20 Briefe, 23 Päckchen[2]Philipp Weinheimer wurde am 12. Juni 1942 volljährig, was die Päckchenflut im Juni erklärt., 2 Zeitschriften)
  • Geschrieben: 46 (17 Karten, 29 Briefe)

St. Petersburg (Hauptverbandsplatz) (18. bis 24. Juli 1942)

  • Eintragungen fehlen

Narwa (Luftwaffenortslazarett) (25. bis 30. Juli 1942)

  • Eintragungen fehlen

Giżycko (Lazarett) (1. August bis 20. September 1942)

  • Eintragungen fehlen

Giżycko (Urlaub) (20. September bis 20. Oktober 1942)

  • Eintragungen fehlen

Giżycko (Lazarett) (20. bis 24. Oktober 1942)

  • Erhalten: Eintragungen fehlen
  • Geschrieben: 18 (14 Karten, 4 Briefe)

Lüneburg (Reservelazarett) (25. Oktober bis 17. November 1942)

  • Erhalten: 27 (4 Karten, 22 Briefe, 1 Päckchen)
  • Geschrieben: 34 (14 Karten, 20 Briefe)

Ingelheim (Reservelazarett) (17. November 1942 bis 22. Juni 1943)

N.B. Zwischen dem 8. Dezember 1942 und dem 1. Mai 1943 sind keine erhaltenen Briefe verzeichnet.

  • Erhalten: keine[3]„Ingelheim“ steht zwar in der Kladde, aber es sind keine aufgelistet. Möglicherweise war hier im Gegensatz zum Lazarett in Bingen ein Besuch möglich.
  • Geschrieben: 71 (37 Karten, 34 Brief)

Bartoszyce (Genesungsurlaub) (23. Juni bis 20. Juli 1943)

  • Erhalten: Eintragungen fehlen
  • Geschrieben: 9 (4 Karten, 5 Briefe)

Bartoszyce (G.E.B. 44) (21. Juli bis 28. Juli 1943)

  • Eintragungen fehlen

Bartoszyce (Arbeitsurlaub) (28. Juli bis 15. August 1943)

  • Eintragungen fehlen

Bartoszyce (G.E.B. 44) (15. August bis 25. September 1943)

  • Erhalten: 43 (11 Karten, 31 Briefe, eine Zeitung[4]Am 24. September 1943 erhielt Philipp Weinheimer eine Zeitung von Fr. Bierschenk aus Ockenheim.)
  • Geschrieben: 64 (23 Karten, 42 Briefe)

Bartoszyce (Arbeitsurlaub) (26. September bis 14. Oktober 1943)

  • Erhalten: 6[5]Alle sechs erhielt er am 13. Oktober 1943. (2 Karten, 4 Briefe)
  • Geschrieben: nichts

Bagrationowsk (U-Lehrgang) (15. Oktober bis 27. November 1943)

  • Erhalten: 31 (4 Karten, 25, Briefe, 2 Päckchen)
  • Geschrieben: 52 (15 Karten, 37 Briefe)

Bartoszyce (G.E.B. 44) (27. November 1943)

  • Erhalten: nichts
  • Geschrieben: 5 (1 Karte, 4 Briefe)

Bartoszyce (Jahresurlaub) (28. November bis 17. Dezember 1943)

  • Erhalten: (1 Brief)
  • Geschrieben: nichts

Bartoszyce (G.E.B. 44) (17. bis 23. Dezember 1943)

  • Erhalten: (3 Karten, 9 Briefe)
  • Geschrieben: 29 (24 Karten, 5 Briefe)

Olsztyn (24. bis 27. Dezember 1943)

  • Erhalten: nichts
  • Geschrieben: 5 (4 Briefe, 1 Telegramm)

Unbekannt (28. bis 31. Dezember 1943)

N.B. Möglicherweise war er unterwegs von Olsztyn nach St. Petersburg.

  • Eintragungen fehlen

St. Petersburg (G.E.B. 44) (1. bis 18. Januar 1944)

  • Erhalten: 1 (1 Karte)
  • Geschrieben: 35 (21 Karten, 14 Briefe)

Riga (Hauptverbandsplatz, Feldlazarett) (19. Januar bis 8. Februar 1944)

N.B. Am 8. Februar 1944 mit der „Ju 52“ nach Kaliningrad ausgeflogen. Weiterer Weg nach Stollberg unbekannt. Am 30. Januar 1944 „von Kbg.“. In der Übersicht seiner Stationen vermerkt Philipp Weinheimer aber, er sei am 8. Februar 1944 von Riga nach Kaliningrad ausgeflogen.

  • Erhalten: nichts
  • Geschrieben: 2 (1 Karte, 1 Brief)

Stollberg im Erzgebirge (Reservelazarett) (9. Februar bis 5. März 1944)

  • Erhalten: 21 (1 Karte, 16, Briefe, 3 Päckchen, 1 Telegramm)
  • Geschrieben: 39 (12 Karten, 27 Briefe)

Bingen (Reservelazarett) (6. März bis 19. April 1944, 4. Mai 1944)

  • Erhalten: 39 (5 Karten, 34 Briefe)
  • Geschrieben: 28 (16 Karten, 12 Briefe)

Ockenheim(?) (Genesungsurlaub) (20. April bis 4. Mai 1944)

  • Keine Post erhalten und geschrieben

Bartoszyce (Ersatzbataillon) (5. bis 28. Mai 1944)

  • Erhalten: 21 (2 Karten, 18 Briefe, 1 Päckchen)
  • Geschrieben: 41 (16 Karten, 25 Briefe)

Bartoszyce (Abstellurlaub) (29. Mai bis 16. Juni 1944)

  • Erhalten: nichts
  • Summe der geschrieben Post: 8 (6 Karten, 2 Briefe)

Bartoszyce (Ersatzbataillon) (17. bis 20. Juni 1944)

N.B. Für den 17. Juni 1944 ist im Kriegstagebuch ein „Passierschein“ für ein dreiköpfiges „Marsch-Komp. G.E.B. 44“ bei gelegt, zu dem auch Philipp Weinheimer gehörte: „Der Gefr. Weinheimer, Gefr. Vogt, Stgfr. Pengert befindet[!, da Vordruck] sich auf dem Wege zum Bahnhof.“ Es unterschrieb Oberleunant und „Kp.-Chef“ Heinrich.

  • Erhalten: 6 (2 Karten, 4 Briefe)
  • Geschrieben: 15 (11 Karten, 4 Briefe)

St. Petersburg (Front) (23. Juni bis 24. Juli 1944)

  • Erhalten: 21 (19 Briefe, 2 Zeitungen der NSDAP)
  • Geschrieben: 78 (22 Karten, 56 Briefe)

Hapsala (imKriegslazarett) (25. Juli bis 6. August 1944)

  • Erhalten: nichts
  • Summe der geschrieben Post: 1 (1 Brief)

Bad Kösen (Reservelazarett) (6. August bis 10. September 1944)

  • Erhalten: 30 (2 Karten, 27 Briefe, 1 Päckchen)
  • Geschrieben: 40 (15 Karten, 25 Briefe[6]Ein Brief vom vermutlich 6. August an seine Eltern ist erhalten geblieben.

Ingelheim (Reservelazarett) (11. September 1944)

  • Erhalten: nichts
  • Geschrieben: 40 (16 Karten, 24 Briefe)

Rüdesheim (im Reservelazarett) (12. bis 16. September 1944)

  • Keine Post erhalten und geschrieben

Ockenheim (Urlaub) (17. September 1944)

  • Erhalten: 3 (3 Briefe (Paula, Liesel Weis, Walter))
  • Geschrieben: 3 (1 Karte, 2 Briefe)

Kiedrich (Reservelazarett) (17. bis 23. September 1944)

  • Erhalten: nichts
  • Summe der geschrieben Post: 4 (1 Karte, 3 Briefe)

Lazarettzug (24. bis 25. September 1944)

  • Keine Post erhalten und geschrieben

Plauen (Reservelazarett, Centralhalle) (25. September 1944 bis 19. April 1945)

N.B. Die letzte eingetragene, versendete Post datiert vom 3. März 1945, die letzte erhaltene Post am 1. März 1945. Am ersten Weihnachtsfeiertage lebte Philipp Weinheimer bei „Familie Albin Münnich, Jößnitz i. Vogtland über Plauen i. V.“. Am 18. November 1944 war er in Ockenheim (wegen Hochzeitstag der Eltern?).

  • Erhalten: 111 (10 Karten, 97 Briefe, 3 Päckchen, 1 Telegramm)
  • Summe der geschrieben Post: 210 (74 Karten, 130 Briefe, 6 Telegramme)

In der Kladde liegt auch ein DIN A6-großer Zettel für die Zeit zwischen dem 8. Januar und dem 16. März 1945 mit insgesamt 33 Namen. Unklar bleibt, ob es sich um versendete oder empfangene Post handelt. Als Art wird „M“ angegeben.

Grünbach (Reservelazarett) (20. April bis 10. Juni 1945)

  • Eintragungen fehlen

Plauen (Kriegsgefangenenlager) (11. bis 14. Juni 1945)

  • Eintragungen fehlen

Erfurt (15. bis 17. Juni 1945)

  • Eintragungen fehlen

„wieder daheim“ (ab 18. Juni 1945)

[Ende der Eintragungen.]

Bildnachweis:

Fußnoten

Fußnoten
1 Und mit Hilfe von “Wo war ich 1940-1945” in der Kladde auf den Seiten 50-52.
2 Philipp Weinheimer wurde am 12. Juni 1942 volljährig, was die Päckchenflut im Juni erklärt.
3 „Ingelheim“ steht zwar in der Kladde, aber es sind keine aufgelistet. Möglicherweise war hier im Gegensatz zum Lazarett in Bingen ein Besuch möglich.
4 Am 24. September 1943 erhielt Philipp Weinheimer eine Zeitung von Fr. Bierschenk aus Ockenheim.
5 Alle sechs erhielt er am 13. Oktober 1943.
6 Ein Brief vom vermutlich 6. August an seine Eltern ist erhalten geblieben.

“Aus dem Soldatenleben”

Nachdem ich vor einigen Wochen bereits Erinnerungen von Philipp Weinheimer zu seiner dritten Verletzung 1944 veröffentlicht habe, folgen nun drei weitere Seiten über seine Zeit als Soldat zwischen 1940 und 1942, die er in einer Kladde veröffentlicht hat.

In dieser Kladde “Kriegstagebuch” sammelte er während des 2. Weltkrieges diverse Erinnerungen, die teilweise in folgenden Blogbeiträgen veröffentlicht werden. Denn in der Kladde enthalten sind auf der ersten Seite seinen verschiedenen Feldpostnummern[1]Zunächst an zwei verschiedenen Stationen als “Arbeitsmann”, dann als “Fahrer” der Augusta-Kaserne in Koblenz-Pfaffendorf, als “Soldat” und schließlich wieder als … Continue reading Im folgenden schildert er knapp seinen Wechsel vom Reichsarbeitsdienst bis zur ersten Verwundung (1940-1942), die im Folgenden transkribiert wiedergegeben wird.

Es folgen sechs Adressen zu Herren aus Mittel- und Norddeutschland[2]Möglicherweise lernte er sie während des Krieges kennen. und einige kurze, vermutlich selbstgereimte Gedichte. Daran schließen die Adressen seiner Quartiere während seiner Genesungen an, eine Seite weitere “Sprüche”, eine mit Namenstagen und Geburtstagen [3]Unter anderem seiner späteren Frau Marianne., “Filme, die ich in Plauen gesehen habe” (43 in ca. 2 Monaten!) und weitere in Mainz und Gau-Algesheim nach seiner Heimkehr.

Nach einem einseitigen Lazarettbericht aus Ingelheim, der Auflistung, wo er zwischen 1940 und 1945 lebte und einem eingelegten Passierschein vom 17.6.44 [4]”[…] befindet sich auf dem Weg zum Bahnhof […]”., folgte eine wunderbare Quelle, die ich ausgewertet im nächsten Blogeintrag vorstellen werde: Alle während 1940 – 1945 geschriebene und erhaltene Feldpost. Leider nicht den Inhalt, aber zumindest das Datum, der Adressant/Adressat und ob es sich um einen Brief oder eine Postkarte handelte – gegliedert nach seinem derzeitigen Aufenthaltsort. Über mehrere Seiten. Ich hoffe, dass es mir gelingt, wenigstens einige der genannten Personen einzuordnen. Das soll hier aber nicht geschehen, sondern beide weiteren, oben erwähnten Berichte über die Zeit zwischen 1940 und 1942 wiedergegeben werden.

Aus dem Soldatenleben


Am 2. Oktober 1940 bin ich zum Reichsarbeitsdienst eingerückt. In Mainz war Sammelpunkt. Mit einem Sonderzug fuhren wir bis Niederüllfeld. Bis zum Lager waren es noch 18 Km. Am 31. Okt. bin ich nach Koblenz kommandiert worden zur Gaustabswache. Dort bleib ich bis 9. Dez. Dann zu dem inzwischen nach Kerfeld (Eifel) verlegten Lager zurück. Weihnachten war ich auch dort, ebenso Neujahr. Am 30. Jan. 41 wurden wir aus dem R. A. D. entlassen.
Am 5. Februar ging es schon wieder fort. Zu der Artillerie Ersatz Abteilung 179 nach Koblenz[-]Pfaffendorf[,] Augusta-Kaserne[,] Stube 46. Als Fahrer. Hans Dickenscheid ((Mit Hans Dickenscheid fuhr er auch Paraden. Der sehr sportliche Hans turnte dabei auf den sechs oder acht eingespannten Pferden, während Philipp sie lenkte.))  ist bei mir. Am 28. Juni rückte ich mit dem Vorkommando nach Frankreich: Verdun. Vom 18. Juli bis 2. Aug. hatte ich Arbeitsurlaub. Am 4.[,] 5. u. 6. Okt. war ich in Paris. Eine 3 tägishe[!] Besichtigung. War sehr schön. Am 1. Okt. wurde ich Oberkan[?]. Vom 28. Nov. bis 13. Dez. hatte ich Jahresurlaub. […]

[…] Am 9. Januar 42. wurde ich plötzlich mit Walter und Adolf abgerufen u. feldmarschmäßig eingekleidet. ((Vom des Ereignissen des Jahres 1942 berichtet tagesgenau sein erhaltener Taschenkalender. Edition folgt!)) 12. Januar Abfahrt Verdun nach Nancy dann nach St. Wendel. Dort wurde der Marschbattalion zusammengestellt. Mit einem Transportzug am 1. Febr. ab St. Wendel. Die Fahrt ging über Bad Kreuznach[,] Friedberg, Kassel, Magdeburg, Berlin, Thorn, Schillen. Dort wurden wir am 4. Febr. morgens ausgeladen. Privatquartier bei Bauer Herrmann Privat.
12. Febr. Abfahrt mit L. K. W. Schaulen, Mitau, Riga, Wolmar, Dorpert, Petersburg, Ljuban. Ich kam zu der 9. I. R. 44. [?] Am 18. Juli 1942 wurde ich in den schweren Abwehrkämpfen auf dem Wolschowbrückenkopf schwer verwundet; Schulterblattschußbruch rechts. Auf dem Hauptverbandsplatz gleich operiert. 24.7. im Luftwaffenlaz. Narwa. 1. August nach Lötzen (Ostpr.)[.] Von dort fuhr ich in Genesungsurlaub; 20.9.-20.10.42. Am 24.10. verlegt nach Res. Laz. Lüneburg. Am 18.11. nach Ingelheim Teil.[!]-Laz. Neue Schule.[5]Der Brief in der Kladde auf den Seiten 4 und 5.

Aus meinem Soldatenleben

(Fortsetzung von Seite 5.)
Aus dem Res. Lazarett Ingelheim bin ich Ende Juni 43 mit 4 Wochen Genesungsurlaub entlassen [worden]. Nach Ablauf dieses Urlaub’s[!] hatte ich mich bei dem Grenadier-Ersatz-Batallion 44 in Bartenstein / Ostpreussen zu melden. Ein glücklicher Zufall war es, daß noch ein Ockenheimer in derselben Kaserne war. Es war Karl Janz
[6]Karl Janz war etwas gleichaltrig wie Philipp Weinheimer ist aber wenige Jahrzehnte nach dem Krieg schon früh verstorben.. Wir waren oft zusammen und haben uns gut verstanden. – Bei der ersten Untersuchung bei dem Truppenarzt wurde ich 2 Monate g. v. H. geschrieben. Es war zu der Zeit ein Arbeitsurlaub[s]gesuch für mich gemacht worden, welcher auch genehmigt worden ist. Ich bin dann wieder für 14 Tage in Urlaub gefahren. Die Fahrt im Fronturlauber-Schnellzug war schön. Ich bin in Königsberg eingestiegen u. nach 21 Stunden Fahrt in Franfurt a. M. ausgestiegen. Ich habe für die ca. 1200Km. lange Bahnstrecke rund 30 Std. gebraucht.[7]Der Brief ist in der Kladde auf der Seite 34.

Damit endet die knappe Berichterstattung über die Aufenthalte während der Kriegsjahre.

Fußnoten

Fußnoten
1 Zunächst an zwei verschiedenen Stationen als “Arbeitsmann”, dann als “Fahrer” der Augusta-Kaserne in Koblenz-Pfaffendorf, als “Soldat” und schließlich wieder als “Arbeitsmann” nach seiner dritten Verwundung im thüringischen Effelder / Eichsfeld.
2 Möglicherweise lernte er sie während des Krieges kennen.
3 Unter anderem seiner späteren Frau Marianne.
4 ”[…] befindet sich auf dem Weg zum Bahnhof […]”.
5 Der Brief in der Kladde auf den Seiten 4 und 5.
6 Karl Janz war etwas gleichaltrig wie Philipp Weinheimer ist aber wenige Jahrzehnte nach dem Krieg schon früh verstorben.
7 Der Brief ist in der Kladde auf der Seite 34.

24. Juli 1944, St. Petersburg. Ein Brief von Philipp Weinheimer


Edition eines undatierten Briefes von Philipp Weinheimer (1921-2006), der Ende des 2. Weltkrieges an der Front in St. Petersburg stationiert war. Im Brief blickte er auf den 24. Juli 1944 zurück, als ein russischer Angriff ihn schwer am Arm verwundete. Zuvor war er als Soldat bei der unsäglichen Leningradblockade beteiligt, aber bereits Mitte Januar mit einer schweren Armverletzung ausgeflogen worden.

“24. Juli 1944 …….. Der Tag beginnt, ohne daß er sich von den vorherigen wesentlich unterschieden hätte. Nur die unheimliche Waffenruhe des Russen am Vortrage drückt auf die Stimmung. Was wird der Montag bringen? Wir hatten am Sonntag mit einem russischen Angriff gerechnet ….
Ich hatte von 2-4 Uhr Posten im M.G.[-]Stand. Wieder fast vollkommene Ruhe: Jeder, der längere Zeit im vordersten Graben stand, weiß[,] daß dieses einen baldigen Sturm bedeutet. Um 4 Uhr werde ich abgelöst. Mein Gruppenführer hat nun Grabendienst, ich muß die Bunkerwache übernehmen. Ich eße etwas, brenne meine Pfeife an und schreibe 2 Briefe. Draußen war die Sonne schon blutig rot aufgegangen. Der Uffz. kommt kurz vor 5 Uhr zurück; ich legte mich sofort auf meine Pritsche, ich war müde u. hatte die ganze Nacht noch kein Auge zu gehabt. Doch kaum liege ich da, kommt unser Zugführer, Herr Leutnant Vogt, und befiehlt höchste Alarmbereitschaft. Es soll sofort noch ein Doppelposten in die H. K. L. [Hauptkampflinie] .. Der Leutnant geht, ich wecke die anderen. Noch während ich dabei bin, höre ich die ersten Artillerieabschüsse, die Granaten orgeln heran. Die Einschläge liegen im Bereich unserer H. K. L. und unserem Bunker. „Jetzt wird’s[!]“ [,] denke ich für mich. „Es geht los“[,] sage ich nur. Unser Gruppenführer, Uffz. Minzleff [Minzlaff?], will sofort alles rausjagen auf die Gefechtsstände, die ungefähr 30-40 Meter weiter vorne waren. Laufgräben gibt es hier nicht, nur Knüppelstege, es ist ja überall Sumpf und Wasser. O herrliches Lappland. Der Unteroffizier will als erstes aus dem Bunker. „Bist Du verrückt“[,] rufe ich ihm zu . Krachend krepiert eine Granate in unmittelbarer Nähe des Bunkers und bringt eine starke Tanne zum Umstürzen. Aber der Uffz. hat keine Ruhe, er kriecht aus dem Bunker, um Koppel und Gewehr zu holen. Wieder schlagen einige Granaten ein. Unser Uffz. kommt zurück, er hat einen Granatsplitter in die Schulter abbekommen. „Das hast Du davon“[,] knurre ich unzufrieden. Zum Glück ist es nicht so schlimm. Einige Zeit später merke ich, daß der Russe sein Artilleriefeuer verlegt. Infanteriefeuer flackert auf. Nun wird es Zeit[,] denke ich bei mir. Vorsichtig krieche ich aus dem Bunker, schiele um die Ecke zur H. K. L. Ein wüster Anblick. Alles undeutlich in Pulverqualm gehüllt, große Granattrichter, umgestürzte zerfetzte Bäume[,] usw. Mit wenigen Sprüngen habe ich meinen M. G.[-]Stand erreicht, stelle mit Freuden fest, daß den 2 Männern u. dem Maschinengewehr nicht passiert ist. Dankbar aufatmend sehen mich die 2 Kameraden an, der eine ist 18, der andere 19 Jahre alt [Philipp Weinheimer war 23]. Mit einem Blick sehe ich, daß unsere starken Minen und Stacheldrahtsparren zum größten Teil zerstört und der Russe [2 Worte unleserlich] ist. Unglücklicherweise scheint uns die Sonne gerade ins Gesicht, sie blendet uns. Wir schießen ca. 100 Schuß mit M. G., werfen einige Handgranaten. 3 Russen bleiben tot liegen, die anderen türmen zurück. Wieder beginnt das russ. Trommelfeuer u. zwar mit solcher Heftigkeit[,] wie ich es selbst noch nicht erlebte. Ob es da wohl noch ein Entrinnen gibt? Wir sehen uns nur an, ich stopfe meine Pfeife. Ich bin eigentlich sonderbar ruhig. Der Russe schießt mit allen möglichen Waffen. Artillerie, Pak, Flak u. seiner berüchtigten Stalinorgel ein unheimliches Trommeln, die grausig[e]

 

Oper des Krieges. Zwischen das[!] Hämmern der Maschinengewehre mischt sich das Dröhnen der Jagd-, Schlacht- u. Bombenflugzeuge, das Pfeifen u. [die] Detonation der Bomben, das Bellen der Bordwaffen. Aber auch unsere eigenen schweren Waffen sprechen ihre Sprache, wir sehen die unheimliche Wirkung der Nebelwerfer, die Einschläge unsere[r] schweren Mörser. Dazu kommen die siegreichen Luftkämpfe unserer Jagd- und Schlachtflugzeuge. So ging es von 5 – 11 Uhr mit nur ganz kleinen Feuerpausen. Unser Uffz. war in der ersten Stunde noch bei uns im Kampfstand, bekam aber immer mehr Schmerzen und ist auf mein Zureden zurück in den Bunker. Ich übernahm den Befehl über die Gruppe, das M. G. nahm ein junger Gefreiter u. K. O. B. [Kriegsoffizierbewerber], der uns am geeignetsten schien. Unsere Gruppe hatte 2 Kampfstände, in jedem 2 Mann. Ich kroch hinter der zusammengeschossenen Pallisade[!] hin, um mich über den Zustand von Männern und Waffen zu orientieren. Es war alles noch soweit in Ordnung. Die rechts eingesetzt s. M. G. [sub machine gun; 9mm Colt] hatte zwei Schwerverwundete. Ich kroch wieder zum M. G.[-]Stand zurück. So gegen ½ 12 Uhr kam ich auch wieder von den Gewehrständen zurück, der Russe trommelte wieder stärker. Ich legte mich hinter die Pallisade, flach auf den Knüppelsteeg[!] gepresst. Ein Pfeifen, Zisch- u. Krachen; ich fühlte einen schweren Schlag gegen die rechte Schulter, ein heftiger Schmerz. Mir war es, als ob der Arm ab wäre. Ich sprang auf, und lief trotz des feindlichen Feuers zurück zum Bunker, wo der Uffz. war. Der war maßlos erschreckt[,] als er mich sag. Da er allein auch nicht viel machen konnte, rief er nach dem Sanitäter, der im Nachbarbunker war. Der Stabsgefreite kam sofort und verband mich so gut es eben ging. Ich war am jammern[!], die Schulter schmerzte unheimlich . Der Sanitäter und der Uffz. beruhigten mich. Draußen ließ die Schießerei nach. Mit Hilfe des Zugmelders, der inzwischen herbeigerufen wurde, bin ich zum Komp. Gefechtsstand zurückgehumpelt. Dort eine kleine Rast, dann weiter zum Batl. Gefechtsstand, wo auch der Arzt seinen Bunker hatte. Als dieser meine Wunde sah, krummelte[!] er: „Ist halb so schlimm[.]“[.] Dabei nahm er seine Pfeife nicht aus dem Mund. (er rauchte ununterbrochen). Ein San. Uffz. verband mich wieder frisch u. gab mir eine Tetanusspritze mit Morphium. Letzteres linderte die Schmerzen. Weiter ging die Reise mit einem Pferdewagen über Knüppeldamm. Diese Fahrt wird mir ewig gedenken. Mit gebrochenem Schlüsselbein und diese andauernden Erschütterungen. Irgendwo wurden wir abgeladen und mit einem San. Auto rüber zum Hauptvorstandsplatz[?] gebracht. Es war dunkel, ein Arzt frage nach Verwundung usw., mich auch. Darauf wurde ich sofort zum O. P. getragen, rauf auf dem Operationstisch. Ein Sanitäter löst den Verband, der Arzt befühlt die Wunde. Ich schreie auf, wir ein gequältes Tier. „Betäuben“[,] sagt einer. Schon habe ich auch schon eine Maske vor dem Gesicht, ein starker Äthergeruch umgibt mich. „Eins, zwei, drei … sechszehn … sieb … zehn….“[.] Weiter komme ich nicht. ….. Als ich wieder aufwache, liege ich auf einer Trage, die auf dem Boden steht. Ich sehe einen Sanitäter umherschleichen. Ich frage ihn, was mit mir los war. Er gibt keine Antwort. Ein starker Verband liegt um Schulter u. Oberarm. Es ist halbdunkel in dem Raum.

 

Eine Weile später wird alles auf Autos zum Bahnhof geschafft und in Güterwagen verladen. Mit 10 Mann sind wir in einem Wagen. Wir liegen auf Strohsäcken, ich muß sagen, es war nicht schlecht. Die Fahrt geht nun von Jöbi [Jöhvi] über Wesenberg [Rakvere], Reval [Tallinn], nach Habsal [Haapsalu]. In Wesenberg wurden auch schon einige Schwerverwundete ausgeladen. In Habsal war ich 3 Tage. Morgens in aller Frühe wurden wir wieder in den Güterzug verladen. Die Fahrt ging zurück nach Reval bis in den Hafen. Dort hatte schon ein Truppentransporter, etwa 5600 [oder 5500?] B. R. T. [Bruttoregistertonne] groß, angelegt. Auf diesen wurden wir nun verladen. Wir waren mit etwa 1500 Verwundeten auf dem Kahn. Mittags um 4 Uhr begann nun die Seereise. Wenn das nur gut geht, dachten wir. Abends schon schlichen Ärzte u. San. Personal mit Schwimmwesten herum wir lagen mit unseren Gipsverbänden in den Kojen. Ich ließ mir eine Morphiumspritze geben, schlief die ganze Nacht hindurch fest und gut. Nach dem Morgenkaffee humpelte ich nach oben auf das Freideck. Wir waren inzwischen auf hoher See. Der Seegang war aber ziemlich ruhig. Die Sonne schien. Wir fuhren mit unserm Begleit- u. Sicherungsschiffen ein gemütliches Tempo. Auf Freideck traf ich den [durch verwischte Tinte schwer lesbar; es folgen zwei Kürzel] Unterscharführer, der von Kempten war. Nach dem Mittagessen wurde der Seegang stärker. Der Kahn fing an zu schaukeln. Nun waren schon die ersten Seekranken[!]. Ich blieb in meiner Koje liegen, das ist in diesem Falle das Beste. Unseren Sanitäter habe ich gedauert. Der arme Kerl saß oft auf der Treppe vom 2. zum 3. Deck und hielt sich einen Schieber vor der Mund. Es war dies meine erste Hochseereise. Ich könnte ein ganzes Buch davon schreiben ….

Ohne Zwischenfall kamen wir nach Gotenhafen, wo wir Verbandsstoff an Bord nahmen. Weiter ging die Fahrt nach Swinemünde. Während der letzten Stunden auf dem Schiff, gab es Schiffszwieback und Punsch aus Rotwein. Bei herrlichem Wetter kamen wir in Swinemünde an. Am Kai standen schon wartend zwei lange Lazarettzüge. [Das Schiff, das die Verletzten nach Swinemünde brachte, wurde nur wenige Stunden nach dem Verlassen des Lazarettzuges durch alliierte, vermutliche britische Bombenflugzeuge auf Stadt und Hafen zerstört.] Wir wurden sofort umgeladen, und im Laz. Zug ging die Fahrt über Pasewalk, Neubrandenburg, Hannover, Kassel, Gotha, Erfurt, usw. In Bad Kösen wurde ich nachts um 2 Uhr ausgeladen. Nun bin ich hier in der Abteilung Hämmerling. Am 6. August kam ich hier her. Am 13. August hat mich Vater und Gustav [sein Bruder] hier besucht. Am 26. August kam Maria [seine Schwester] u. ist am 28.8. wieder abgefahren.“

 

Route des Lazarettzuges

Zunächst von der Front bei St. Petersburg nach Haapsalu in Estland. Dort wurden die Verletzten in ein Schiff umladen:


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Von Haapsalu (Estland) wurden die Verletzten bis nach Świnoujście (Polen) per Schiff transportiert.
Schließlich von Świnoujście – kurz nach dem Verlassen des Schiffes wurde es durch alliierte Bomber getroffen und sank – in das Lazarett in Bad Kösen, wo vermutlich der Brief entstand:


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Die Datierung des Briefes ist mit Schwierigkeiten behaftet: Zwar schreibt er gegen Ende es Briefes:  „Nun bin ich hier in der Abteilung Hämmerling. Am 6. August kam ich hier her.“, nutzt aber für seine Erzählung mehrmals den historischen Präsens. Eindeutiger beweist die These, dass er tatsächlich im Bad Kösener Lazarett diese Erinnerung verfasste, da er seine folgenden Aufenthalte in kurzzeitige Aufenthalte in Kiedrich (Rheingau) und Ingelheim (Rheinhessen) im September 1944 und anschließendem Lazarettaufenthalt in Plauen im Vogtland bis Anfang März. (Im November scheint er wenige Tage in Ockenheim verlebt zu haben.) Seine letzte Karte sendete er von Plauen am 3. März 1945 “heim”. Danach enden die Eintragungen. In mündlichen Berichten erzählte er, dass er gegen Ende des Krieges mit einem Soldaten aus Kempten aus dem Lazarett in Plauen floh – vermutlich jenem, den er auf dem Lazarettschiff traf. Tatsächlich war die Verletzung vom Juli 1944 seine dritte und letzte; er kehrte danach nicht wieder an die Kriegsfront zurück. Als die Kunde im Lazarett eintraf, dass sich von Osten die russische, von Westen die amerikanische Armee näherte, flohen Weinheimer und der Kempter aus dem Lazarett nach Westen, bewusst in die Arme der Amerikaner, eine sanftere Bestrafung erhoffend. Der Kempter hatte noch eine goldene, offenbar wertvolle Armbanduhr in seinem Besitz, die er einem amerikanischen Soldaten gab. Beide kamen in so amerikanische Kriegsgefangenschaft und wurden nach Nordosten in die schon befreite Zone gebracht, von dort ins Lazarett Ingelheim, wenige Orte von ihren Heimatdörfer entfernt. Dort erlebte Philipp Weinheimer das Kriegsende und durfte in seinen Heimatort zurück.

Philipp Weinheimer war mein Großvater. Diesen Brief habe ich bei Aufräumarbeiten in seinem Haus gefunden, das ich nun bewohne und derzeit nach und nach renoviere. Nächstes Jahr werde ich seinen „Nachlass“ im Haus kategorisieren und verzeichnen, ebenso als Open Access zugänglich machen. Darunter sind Ehrungen des genannten MGVs, in dem er 65 Jahre sang, aber auch viele Arbeitsgeräte, die er für seine Berufe (Fleischbeschauer, Winzer, zeitweise Gemeinderechner) benutzt hat, wie auch Überliefertes seiner Soldatenzeit (Geldscheine, Marken, Urkunden, Fotografien, Schriftstücke, …).

Ich bin mir bewusst, dass es problematisch ist, wissenschaftlich kritisch das Leben eines Vorfahren aufzuarbeiten, besonders während Nazi-Deutschland. Er erzählte jedoch immer frei und ehrlich auch von den 1940er Jahren. Und das durchaus auch selbstkritisch. Dieses “Wissen” hilft auch mir, vor möglicherweise erschreckenden Erkenntnissen über sein Leben die Distanz bewahren zu können.

Abbildungen:

  • Oberes Foto: Anonym: [Philipp Weinheimer in Verdun, 1941] CC-BY SA 3.0
  • Drei Briefseiten: Weinheimer, Philipp: [Feldpost vom 24.07.1944]
  • Unteres Foto: Anonym: [Familie Weinheimer, verm. 1939] CC-BY SA 3.0

Das Musikwesen in England 1760-1840

Diese Hausarbeit habe ich im Sommersemester 2011 im Seminar “Fairest Isle, all isles excelling – englische Kultur, Gesellschaft und Lebenswelten 1760-1840” bei Prof. Dr. Josef Johannes Schmid (Geschichte, Uni Mainz) verfasst.

Einleitung

Das pulsierende Londoner Konzertleben um 1800 übertraf selbst jenes von Paris und Wien. In den vielen Theatern und im Sommer zusätzlich in den pleasure gardens – besonders Vauxhall und Ranelagh – wurden Opern und andere musikalische Unterhaltungen regelmäßig und an mehreren Tagen in der Woche gegeben, in der Fastenzeit darüber hinaus Oratorien. Musikliebhaber konnten zwischen konkurrierenden Konzertreihen, italienischer Oper, kunstvoller Musik in Theaterstücken, Maskenspielen und Pantomime wählen.[1]Vgl. Zum blühenden Londoner Konzertleben vor allem: 1) Philip, Robert: London. In: Stanley Sadie (Hg.): New Grove Dictionary of Music and Musicians. Band 15. London ²2001. 2) Holman, Peter: … Continue reading Die reiche Musikkultur wirkte sich auch auf die englischen Kleinstädte aus. In den meisten gab es einen Laienmusikverein, der regelmäßig Orchesterkonzerte gab, in Theatern musikalische Vorstellungen darbot und bei Opernaufführungen mitwirkte. Auch existierte meistens eine Blaskapelle der örtlichen Bürgerwehr als weitere musikalische Gruppierung. Insbesondere Georg Friedrich Händels Werke erfreuten sich einer überbordenden Beliebtheit. Kein Theater konnte es sich leisten, Händel nicht in seinem Programm zu inszenieren. Die Darbietungen seiner Werke waren bis über die 18. Jahrhundertwende hinweg Zuschauermagnete. War Händel seiner Zeit im 17. Jahrhundert einer der wenigen ausländischen Musiker, die nach England reisten und hier sesshaft wurden, kamen seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts immer mehr ausländische Musiker nach London, um ihr Können auch hier unter Beweis zu stellen und um ihre Einkommen über die Sommermonate zu sichern, in denen die Theaterhäuser auf dem Festland geschlossen waren. Wiederum andere Musiker zogen vom europäischen Festland nach England, um dort zu leben und eine Festanstellung zu finden. Die französische und die amerikanische Revolution streiften die Insel nur peripher: Flüchtige Adelige aus Frankreich und den neugegründeten Vereinigten Staaten kamen nach England. Sie wurden von der englischen Oberschicht, den gentry (niederer Adel) und nobility (höherer Adel) aufgenommen. Die demokratische Ideologie schien in England kaum für einen Wandel gesorgt zu haben. Die Revolution, die England direkt und gesellschaftsverändernd traf, war die industrielle Revolution. Die neuen Arbeitsmöglichkeiten durch die technischen Neuerungen zogen große Teile der Landbevölkerung nach London und in die neu entstehenden Städte wie Manchester. So verdoppelte sich während des 18. Jahrhunderts die Bevölkerung in den Städten fast um das Doppelte. Neue Gesellschaftsschichten entstanden: Durch die industrielle Revolution erlangten Unternehmer, Bankiers und andere Kapitalbesitzer Reichtum und Einfluss. In den deutschen Ländern wurden sie unter der Bezeichnung des Wirtschaftsbürgertums zusammengefasst. Durch das Aufblühen der humanistischen Ideale in den Städten entstand eine weitere Gesellschaftsschicht, die sich diese Ideale zu eigen machte, dem Bildungsbürgertum. Beide middle classes, wie sie in England bezeichnet wurden, veränderten die bisher eindeutig getrennten englischen Schichten, der besitzenden Oberschicht und arbeitenden Unterschicht auf dem Land.[2]Zum Wandel der englischen Gesellschaft im 18. und 19. Jahrhundert vgl. Perkin, Harold: The Origins of Modern English Society 1780-1880. London 1969.

Diese Arbeit untersucht, wie sich der Wandel der Gesellschaft auf das englische Musikwesen, vordergründig in London als florierendes Zentrum, zwischen 1760 und 1840 ausgewirkt hat. Daher wird insbesondere auf die Zuschauer und weniger auf die Musiker eingegangen. Dazu wird zunächst die Londoner Musikkultur beispielhaft an den Opern- und Oratorienaufführungen dargestellt, um dann auf das gesellschaftliche Gefüge der Besucher der Opernhäuser einzugehen. Dazu wird zunächst die Oberschicht mit ihren Angewohnheiten präsentiert, um dann den gesellschaftlichen Wandel durch das Subskriptionssystem und der neuen Opernform, der opera buffa, näher zu beleuchten. Folgend wird die Rolle der Musik im privaten Rahmen, im Salon, und ihre soziale Dynamik für Adel und Bürgertum veranschaulicht und die englische Sonderform der glee clubs beschrieben. Die abschließenden Kapitel gehen auf den Wandel in der anglikanischen und katholischen Gottesdienstliturgie und deren Musiker ein.

Für die Untersuchung wurden sowohl zeitgenössische Quellen als auch Sekundärliteratur konsultiert. Leider beschäftigt sich die meiste Literatur vor allem mit der Person und der Musik Händels, doch findet sich weitere Literatur, die sich mit dem gesellschaftlichen Phänomen Musikkultur beschäftigen. Zu diesen gehören die Darstellungen von Fiske „Music in Society” sowie “English Theatre”, Faulstichs “Bürgerliche Mediengesellschaft”, die Aufsätze “Romanticism and music culture in Britain 1770-1840” von Wood und “Italian Opera at the King’s Theatre in the 1760. The Role of the Buffi” von Willaert, aber ganz besonders die Untersuchungen von Hall-Witt in “Fashionable Acts”. Tatsächlich ist die Musikkultur zur Zeit von König George III. und George IV. auch abseits von Händels Oratorien in der englischsprachigen Literatur kein reines Forschungsdesiderat mehr. Außerhalb Englands scheinen sich jedoch nur wenige mit der Musikgeschichte Englands im 18. und 19. Jahrhundert beschäftigt zu haben.

Die Londoner Musikkultur

Das englische Königshaus Hanover war eine sehr musikbegeisterte Familie, die Musiker unterstützte und das Spielen von Instrumenten erlernte. König George II. unterstützte Georg Friedrich Händel und auch sein ihm 1760 auf den Thron folgender Sohn George III. war ein Liebhaber der Händelschen Musik. Er bekam vor seiner Krönung bereits seit einigen Jahren Querflötenunterricht bei Franz Wiedemann. Zudem besuchte er zeitlebens regelmäßig Opern und Oratorien in den Londoner Theatern.[3]Vgl. Blom, Eric: Musik in England. Hamburg [1948]. S. 208. Nachdem George III. in 1785 Luigi Cherubini zum „Komponisten des Königs“ ernannte hatte, besuchte die königliche Familie regelmäßig „Konzerte für Alte Musik“ in den Tottenham Street Rooms.[4]Vgl. Ebd S. 234. Seine Frau Charlotte erlernte ab 1764 das Cembalo-Spiel bei Johann Christian Bach. Ein Kontakt, der durch Carl Friedrich Abel zustande kam. Abel war zu diesem Zeitpunkt bereits Mitglied im königlichen Kammerorchester, der Chapel Royal, in das nun auch Bach aufgenommen wurde.[5]Vgl. Ebd. S. 208. Ein weiteres Mitglied der Chapel Royal, William Boyce, schrieb für die Hochzeit von George III. mit Charlotte einen Anthem.[6]Vgl. Range, Matthias: William Boyce’ Anthem for the Wedding of King George III. In: Musical Times 147 (2006). S. 59-62, insbesondere S. 60. Georges III. und Charlottes ältester Sohn, George Frederic August, Prince of Wales, der spätere George IV., wurde ab 1782 von John Crosdill am Cello unterrichtet.[7]Vgl. Blom, Musik in England. S. 230. Im gleichen Jahr lernte George IV. den drei Jahre jüngeren Komponisten Thomas Attwood kennen, der im Buckingham Palace ein Konzert gab.[8]Vgl. Ebd. S. 230. Zu dem damals 17-jährigen Attwood entwickelte er eine so enge Bekanntschaft, dass dieser nicht nur für ihn  die Krönungsmesse („Ich war froh“) schrieb, sondern auch für die Krönung seines Nachfolgers und Bruders William („O Gott, schenke dem König ein langes Lebens“).[9]Vgl. Ebd. S. 256. George IV. unterhielt während seiner Regierungszeit ein eigenes Kammerorchester, das im Carlton-Haus probte[10]Vgl. Ebd. S. 234. und in das auch John Crossdill aufgenommen wurde. Bach und Abel etablierten in Konzerträumen am Soho Square 1765 bis 1781 eine Konzertreihe, auf der sie nicht nur eigene Kompositionen spielten, sondern auch aktuelle Musik aus den deutschen Ländern.[11]Vgl. Searle, London. Sp. 1467. Wegen der Unterstützung der eingereisten Komponisten kam es im 18. und 19. Jahrhunderts wiederholt zu Unmut innerhalb der englischen Bevölkerung, die den Mäzenen und dem englischen Königshaus ankreideten, ausländische Musiker zu bevorzugen. Der Vorwurf war, dass jene ebenso talentierten englischstämmigen Musikern die Arbeitsstelle wegnehmen würden.[12]Vgl. Holman, Eighteenth-Century English Music. S. 4.

Die Londoner Theater

In London gab es drei königliche Theater, die nach dem Licensing Act von 1737 die Autorisierung besaßen, dramatische Darstellungen, d.h. Opern, zu zeigen.[13]Vgl. Carr, Bruce: Theatre Music: 1800-1834. In: Nicholas Temperley/Charles G. Manns (Hgg.): The Romantic Age. The Blackwell History of Music in Britain. Band 5. Oxford 1988. S. 288. Zur Unterscheidung wurden diese nach der Straße benannt an der sie lagen: Drury Lane, Covent Garden und das King’s Theatre am Haymarket, welches im Besitz des Königs war. Später kam noch das Little Theatre am Haymarket dazu.[14]Vgl. Carr, Theatre Music. S. 288. Hier wurden zwar auch Ballette und divertimenti gegeben, aber nur als afterpiece[15]Vgl. Fiske, Roger: English Theatre Music in the Eighteenth Century. London 1973. S. 259. Dazu gehörten Ballette, Pantomime, Sage, Zauberei o. ä. nach einer Oper oder einem Theaterstück.[16]Vgl. Carr, Theatre Music. S. 289. Als es Ende des 18. Jahrhunderts und zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den Londonern Theatern mehrmals brannte und diese nicht bespielbar waren, bekam zeitweise das Pantheon die Lizenz, Opern zeigen zu dürfen.[17]Vgl. Searle, London. Sp.1461; Caldwell, England. S. 48. Alle anderen Theater und pleasure gardens durften bis zum Theatre Regulation Bill von 1843 nur andere Genres wie Melodramen, Burlesken, Ballette und Pantomime zeigen.[18]Vgl. Carr, Theatre Music. S. 289; Faulstich, Werner: Die bürgerliche Mediengesellschaft (1700-1830). Göttingen 2002 (= Geschichte der Medien). S. 253-254. In der Zeit von Oktober bis Juni gab es in den genannten Theatern zwei- bis dreimal wöchentlich Opernaufführungen.[19]Vgl. Caldwell, England. Sp. 50; Hall-Witt, Fashionable Acts. S. 17. Für die Musiker begann die Probe für die Abendvorstellung um 10Uhr.[20]Vgl. Faulstich, Bürgerliche Mediengesellschaft. S. 254. Die Theatervorstellungen selbst begannen an den Theatern jedoch zu unterschiedlichen Zeiten zwischen 17 Uhr und 19 Uhr und dauerten einige Stunden, teilweise bis Mitternacht.[21]Vgl. Carr, Theatre Music. S. 289; Fiske, English Theatre. S. 256. Einlass war jeweils eine Stunde vor Vorstellungsbeginn.[22]Vgl. Fiske, English Theatre. S. 256. Eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn begann das Orchester, die Zuschauer mit Musik zu unterhalten.[23]Vgl. Ebd. S. 259.

Die Musiker und ihr Einkommen

Im 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren Komponisten noch keine freischaffenden Künstler, sondern an einem adeligen oder kirchlichen Hof oder am Theater angestellt.[24]Vgl. Wood, Gillen D’Arcy: Romanticism and music culture in Britain 1770-1840. Virtue and virtuosity. New York 2010. S. 56. Alternativ wurden sie durch Mäzene finanziell unterstützt, waren dann aber auch von deren musikalischen Vorlieben und auch Launen und den gängigen Musikmoden abhängig.[25]Zum patronage-System in der englischen Gesellschaft vgl. Perkin, The Origins of Modern English Society. S. 32-46. Obgleich die meisten Komponisten dem Bürgertum entstammten, zählten sie im Dienst adeliger Familien nur zur höheren Dienerschaft.[26]Vgl. Wood, Romanticism and music culture in Britain 1770-1840. S. 57. Das Einkommen der Musiker lag zwar über dem eines Arbeiters, aber signifikant unter dem eines Komponisten oder Librettisten oder gar Uhrmachers oder Juweliers, deren Handwerk als wertvoller erachtet wurde.[27]Vgl. Wood, Romanticism and music culture in Britain 1770-1840. S. 56; Rohr, Deborah: The Caareers of British Musicians. A Profession of Artisans. Cambridge 2001. S. 37; Fiske, Roger: Music in … Continue reading Samuel Wesley bemerkte zur verhältnismäßig geringen Bezahlung: „I have every day more and more cause to curse the day that ever my poor good father suffered musick[!] to be my profession […] the whole is a degrading business to any man of spirit or any abilities.[28]Zit. nach: Wood, Romanticism and music culture in Britain 1770-1840. S. 56.. Letztendlich bestimmten Ansehen und Nachfrage das Gehalt des Komponisten. Die bereits 1738 gegründete[29]Gründungsmitglieder waren Georg Friedrich Händel, Friedrich Wiedemann und Michael Festing. Gesellschaft zur Unterstützung in Not geratener Musiker wurde 1789 von George III. durch einen Freibrief in „Royal Society of Musicians“ umgewandelt, veränderte aber letztendlich nicht die Gehälter der Musiker – im Gegenteil: die Gehaltsschere ging bis 1820 immer mehr auseinander und veränderte sich auch für einen Musiker schnell durch Angebot und Nachfrage.[30]Zu den großen Unterschieden der Bezahlung vgl. Blom, Musik in England. Hamburg. S. 194; Wood, Romanticism and music culture in Britain. S. 130; Hall-Witt, Jennifer: Fashionable Acts. Opera and Elite … Continue reading Die Vergütung der Komponisten schwankte ebenso erheblich, unterlag sie doch den gleichen marktregulierenden Faktoren.[31]Vgl. Woodfield, Opera and drama , S. 207; Hall-Witt, Fashionable Acts, S. 40; Fiske, English Theatre. S. 261.

Die lenten oratorios

Da während der Quadragesima mittwochs und freitags keine Opern aufgeführt werden durften[32]Beginnend am Freitag nach Aschermittwoch., mieteten Musikliebhaber für diese beiden Wochentage innerhalb jener sieben Wochen die Theater an, um als Ersatz die so genannten lenten oratorios aufzuführen.[33]Vgl. Zöllner, Eva: English Oratorio after Handel. The London Oratorio Series and its Repertory 1760 – 1800. Marburg 2002. S. 7, 19, 21; Mohn, Barbara: Das englische Oratorium im 19. Jahrhundert. … Continue reading

Eine Oratorienveranstaltung bestand aus drei Konzertteilen. Zunächst dem Oratorium als Hauptwerk, dann einem gemischten Programm geistlicher Musik und zum Abschluss weltliche Musik. Zwischen den einzelnen Teilen erklangen Solo-Konzerte.[34]Vgl. Mohn, Das englische Oratorium. S. 23. Die Oratorien begannen üblicherweise um 18:30Uhr und dauerten drei Stunden.[35]Vgl. Zöllner, English Oratorio after Handel. S. 29. Von den impresari[36]Der impresario wiederum kümmerte sich im 18. Jahrhundert um die Verpflichtung der Musiker, war aber auch für die Wirtschaftlichkeit des Gebäudes und des Spielbetriebs verantwortlich. der Opernhäuser führten die Oratorien-impresari führten das Theater an jenen beiden Wochentagen als administrativ und finanziell unabhängigen Betrieb. Dieses barg für diese temporären impresari Chancen und Risiken zugleich, da sie zwar sämtliche Einnahmen behalten durften, die Ausgaben aber auch zu decken hatten. Ein schlecht besuchtes Oratorium konnte die finanziellen Ressourcen erschöpfen.[37]Vgl. Zöllner, English Oratorio after Handel. S. 20. Mit hohen Eintrittspreisen sicherten die von der Oberschicht gewünschte Exklusivität[38]Vgl. Ebd. S. 44. und dessen Wunsch nach pleasing variety durch Veränderung der Inszenierung.[39]Vgl. Ebd. S. 31, 48, 55. Der Versuch John Christopher Smith‘ und Charles John Stanleys, das Programm mit aktuellen und eigenen Kompositionen zu erweitern, scheiterte, denn die Besucher blieben aus.[40]Vgl. Ebd. S. 17, 46. Die Besucherzahlen stiegen wiederum mit der Wiederaufnahme Händelscher Oratorien.[41]Vgl. Ebd. S. 47. So blieben bis in die 1790er Jahren fast alle aufgeführten Oratorien von Händel.[42]Vgl. Ebd. S. 17. Ein Sitz in den Boxen kostet einen halben guinea[43]1 guinea entsprach 10s 6d., die obere Galerie 5s und die untere Galerie: 3s 6d. Lenten oratorios gab es zunächst nur in Covent Garden und waren für das aristokratische Publikum umso anziehender, da es auch der König besuchte. Den beiden dortigen Oratorien-impresari Smith und Stanley sicherte dies die Einnahmen.[44]Vgl. Zöllner, English Oratorio after Handel. S. 43-44, 55. Obwohl sie in den 1760er Jahren immer wieder Konkurrenten in anderen Theatern hatten[45]Vgl. Ebd. S. 48, 59, 61-64., setzte sich aber erst Samuel James Arnold in Drury Lane in den 1790er Jahren als echter Kontrahent durch. Er gewann seine Zuschauer durch deutlich niedrigere Preise (Box 5s, Parkett 3s, obere Galerie 2s, untere Galerie 1s)[46]Vgl. Ebd. S. 56-58., an die Smith und Stanley ihre Preise zunächst nicht anglichen. Erst als Smith und Stanley zwei Jahre später für die Oratorienreihe zu Drury Lane wechselten und Arnold seinerseits Covent Garden übernahm[47]Vgl. Ebd. S 59, 64-65., verringerten die beiden alteingesessenen Oratorien-impresari ihre Eintrittspreise etwas. Der Preis in den Boxen war weiterhin ein halber guinea, aber ein Platz im Parkett verringerte sich auf 5s, in der oberen Galerie auf 3s 6d und in der unteren Galerie auf 2s.[48]Vgl. Ebd. S. 59. Die Gründe für den Tausch der Theater sind offenbar nicht überliefert, doch liegt die Vermutung nahe, dass Stanley und Smith die Miete von Covent Garden zu teuer wurde.[49]Vgl. Ebd. S. 65.

Die Krönung der Verehrung Händels Oratorien fand in der Handel Commemoration von 1784 in der Westminster Abbeymit 525 Laienmusikern statt.[50]Vgl. Holman, Eighteenth-Century English Music. S. 6; Zöllner, English Oratorio after Handel. S. IX [Preface]; Wood. Romanticism and music culture in Britain 1770-1840, S. 22, 24, 30. Nach der Commemoration kam es zu einem stetigen Rückgang der Oratorienaufführungen Händels, in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zu einem Rückgang der Oratorien an sich. Es wurden nun mehr und mehr Concerti spirituali, kürzere orchestrale Musikwerke aus Chorälen oder Kirchenlieder[51]Vgl. Mohn, Das englische Oratorium. S. 20; Zöllner, English Oratorio after Handel. S. 4-5, 8, 31, 66. Neben Gesangssolisten traten auch Instrumentalsolisten auf. Typische Solo-Instrumente waren … Continue readingVgl. Mohn, Das englische Oratorium. S. 20; Zöllner, English Oratorio after Handel. S. 4-5, 8, 31, 66. Neben Gesangssolisten traten auch Instrumentalsolisten auf. Typische Solo-Instrumente waren Orgel, Violine, Oboe, Querflöte, Cello, Horn, Fagott und Klarinette., aufgeführt und nicht mehr vollständige Oratorien. Diese Mischung aus Oratorien und Concerti spirituali nannte sich „Favourite Selections“. Ab 1815 flaute die Begeisterung für die Reihe der lenten oratorios in der Fastenzeit ab und nur noch einzelne Theater schrieben für wenige Perioden schwarze Zahlen. Zwischen 1820 und 1840 gab es daher einen häufigen Wechsel in der Leitung der lenten oratorios in beiden Opernhäusern und es kam sogar zum Ausfall ganzer Konzertreihen. Diverse Versuche zum Erreichen höherer Besucherzahlen blieben erfolglos.[52]Vgl. Mohn, Das englische Oratorium, S. 31-43. In den 1840er Jahren verschwanden die lenten oratorios schließlich aus den Theatern.[53]Vgl. Mohn, Das englische Oratorium. S. 20.

Musik im öffentlichen Raum

Die Aristokratie: Sehen und gesehen werden

Die Opern und Oratorien[54]Um nicht wiederholend den Terminus „Opern und Oratorien“ zu verwenden, wird nachfolgend nur von der Oper geschrieben, jedoch immer auch die Oratorienaufführung gleichsam gemeint. waren im 18. Jahrhundert ein Spiegelbild der klar getrennten gesellschaftlichen Klassen und innerhalb der aristokratisch geführten Gesellschaft ein feinfühliges Barometer für die Machtverhältnisse und Strukturen.[55]Vgl. Hall-Witt, Fashionable Acts. S. 3. Jene mondäne Gesellschaft war in den 1780er Jahren eine geschlossene Gruppe. Die Theater waren klein und übersichtlich genug, um als effektiver Treffpunkt zu dienen.[56]Vgl. Ebd. S. 266. Sehen und gesehen werden war die Devise.[57]Vgl. Ebd. S. 4, 18, 265. Neben der kulturellen Bildung[58]Vgl. Ebd. S. 24. diente der Opernbesuch der Pflege seiner sozialen Verbindungen und zum Aufbau neuer Kontakte.[59]Vgl. Ebd. S. 18. Begünstigt wurde dies durch die begrenzte Größe des Auditoriums und der überschaubaren Anzahl von Logen. Man konnte einander sehr gut beobachten. Die mondäne Gesellschaft kannte sich gut genug, um auch kleinen Veränderungen bei den anderen die entsprechende gesellschaftliche Bedeutung beizumessen. Wer unterhielt sich mit wem? Ließ sich die Anbahnung einer persönlichen Beziehung erkennen? Oder glaubte man gar, eine Abkühlung bestehender Beziehungen zu erkennen? Wer fiel durch teure neue Kleidung auf oder konnte sich offenbar keine neue leisten? Neue Besucher fielen in der geschlossenen Gruppe sofort auf.[60]Vgl. Ebd. S. 266-267. Die Veranstaltung wurde auch genutzt, um politische Verbindungen zu avisieren, Informationen zu sammeln und Veränderungen und Neuigkeiten im gesellschaftlichen Netzwerk der Oberschicht aufzuspüren oder zu offenbaren.[61]Vgl. Hall-Witt, Fashionable Acts, S. 266, 268.

Der gesellschaftliche Aspekt stand bei der Oper klar im Vordergrund, die Aufführung, die Musik waren der Anlass oder auch der Rahmen für das Treffen. Das Opernpublikum des 18. Jahrhundert war „event-orientiert“ (Hall-Witt)[62]Zit nach: Hall-Witt, Fashionable Acts. S. 23. Aufschlussreich für das Verständnis des Verhaltens dieses “event-orientierten” Publikums ist auch: Weber, William: Did People Listen in the 18th … Continue reading und betrachtete sich selbst als Teil des ganzen Spektakels.[63]Vgl. Hall-Witt, Fashionable Acts. S. 24.

Die Sänger sangen ihre Arien und Gesangsausschmückungen und die Besucher jubelten oder buhten sie aus. Die Zuschauer waren an der musikalischen Unterhaltung interessiert, nicht am Komponisten oder den Sängern. Nur bei bekannten und berühmten Sängern wurden auch die Namen abgedruckt.[64]Vgl. Ebd. S. 40-43 Fiske, Music in Society. S. 14. Die Zuschauer informierten sich vor Beginn der Vorstellung sowie in den Pausen zwischen den Akten  im Libretto der Oper.[65]Vgl. Fiske, English Theatre. S. 258. Die Libretti enthielten die Texte der Opern mit Übersetzung ins Englische, allerdings nicht den Namen des Komponisten und jene der Sänger und kostete in den 1780er Jahren 1s 6d, 1805 bis in die 1820er Jahre 2s. Die Reputation der Sänger stieg und fiel mit der Reaktion der Zuschauer. Bewertet wurden nicht nur deren musikalische Leistung, sondern auch die Liedauswahl und die Variabilität in der Darbietung. Der Sänger musste nicht nur mit seinem Lied stimmlich brillieren, sondern durfte es auch nicht immer in der gleichen Art singen.[66]Vgl. Hall-Witt, Fashionable Acts. S. 23. Die Komponisten und Sänger erreichten jene geforderte novelty, indem sie bestehendes musikalisches Material immer wieder neu verarbeiteten. So kam es vor, dass Opernsänger sogar Arien aus anderen Opern oder pasticci einfügten, um mit einem bestimmten Lied aus einem ganz anderen Stück stimmlich zu brillieren und das Publikum zu begeistern.[67]Vgl. Ebd. S. 10, 35-39; Willaert, Italian Opera at the King’s Theatre, S. 21-28. Da ein Operntext nicht als unantastbar und geschützt betrachtet wurde, konnte jeder das Musikstück eines anderen Künstlers verändern und ohne Erlaubnis in der veränderten Form aufführen, was man ungeniert und intensiv nutzte.[68]Vgl. Hall-Witt, Fashionable Acts, S. 40. Um die Dauer der Vorstellung zu kürzen, wurden Opern mit drei Akten auch durchaus auf zwei Akte gekürzt.[69] Vgl. Ebd. S. 34. Die Kunst der impresari war es, nicht nur eine dauerhafte Besetzung  guter Darsteller zu haben, sondern auch das Programm von Aufführung zu Aufführung den Wünschen des Publikums anpassen.[70]Vgl. Ebd. S. 5. Die geplanten Darbietungen wurden ein oder maximal zwei Tage im Voraus bekannt gegeben und zwar abends in der Vorstellung zwischen Hauptstück und after piece und am nächsten Morgen in der Presse. Eine oder zwei Zeitungen hatten das Privileg, das Programm zu veröffentlichen und zahlten hierfür an die Theater.[71]Vgl. Fiske, English Theatre. S. 256.

Die gesellschaftliche Stellung ließ sich nicht nur an der Kleidung der Besucher erkennen[72]Vgl. Hall-Witt, Fashionable Acts. S. 17-18., sondern auch am angestammten Platz im Theater-Auditorium. Die nicht so gut betuchten Gäste in ihrer einfacheren Kleidung und jene, die keinen halben guinea zahlen konnten, nahmen auf der Galerie Platz[73]Vgl. Ebd. S. 4; Fiske, Music in Society. S. 14; Fiske, English Theatre. S. 256., während reiche Bürger und der niedrige Adel in den Boxen und Logen der ersten Ränge sowie im Parkett saßen. In den oberen Rängen saßen die high courtesans. Jene nutzten die Vorstellung, um auf sich aufmerksam zu machen und das Interesse zu wecken.[74]Vgl. Fiske, English Theatre. S. 257; Fiske, Music in Society. S. 14; Hall-Witt, Fashionable Acts. S. 4. Das Parkett teilte sich eine Mischung aus Adel, Oberschicht, Mittelstand, Journalisten und Künstlern – die beiden Letztgenannten genossen Zutritt durch die free list.[75]Vgl. Hall-Witt, Fashionable Acts. S. 4.

Der Wandel: Die Subskription

Adelige sicherten sich ihre Plätze über die Subskription. In die ausliegenden Subskriptionslisten wurde der Name eingetragen und der Betrag für die Opernbesuche einer ganzen Saison im Voraus gezahlt. Das sicherte dem Subskribenten den gleichen Platz und dem impresario finanzielle Sicherheit. Den in der Literatur ungenannten, aber mit Sicherheit auch für Adelige hohen Preis konnten sich nicht alle leisten. Viele von ihnen wurden davor von ihren Mäzenen zur Subskription eingeladen. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts bevorzugten die Subskribenten die Logenplätze.[76]Vgl. Ebd. S. 57. Der weitgehend unveränderte, beständige Kreis der Besitzer der Plätze war ein grundlegendes Merkmal der Opern-Subskriptionskultur. Da es jedes Jahr fast immer die gleichen Subskribenten waren, fielen neue Besucher sofort auf und wurden verstärkt beobachtet. Ebenso beachtenswert waren fehlende Subskribenten und der vermeintliche Grund hierfür. Solche Beobachtungen wurden zu Gradmessern für finanzielle Veränderungen in Familien, gaben Aufschluss über gesellschaftlichen Aufstieg oder Abstieg.[77]Vgl. Ebd. S. 60. Etwa ein Viertel aller englischen Aristokraten waren Subskribenten in einer der Londoner Opern. Die Oper fungierte quasi als halbprivater Club[78]Vgl. Ebd. S. 57. mit den Subskribenten als Haupteinnahmequelle des Theaters.[79]Vgl. Ebd. S. 155. Die Theater erkannten ihre Chance für höhere Einnahmen und vergrößerten ab den 1790er Jahren die Auditorien der Theater. Damit veränderte sich aber deren vertraute Atmosphäre.[80]Vgl. Ebd. S. 267. Das eigene Erscheinen glich nicht mehr einem Auftritt, dem die volle Aufmerksamkeit sicher war .[81]Vgl. Hall-Witt, Fashionable Acts, S. 116, 130, 267. Durch das größere Auditoriums drängten neue, für die bisherigen Subskribenten weitgehend unbekannte Menschen in die Theater. Durch die zunehmende Industrialisierung hatte sich eine vermögende bürgerliche Oberschicht mit eigenen Machtstrukturen und Machtbewusstsein entwickelt, die Einlass in die bisher weitgehend geschlossene mondäne Gesellschaft suchte und selbst oder über persönliche Beziehungen über die finanziellen Mitteln für die Vorauszahlung des wöchentlichen Opernbesuchs verfügte.[82]Vgl. Ebd. S. 271. Immer mehr Interessenten umgingen die Subskription, um sich einen Logenplatz zu sichern[83]Vgl. Ebd. S. 7., der Schwarzmarkt boomte. Buchhändler boten nun sogar Karten für Eigentumslogen an, konnte doch ein Drittel der Aristokraten durch falsches Management des eigenen Besitzes und die kriegsbedingte Inflation  die um das Doppelte erhöhten Eintrittspreise nicht mehr bezahlen.[84]Vgl. Ebd. S. 148-155. Wegen dieser Preiserhöhung kam es immer wieder zu riots, den sogenannten old price riots.[85]Der zerstörerischste riot mit einem Schaden von £ 2.000 ereignete sich am 3. Februar 1762 in Covent Garden allerdings nicht wegen einer Preiserhöhung, sondern weil es nach drittem Akt nicht den … Continue reading Die Atmosphäre in der Oper wurde nun öffentlicher, aber auch unpersönlicher.[86]Vgl. Hall-Witt, Fashionable Acts, S. 271. Die Einstufung der Zuschauer nach ihrer gesellschaftlichen Reputation fiel deutlich schwerer,[87]Vgl. Ebd. S. 116. denn vermögende Bürgerliche konnten sich durchaus eine pompösere Kleidung oder einen teureren Platz leisten als ein verarmter Adliger. Später, aber immer noch vor der Jahrhundertwende 1800, wurden wegen der immer noch starken Nachfrage nach Plätzen in den Opernhäusern sogar Logen seitlich der Bühne gebaut.[88]Vgl. Ebd. S. 25-26. Hier mieteten besonders gerne gesellschaftlich oder politisch ambitionierte Männer einen Platz, um sich gut sichtbar als Mäzen einer Darstellerin oder des impresarios positionieren wollten.[89]Vgl. Ebd. S. 267. Die Oberschicht versuchte vergebens, ihren bisherigen Einfluss und ihr bisheriges Standing in dem Opern-Netzwerk zu erhalten. Doch durch die zunehmende Kommerzialisierung der Oper und dem Rückgang an adeligen Zuschauern, höhlte sich das Subskriptionssystem kontinuierlich weiter aus, um bis in die 1830er Jahre seinen früheren Stellenwert eingebüßt zu haben.[90]Vgl. Ebd. S. 3, 145, 155. Um 1850 strömten zwar noch immer Aristokraten zu Opernveranstaltungen, aber die Zusammensetzung der Zuschauer hatte sich gewandelt: Gönnerinnen und Gesellschaftsdamen gingen zwar wie auch modische Dandies und Militärs weiterhin in die Oper, doch aktive Politiker oder sogar Mätressen fand man kaum noch auf den Subskriptionslisten.[91]Vgl. Hall-Witt, Fashionable Acts. S. 5

Der Wandel: Die opera buffa

In der opera seria mit ihren tragischen Handlungen um aristokratische Helden konnten sich die adeligen Opernzuschauer leicht wiederfinden und sich mit ihnen identifizieren. Die opera buffa bildete mit ihrer amüsanten, possenhaften Handlung und den nicht-aristokratischen Helden ein Gegenstück zur opera seria mit ihren heroischen, erhabenen Charakteren und der ernsten, dramatischen Handlung. So wenig sich Aristokraten mit den Helden der opera buffa identifizieren konnten, so sehr faszinierte es die bürgerlichen Zuschauer. Noch über die Jahrhundertwende 1800 hinweg wurde die opera buffa missachtet und wurde in Rezensionen und Musikgeschichtsschreibung abwertend beurteilt. Schauplatz der Londoner opera buffa war das King’s Theatre. Zwar war sie dort seit 1760 im Programm, gehörte aber erst 1773 zu ihrem festen Bestandteil. Die impresaria des King’s Theatre, Colomba Mattei, entwarf ein cleveres, wirtschaftliches Programm, das für spätere opera buffa-Programme anderer Theaterhäuser Vorbildcharakter hatte. Ein ausgewogenes, variierendes Programm mit Aufführungen der opera seria am Wochenende und der opera buffa an Werktagen.[92]Vgl. Willaert, Saskia: Italian Opera at the King’s Theatre in the 1760. The Role of the Buffi. In: David Wyn Jones (Hg.): Music in Eighteenth Century Britain. Aldershot 2000. S. 17-20; Haskins, … Continue reading Mattei engagierte bekannte Komponisten als Hauskomponisten, die eigens für ihr Theater Arrangements und pasticci für die angestellten Sänger komponierten.[93]Vgl. Willaert, Italian Opera at the King’s Theatre in the 1760. S. 30-33. Eingereiste, ausländische buffa-Darsteller vom Festland übernahmen häufig die Organisation der opera buffa. Sie besorgten die Noten für Instrumentalisten und Sänger, stimmten sich mit dem Hauskomponisten[94]Die Musikstücke waren entweder vom Kontinent importiert oder vom Hauskomponisten für dieses Theaterhaus komponiert worden. sowie dem Hauslibrettist ab und traten auch selbst als Sänger auf. Dabei griffen sie auf ihnen bereits bekannte Opern zurück.[95]Vgl. Willaert, Italian Opera at the King’s Theatre in the 1760. S. 21-23; Hall-Witt, Fashionable Acts, S. 38. Neu komponierte opere buffe standen deshalb in den Londoner Opernhäusern nur selten auf dem Programm. Meist vergingen zehn bis zwanzig Jahre seit der Uraufführung auf dem europäischen Festland, bevor die Opern in England aufgeführt wurden.[96]Vgl. Willaert, Italian Opera at the King’s Theatre in the 1760. S. 25. In den 1810er Jahren dominierten die opere buffe von Mozart das Programm des King’s Theatre.[97]Vgl. Hall-Witt, Fashionable Acts, S. 45.

Musik im privaten Raum

Im privaten Salon

Ende des 18. Jahrhunderts begann eine Hochkonjunktur im Musikalienhandel, begünstigt durch die Erfindungen neuer Maschinen, durch die der Notendruck schneller und damit billiger wurde.[98]Vgl. Wood. Romanticism and music culture in Britain 1770-1840, S. 16; Sadie, Stanley: Music in the Home II [in 1760 – 1800]. In: Henry D. Johnstone/Robert Fiske (Hgg.): The Eighteenth Century. The … Continue reading Für „Kenner“ und „Liebhaber“, so die zeitgenössische Bezeichnung für musikbegeisterte Laien, wurden etwa ein bis zwei Monate nach der Uraufführung einer Oper, eines Konzertes, einer Sinfonie oder eines anderen musikalischen Werkes – sofern sie erfolgreich war – die Noten gestochen.[99]Vgl. Caldwell, London. S. 35; Faulstich, Bürgerliche Mediengesellschaft. S. 294-298. Die Gesangspartitur einer Oper kostete um 1800 10s 6d, eine Gesangspartitur des afterpiece 6s[100]Vgl. Faulstich, Bürgerliche Mediengesellschaft. S. 299., sechs Sonaten £ 10s 6d.[101]Vgl. Sadie, Music in the Home II. S. 314. In manchen musikalischen Zeitschriften erschienen wöchentlich mehrere Seiten als sich fortsetzende Teile einer Gesangspartitur für nur 1s 6d[102]New Musical Magazine, 1783-[unbekannt], von James Harrison. oder 2s 6d[103]Pianoforte Magazine, 1799-1802, von James Harrison, Cluse & Co.. Man musste die aufeinanderfolgenden Ausgaben kaufen, bis man das Werk vollständig hatte. Der Zeitverzug rechnete sich aber, denn diese Variante war im Gesamten oftpreisgünstiger als der Kauf des kompletten Werks.[104]Vgl. Faulstich, Bürgerliche Mediengesellschaft. S. 296-299. Orchestrale Werke wurden für wenige Instrumente oder ein Soloinstrument arrangiert. In der Klaviermusik war die begleitete Klaviersonate das beliebteste Genre im späten 18. Jahrhunderts.[105]Vgl. Sadie, Music in the Home II. S. 323-351. Durch verbesserte Technik bei der Herstellung wurden Klaviere seit Ende des 18. Jahrhunderts für eine weitaus größere Anzahl Menschen erschwinglich.[106]Vgl. Wood, Romanticism and music culture in Britain 1770-1840.S. 4; Searle, London. S. 1473. Sie konnten durch Arrangements von Orchesterkompositionen, den Klavierauszügen, Bühnenwerke alleine nachspielen, gegebenenfalls dazu singen und so im Kleinen der eigenen vier Wände Konzert- und Opernerlebnisse darbieten.[107]Vgl. Wood, Romanticism and music culture in Britain 1770-1840. S. 53. Klaviersonaten wiederum waren oft als Lehrstücke für Klavierschüler geschrieben.[108]Vgl. Sadie, Music in the Home II. S. 336, 340, 343. Nachdem es schon im 18. Jahrhundert einen Leitfaden für das Erlernen des Flöten- oder Violinspiels gab[109]Vgl. Fiske, Music in Society. S. 4., den beliebtesten Instrumenten des 18. Jahrhunderts[110]Vgl. Ebd. S. 8-9; Sadie, Music in the Home II. S. 324-327. – hauptsächlich von Männern gespielt –konnten englische Laienmusiker ab Beginn des 19. Jahrhunderts solche Leitfäden auch für das Klavierspiel erwerben.[111]Vgl. Wood. Romanticism and music culture in Britain 1770-1840, S. 162-163.

Neben dem Musizieren am Klavier war es in der Aristokratie beliebt, seine Töchter auch im Gesang unterrichten zu lassen,[112]Vgl. Petrat, Nicolai: Hausmusik des Biedermeier im Blickpunkt der zeitgenössischen musikalischen Fachpresse (1815-1848). Hamburg 1986. (=Hamburger Beiträge zur Musikwissenschaft 31) S. 99; Fiske, … Continue reading sodass die Tochter idealerweise nicht nur virtuos spielen, sondern auch mit lieblicher Stimme dazu singen konnte. Die musikalische Befähigung der Töchter beeinflusste die gesellschaftliche Stellung der gesamten Familie[113]Vgl. Wood, Romanticism and music culture in Britain 1770-1840. S. 17, 155-159; Hall-Witt, Fashionable Acts, S. 44; Petrat, Hausmusik des Biedermeier, S. 98-99.: Eine unmusikalische Tochter konnte nicht nur schwer verheiratet werden, sondern schmälerte auch die Reputation ihrer Familie. Deshalb wurden Töchter unabhängig von ihrer musikalischen Befähigung zum Erlernen dieser Qualifikationen teils gezwungen. Gioachino Rossini arbeitete 1824 während seines Aufenthalts in London auch als Gesangslehrer und klagte danach, dass „not even £ 100 per lesson could compensate for the tortures that I suffer while listening to those ladies, whose voices creak horribly.“.[114]Vgl. Hall-Witt, Fashionable Acts, S. 44. Zit. nach: Kendall, Alan: Gioacchino Rossini. The Relunctant Hero. London 1992. S. 124. Jane Austen kritisierte ihre Zeitgenossen für den verbissenen Drill, dem sich ihre Kinder unterziehen mussten.[115]Vgl. Wood. Romanticism and music culture in Britain 1770-1840, S. 166. Diese Art der musikalischen Erziehung mache aus jungen Frauen „mechanical automata“, verbissene Roboter, eine Maschine ohne Effekt und Gespür die, getrieben von einer Disziplin, die an preußischen Drill erinnert, Noten spielen lernten, um dem aristokratischen Ideal und damit den gesellschaftlichen Anforderungen zu entsprechen.[116]Vgl. Wood, Romanticism and music culture in Britain 1770-1840. S. 65., 155, 160-162 Siehe zur Bezeichnung der jungen Frauen als Automaten auch das Kapitel 5 dieses Sammelband, den Aufsatz … Continue reading Jane Austen schrieb aus eigener Erfahrung über „mechanical automata“, denn sie übte seit ihrem 13. Lebensjahr morgens am Klavier und spielte abends vor ihrer Familie. Dieses Ritual entsprach der Masse. Um Standesangehörigen das Können der Töchter zu zeigen und sie für eine günstige Heiratspartie zu positionieren, begab man sich bei Einladungen oder einem gemeinsamen Essen in den hauseigenen Salon zum Musizieren. Üblich war es, dass bei solchen privaten aber auch bei halb-öffentlichen Konzerten zwei Frauen am Klavier vierhändig und eine an der Harfe arrangierte Orchesterfassung der in London aktuellen Opern spielten, während die Vortragenden gleichzeitig die Texte dazu sangen.[117]Vgl. Wood. Romanticism and music culture in Britain 1770-1840, S. 153-154.

Die musikalische Erziehung in einem Instrument und Gesang war Ende des 18. Jahrhunderts keine Domäne der elitären Londoner Gesellschaft mehr. Die middle classes hatte durch Musikkopisten gleichermaßen Zugang zu Noten und pädagogischem Material. 1798 erklärte Edgewood, dass weibliche Leistung nun üblich sei, so dass man sie nicht mehr als ein unterscheidendes Charakteristikum der Erziehung einer gentlewoman erwägen kann.[118]Vgl. Wood. Romanticism and music culture in Britain 1770-1840, S. 153-157. Die bürgerliche Hausmusik[119]Vgl. Reimer, Erich: Hausmusik. In: Handwörterbuch der musikalischen Terminologie, 5. Auslieferung). Mainz 1977; Eibach, Joachim: Die Schubertiade. Bürgerlichkeit, Hausmusik und das öffentliche im … Continue reading des 19. Jahrhunderts hatte ihre Ursprünge in aristokratisch geprägten Theatern und Salons. Sie waren halb-öffentlich, da sie die aristokratisch-höfische Tradition bewahrten, aber im privaten Rahmen in einem Wohnzimmer für geladene Personen ausführten.[120]Vgl. S. Habermas, Jürgen: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Frankfurt am Main 1990. S. 44-45; Schwindt, Nicole: Kammermusik. In: … Continue reading Der bürgerliche Salon diente als Rückzugspunkt, um die humanistischen Ideale zu pflegen[121]Vgl. zu den adeligen und bürgerlichen Salons auch: Wood. Romanticism and music culture in Britain 1770-1840, S. 155-157; Petrat, Hausmusik des Biedermeier, S. 238-249. und das Klavier wurde zu einem charakteristischen Möbelstück dieses Raumes.[122]Vgl. Wood. Romanticism and music culture in Britain 1770-1840. S. 152-166; Budde, Gunilla: Blütezeit des Bürgertums. Bürgerlichkeit im 19. Jahrhundert. Darmstadt 2009. S. 62. Auch in der bürgerlichen Familie mit Vermögen oder Bildung befleißigte man sich der musikalischen Ausbildung der Töchter. Im Umkehrschluss zu dem möglichen gesellschaftlichen Niedergang einer adeligen Familie, bedeutete ein musikalisches Talent der Bürgerstochter nicht nur gesellschaftlichen Glanz und die Wahrscheinlichkeit einer guten Partie, es war auch die Basis für einen gesellschaftlichen Aufstieg, zumal wenn eine attraktive Mitgift gesichert war. Amédée Pichot berichtete eine typische Szene in einem Salon: “Enter one of our coffee-rooms, and you will probably find two Englishmen seated silently in a corner, instead of entering into conversation with each other. If, by chance, one of them, throwing off some of the national reserve, should venture to address a question to his neighbor, the latter will put in a grave look, and return at most a dry monosyllabic answer, for two talkative Englishmen seldom meet under the same roof.[123]Vgl. Wood, Romanticism and music culture in Britain 1770-1840. S. 179. Zit. nach: Pichot, Amédée: Historical and Literary Tour of a Foreigner in England and Scotland. 2. Bände. London 1825. Band … Continue reading.”. Und Charles Grenville berichtete: “There is a vast deal of incoming and going, and eating and drinking, and a corresponding among of noise, but little or no conversation, discussion, easy quiet interchange of ideas and opinions, no regular social foundation of men of intellectual or literary caliber ensuring a perennial flow of conversation, and which, if it existed, would derive strength and assistance from the light superstructure of occasional visitors, with the much or the little they might individually contribute. The reason of this is that the woman herself, who must give the tone to her own society, and influence its character, is ignorant, vulgar, and commonplace.”[124]Vgl. Wood, Romanticism and music culture in Britain 1770-1840.  S. 201. Zit. nach: Reeve, Henry (Hg.): The Grenville Memoirs (Second part). A Journal of the Reign of Queen Victoria from 1837 to 1852 … Continue reading. Den bürgerlichen Salon unterschied vom adeligen Salon, dass dem Musikvortrag wortlos und mit voller Aufmerksamkeit zugehört wurde. Für diese Hinwendung zum stillen Zuhören werden in der Forschung drei unterschiedliche Gründe genannt: Erstens: Das Londoner Bürgertum adaptierte die Idee aus dem Pariser Musikleben.[125]Vgl. Hall-Witt, Fashionable Acts. S. 6-7. Zweitens: Der Aufstieg des Bürgertums der neuen Mittelklasse, in Verbindung mit der opera buffa und deren nicht-aristokratischen Helden bedingten den Wandel.[126]Vgl. Ebd. Fashionable Acts, S. 42, 54-55, 227. Dieser Grund wird von James Johnson jedoch abgelehnt.; siehe Hall-Witt, Fashionable Acts. S. 7. Drittens: Durch die Veränderungen in den Theater-Auditorien kannte sich das Publikum untereinander weniger, man ging nicht mehr so aus sich heraus, die Atmosphäre wurde förmlicher. Private Unterhaltungen während der Aufführung wurden weniger und zugleich von Fremden umgeben wohl auch als störender empfunden. So wurde die Konzentration auf das Dargebotene stärker. Die Aristokratie übernahm schließlich diese durch das Bürgertum ausgelöste etiquette.[127]Vgl. Ebd, S. 227. Das stille Zuhören setzte sich durch die stetig wachsende Anzahl an bürgerlichen Besuchern der Opernhäuser auch bei öffentlichen Musikdarbietungen mehr und mehr durch.

In den Salons traten sowohl Laienmusiker als auch Berufsmusiker auf, um einen Zusatzverdienst zu erwirtschaften.[128]Vgl. Dahlhaus, Carl: Brahms und die Idee der Kammermusik. In: Neue Zeitschrift für Musik. Mainz 1973. S. 563. Allerdings orientierten sich professionelle Musiker am sozialen Status der Salon-Gastgeber und verzichteten teilweise auf ihr Honorar. Musiksalons übernahmen aber auch die Aufgabe, junge Künstler zu fördern, um ihnen den Weg in die große Öffentlichkeit zu ebnen.[129] Vgl. Jungmann, Irmgard: Sozialgeschichte der klassischen Musik. Bildungsbürgerliche Musikanschauung im 19. und 20. Jahrhundert. Stuttgart 2008. S. 24. Diese Gelegenheiten machten sie bekannt und konnten so deren Laufbahn unterstützen.

The Glee Clubs & Freimaurerlogen

Das Pendant zum eher von weiblichen Personen besuchten Salon bildeten die ausschließlich englische Männer aufnehmenden glee clubs[130]Vgl. besonders: Robins, Brian: The catch club in 18th-century England. In: Early Music 4 (2000). S. 517-529., die sich häufig in Trinkstuben gründeten, sowie die Freimaurerlogen.

Die musikalische Form des glees ist eine spezielle, nur im England dieser Zeit komponierte Liedform.[131]Vgl. Hurd, Michael: Glees, Madrigals, and Partsongs. In: Nicholas Temperley/Charles G. Manns (Hgg.): The Romantic Age. The Blackwell History of Music in Britain. Band 5. Oxford 1988. S. 243-246. Vgl. … Continue reading Der französische Akademiker Grosley notierte seine Beobachtungen über das Londoner Clubleben, als er 1765 durch England reiste: „They [the clubs] are held amongst friends, who, having contracted an intimacy in their early days, and experienced each other’s fidelity, are united in a conformity of tastes, schemes of life, and way of thinking.“ Er wies auch auf die Unabhängigkeit solcher Gesellschaften hin, die “acknowledge no laws but those they have laid themselves”. “Strangers, and Frenchmen above all are excluded from these assemblies, without particularly recommendation; and then they meet with all that respect and easy reception, so much preferable to ceremony and compliments.”. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden mehrere glee clubs gegründet[132]Vgl. Hurd, Glees, Madrigals, and Partsons. S. 242.: 1741 die Madrigal Society, 1761 der Noblemen and Gentlemen’s Catch Club, 1766 die Anacreontic Society, 1783 der Glee Club und 1798 Concentores Sodales, in dem allerdings nur Komponisten Mitglied werden konnten. Unter ihnen war der 1761gegründete Noblemen and Gentlemen’s Catch Club of London, kurz Catch-Club der bekannteste und einflussreichste. Zwischen 1763 und 1794 gab ihr Sekretär,  Thomas Warren, mit Catches, Canons oder Glees eine Sammlung der Lieder des Clubs heraus[133]Vgl. Blom, Musik in England. S. 210-211. und ehrte seit dem gleichen Jahr jährlich mit verschiedenen Preisen die besten glees, catches und canons des Jahres.[134]Vgl. Hurd, Glees, Madrigals, and Partsons. S. 242. Nachdem Thomas Linley sen. und Samuel Webbe sen. 1787 den Glee Club gründeten, verlor der Catch-Club an Ansehen.[135]Vgl. Blom, Musik in England. S. 234. Schließlich war Samuel Webbe sen. zu diesem Zeitpunkt bereits der bekannteste und beliebteste glee-Komponist. Er komponierte unter allen englischen Komponisten die meisten glees, nämlich über 200. und veröffentlichte sie schon seit 1764 in den neun Bänden seiner Canons and Glees.[136]Vgl. Hurd, Glees, Madrigals, and Partsons. S. 245-247.

Musik spielte in Freimaurerlogen eine zentrale Rolle, deren Charakteristik sich seit Gründung der Logen nicht änderte. Loyalität und Patriotismus verstärkten die Ideologie der Logen.

Das gemeinsame Musizieren diente sowohl der Feierlichkeit während der Treffen in der Loge als auch der Geselligkeit im Anschluss an den offiziellen Teil, denn freimaurerische Versammlungen endeten üblicherweise in fröhlicher Geselligkeit mit Wein und Liedern. Diese Musik symbolisierte die Verfassung der Freimaurerlogen: Individuen verschmolzen durch das Zurückstellen eigener Interessen zu Gunsten der Gemeinschaft zu einem harmonischen Ganzen, ähnlich wie einzelne Akkorde innerhalb der Regeln der diatonischen Harmonik zu einem perfekten, harmonischen Ganzen wurden.[137]Vgl. McVeigh, Simon: Freemasonry and Musical Life in London in the Late Eighteenth Century. In: David Wyn Jones (Hg.): Music in Eighteenth Century Britain. Aldershot 2000. S. 72-77. Liedtext: „Let … Continue reading Diese Mischung aus dem Verschmelzen kontrastierender musikalischer Formen und dem Patriotismus repräsentieren die angesprochenen glees durch ihre Mischung von stark kontrastierenden Teilen mit disparaten kontrapunktischen Linien zu einer perfekten, harmonischen Einheit und englishness in besonderem Maße. Daher wurden glees in Freimaurerlogen am häufigsten gesungen. Bei musikalischen Beiträgen während freimaurerischer Feierlichkeiten war stilles, in sich gekehrtes Zuhören gefordert.[138]Vgl. McVeigh, Simon: Freemasonry and Musical Life in London in the Late Eighteenth Century. S. 75-77. Eine protokollierte Versammlung der Preston’s Lodge of Antiquity am 5. März 1777 berichtete von den musikalischen Elementen innerhalb der Versammlung.[139]„Lodge opened in the Third Degree in an adjacent Room, Procession entered the Lodge Room, and the usual ceremonies being observed, the Three Rulers were seated. A piece of music was then performed, … Continue reading Das Programm des musikalischen Teils der Einweihungszeremonie einer Freemasons’ Hall am 23. Mai 1776 berichtete, welche musikalischen Stücke dargeboten wurden: Ältere freimaurerische Lieder wurden für diesen Zweck mit Stücken von John Abraham Fisher ergänzt. So folgte der Eingangsprozession zu March in D  eine Einführung, die mit dem Anthem in C, „To Heaven’s high Architect all praise“ zu der Melodie von „Rule Britannia“ beschlossen wurde. Nach dem Exordium des Großen Sekretärs stand die Ode an die Freimaurerei, „Wake the lute and quiv’ring strings“ auf dem Programm. Die eigentliche Einweihungs-Zeremonie mit „solemn music“ auf der Orgel wurde dreimal wiederholt. Während der Zeremonie mussten alle Nicht-Mitglieder wie auch die Frauen den Raum verlassen. Danach folgte Fishers Anthem in A, “Behold, how good and joyful” mit dem Text aus Psalm 133, dem Gebet des Großen Kaplans, Händels Krönungs-Anthem “Zadok the Priest” und Fishers Ode, “What solemn sounds on holy Sinai rung”, bevor die Festgesellschaft in einer Prozession auszog.[140]Vgl. McVeigh, Simon: Freemasonry and Musical Life in London in the Late Eighteenth Century. S. 83-84, sowie Anmerkungen im Anhang S. 95.

In den Logen gehörten Musiker, impresari und Musikhändler zu den größten Aktivisten.[141]Vgl. McVeigh, Simon: Freemasonry and Musical Life in London in the Late Eighteenth Century. S. 78-79. Ebenso werden Musiker mit Freimaurerei in Verbindung gebracht, deren Zugehörigkeit sich aber … Continue reading In vier Londoner Logen waren sie als Mitglied am häufigsten vertreten: in der Somerset House Lodge[142]Vgl. McVeigh, Simon: Freemasonry and Musical Life in London in the Late Eighteenth Century. S. 79., in der Lodge of Antiquity[143]Vgl. McVeigh, Simon: Freemasonry and Musical Life in London in the Late Eighteenth Century. S. 79-80. Vgl. zu “Lodge of Antiquity” auch: Rylands, W. H./Firebrace C. W.: Records of the Lodge … Continue reading, in der Lodge of the Nine Muses[144]Vgl. McVeigh, Simon: Freemasonry and Musical Life in London in the Late Eighteenth Century. S. 80-81. Vgl. zu “Lodge of the Nine Muses” auch: An Account of the Lodge of the Nine Muses No. 235 … Continue reading und in der Pilgrim Lodge[145]Vgl. McVeigh, Simon: Freemasonry and Musical Life in London in the Late Eighteenth Century. S. 81. Vgl. zu “Pilgrim” auch: O’Leary, N.: The History of Two Hundred Years of Pilgrim Lodge No. … Continue reading. Die Somerset House Lodge[146]Vgl. McVeigh, Simon: Freemasonry and Musical Life in London in the Late Eighteenth Century. S. 79. Vgl. zu “Somerset House Lodge” auch: Oxford, A. W.: No. 4. An Introduction to the History of the … Continue reading hatte die einflussreichsten Musiker unter sich. Der Impresario von Covent Garden, John Abraham Fisher, gehörte ihr schon 1768 an. Nachdem die Loge ab 1778 Musiker zu Ehrenmitgliedern oder serving brethren ernannte und diese dadurch weder eine Eintrittsgebühr noch einen monatlichen Betrag leisteten, gehörten zahlreiche Musiker, viele impresari und Musikhändler zu den Mitgliedern. Dadurch besaß die Loge eine große Anzahl an Musikdrucken.[147]Vgl. McVeigh, Simon: Freemasonry and Musical Life in London in the Late Eighteenth Century. S. 79.

Auch die Lodge of Antiquity[148]Vgl. McVeigh, Simon: Freemasonry and Musical Life in London in the Late Eighteenth Century. S. 79-80. Vgl. zu “Lodge of Antiquity” auch: Rylands, W. H./Firebrace C. W.: Records of the Lodge … Continue reading hatte namhafte Musiker wie zum Beispiel Samuel Wesley, Samuel Webbe und Benjamin Henry Latrobe. Und während die Lodge of the Nine Muses[149]Vgl. McVeigh, Simon: Freemasonry and Musical Life in London in the Late Eighteenth Century. S. 80-81. Vgl. zu “Lodge of the Nine Muses” auch: An Account of the Lodge of the Nine Muses No. 235 … Continue reading vor allem deutsche und italienische Musiker wie Luigi Borghi, Felice Giardini und auch Johann Christian Bach, Carl Friedrich Abel und Wilhelm Cramer zu ihren Mitgliedern zählten, waren in der einzigen deutschsprachigen Loge Londons, der Pilgrim Lodge[150]Vgl. McVeigh, Simon: Freemasonry and Musical Life in London in the Late Eighteenth Century. S. 81. Vgl. zu “Pilgrim” auch: O’Leary, N.: The History of Two Hundred Years of Pilgrim Lodge No. … Continue reading, nicht nur deutsche und österreichische Musiker, sondern auch andere Landsmänner im Stand eines Diplomaten, Stadthändlers oder Mitgliedes des königlichen Haushalts versammelt. Deutschsprachige Musiker in dieser Loge waren zum Beispiel Anton Kammell, Johann Peter Salomon und Christoph Papendiek.

Musik im kirchlichen Raum

Musik in den cathedrals und parish churches

Seit der Einführung des Anglikanismus wurde in den Kathedralen täglich ein Gottesdienst gefeiert.[151]Vgl. Long, Kenneth R.: The music of the English church. New York 1972. S. 39. Lieder wurden nicht nur von der Gemeinde, sondern auch von einem versierten, vierstimmigen cathedral choir gesungen. Der cathedral choir, bestehend aus vier bis sechzehn Knaben und den fünf bis zwölf erwachsenen Sängern, hatte seinen Platz im Chorgestühl der Chorraumes und zwar beidseitig sowohl an der Nordseite („cantoris“) und als auch an der Südseite („decani“).[152]Vgl. Krieg, Anglikanische Kirchenmusik. S. 23. Bis heute werden die Chorwerke meist doppelchörig komponiert, während Psalme in toto vom cathedral choirs vorgetragen werden.[153]Vgl. Long, Music of English Church. S. 39. Instrumentale Ensembles können ebenfalls mitwirken, in der Regel aber ist die Orgel das einzige gottesdienstliche Instrument und übernimmt auch die Begleitung des Chors.[154]Vgl. Krieg, Gustav A.: Einführung in die anglikanische Kirchenmusik. Köln 2007. Long, The music of the English church. S. 23; Temperley, Nicholas: Music in Church. In: Robert Fiske (Hg.): Music in … Continue reading Die zu vertonenden Teile des Morning Prayer sind 1) Venite (Ps 95), 2) Te Deum oder Benedicite sowie 3) Benedictus (Lk 1,68) oder Jubilate Deo (Ps 100).[155]Vgl. Krieg, Anglikanische Kirchenmusik. S. 31. Für einen ausführlichen Ablauf des Morning Service vgl. Krieg, Anglikanische Kirchenmusik. S. 19. Während des Communion Service[156]Für einen ausführlichen Ablauf des Communion Service vgl. Krieg, Anglikanische Kirchenmusik. S. 19-20. sind es die Responsorien zu den 10 Geboten, Credo, Sanctus und Gloria und im Evening Prayer[157]Für einen ausführlichen Ablauf des Evening Service vgl. Krieg, Anglikanische Kirchenmusik. S. 20. das Magnificat und Nunc dimittis.[158]Vgl. Krieg, Anglikanische Kirchenmusik. S. 31. Nachdem es seit dem 19. Jahrhundert den Morning Service nicht mehr täglich gab und die Chorbeteiligung während der Hauptmesse stark eingeschränkt wurde, wandten sich die Komponisten dem Evening Prayer zu.[159]Vgl. Ebd. S. 31. Eine vollständige Bibel, Credo, Vaterunser und die zehn Gebote sowie die Schriftlesung sollten in der Landessprache gehalten bzw. verfasst werden, vgl. Long, Music of English … Continue reading Das Book of Common Prayer gab die Ordnung des anglikanischen Gottesdienstes vor.[160]Vgl. Long, Music of English Church. S. 20; Krieg, Anglikanische Kirchenmusik. S. 15. Für weiterführende Informationen zum Book of Common Prayer siehe Long, Music of English Church. S. 22-25. Die Bedeutung der Kirchen als Arbeitgeber für Musiker verblasste während des 18. Jahrhunderts merklich.[161] Vgl. Wood, Romanticism and music culture in Britain 1770-1840. S. 67. Mitte des 18. Jahrhunderts setzten Männer wie John und Charles Wesley, John Berridge, George Whitefield, John Fletcher, Henry Venn, der Countess of Huntingdon als Evangelical Revival gegen Verweltlichung der Kirche und der Gesellschaft und setzten hierbei auf methodistisch-pietistische Methoden: persönliche Gespräche, Heil durch das Bibelstudium, strikte Selbstdisziplin und das geistliche Lied.[162]Vgl. Long, Music of English Church. S. 317-318; sowie Krieg, Anglikanische Kirchenmusik. S. 81-82. Diese neuen geistlichen Lieder charakterisierten Melodien in Tonschritten. So waren die Lieder für weniger Musikalische leichter vom Blatt zu singen, aber auch nicht zu monoton für versiertere Sänger.[163]Vgl. Rohr, The Caareers of British Muscicians. S. 9. Leider zogen viele Bischöfe ihrer liturgischen und seelsorgerischen Residenzpflicht ein Leben voller Luxus weltlichen Genüssen vor. Viele sahen die Kirchenmusik als Verschwendung ihres Geldes an und verkleinerten die Cathedral Choirs so stark, dass dieses kaum noch ihre Funktion erfüllen konnten. Am stärksten betroffen war der Chor von St. Paul’s, der von 42 Sängern auf sechs reduziert wurde. 1849 fasste Sebastian Wesley zusammen: “No cathedral in this country possesses, at this day, a musical force competent to embody and give effect to the evident intentions of the Church with regard to music.[164]Vgl. Long, Music of English Church. S. 317-322. Zit nach: Long, Music of English Church. S. 322.

In den ländlichen Gemeinden bestand die Kirchenmusik[165]Die Erforschung der provinziellen Kirchenmusik oder psalmody wird durch eine schlechte Überlieferungslage gehemmt. Auf Grund der dezentralisierten unstrukturierten Organisation gab es keine … Continue reading zum größten Teil aus einfachen unisono-Gesängen mit gut merkbaren Melodieverläufen ohne schwer singbare hohe und tiefe Töne.[166]Vgl. Long, Music of English Church. S. 37-38, 325; Krieg, Anglikanische Kirchenmusik. S. 23. In der Regel[167]Vgl. Long, Music of English Church. S. 325: Die Bräuche variierten. wurden Credo, Vater Unser und Glaubensbekenntnis gesprochen[168]Vgl. Ebd. S. 37. und die prose psalms, Lobgesänge und Responsorien metrisch rezitiert, da die Melodien im Book of Common Prayer rhythmisch zu anspruchsvoll waren. In den meisten Kirchen fehlte eine Orgel.[169]Vgl. Long, Music of English Church. S. 37, 325; Drage, A Reappraisal of Provincial Church Music. S. 173-183. Die meisten Gemeinden unterhielten einen Kirchenchor aus Laiensängern,[170]Vgl. Long, Music of English Church. S. 325. die in zeitgenössischen Berichten für ihre Unmusikalität gerügt wurden.[171]Vgl. Drage, Sally: A Reappraisal of Provincial Church Music. In: David Wyn Jones (Hg.): Music in Eighteenth Century Britain. Aldershot 2000. S. 174. Wie in den Städten erreichte auch die Gottesdienstpflege auf dem Land während des 18. Jahrhunderts ihren Tiefpunkt: Auch hier nahmen nur noch wenige Kleriker ihre kirchlichen Aufgaben wahr.[172]Vgl. Drage, A Reappraisal of Provincial Church Music. S. 173. Von Vetternwirtschaft, und dem “Zeitvertreib mit Jagen und Schießen” wird berichtet. Nur 40% hielten sonntags einen Gottesdienst in ihrer Gemeinde. So wurde in vielen Gemeinden die heilige Kommunion oft nur noch vierteljährlich ausgeteilt. Manche parish churches wurden so selten genutzt, dass sie zunehmend verschimmelten und baufällig wurden. Aber auch dort, wo sonntags weiterhin Gottesdienst gehalten wurde, wurde dieser als langweilig empfunden.[173]Vgl. Long, Music of English Church. S. 317. Doch um den Jahrhundertwechsel von 1800 erlebten manche Landgemeinden einen musikalischen Aufschwung: Es wurden Lieder, die der neuen, zeitgenössischen Kompositions- und Harmonielehre entsprachen, komponiert, kopiert und verbreitet.[174]Vgl. Caldwell, London. S. 44. Anthems[175]Der englische Begriff anthem wird hier benutzt um ihn von dem Terminus hymn/Hymnus abzugrenzen, da im Deutschen sowohl hymn als auch anthem gleichermaßen mit „Hymne“ übersetzt wird. Ein Anthem … Continue reading, Gottesdienst-Gesänge und Hymnen wurden mehr und mehr in den Verlauf der Gottesdienste in den ländlichen Gemeinden aufgenommen.[176]Vgl. Drage, A Reappraisal of Provincial Church Music. S. 172. Die Zahl der Kirchen mit einer Orgel stieg innerhalb des gesamten 18. Jahrhunderts von 30% auf 80%.[177]Vgl. Temperley, Music in Church. S. 380. Dennoch ermöglichte es erst das Church Building Act von 1818 den meisten provincial churches, sich ein Harmonium oder eine Pfeifenorgel anzuschaffen.[178]Vgl. Searle, London. Sp. 1458. Neben den von der Gemeinde gesungenen Liedern wurde auch das Repertoire von Kirchenchören modernisiert. Unterstützend wurden die Chöre seit Ende des 18. Jahrhunderts von umherreisenden Gesangslehrern für eine kurze Zeit geleitet und in den neuesten psalmodies unterrichtet. Das Repertoire wurde von den Gesangslehrern kopiert und untereinander ausgetauscht.[179]Vgl. Drage, Sally: A Reappraisal of Provincial Church Music. S. 176. Da es aber weiterhin keine dauerhaften Chorleiter und ausgebildete Organisten gab, änderte sich für einen Großteil der parish churches bis zum Ende des 19. Jahrhunderts kaum etwas.[180]Vgl. Long, Music of English Church. S. 326.

Embassy chapels

Bis 1791 war die öffentliche Gottesverehrung für Katholiken gesetzlich verboten.[181]Vgl. Temperley, Music in Church. S. 357; Olleson, Philip: The London Roman Catholic Embassy Chapels and their Music in the Eighteenth Centuries. S. 101. Die embassy chapels, die Kapellen jener Botschaften aus katholisch geprägten Ländern waren lange Zeit die einzigen Orte in London, wo eine katholische Messe gefeiert wurde. Hier, im geschützten Raum eines Botschaftsgeländes, konnte der katholische Glaube ohne Furcht vor Verfolgung ausgeübt werden. Diese Kirchen waren daher nicht nur für die Botschaftsangehörigen offen, sondern für alle Bürger Londons bzw. Englands. Erst durch die Catholic Relief Acts von 1778 und 1791 wurden die meisten der Strafgesetze gegen Katholiken widerrufen und die letzten verbleibenden Verbote schließlich 1829 durch das Catholic Emancipation Act aufgehoben, womit die embassy chapels ihre einzigartige Stellung mit der Zeit verloren. Nachdem es wieder öffentliche katholische Kirchen gab wurden sie zu “anachronistischen Relikten” der vergangenen Zeit. Die drei größten embassy chapels waren in den Botschaften von Portugal, seit 1747 in 74, South Audley Street, von Bayern, seit 1788 in der Warwick Street, und von Sardinien in der Duke Street (heute: Sardinian Street), Lincoln’s Inn Field.[182]Vgl. Olleson, Philip: The London Roman Catholic Embassy Chapels and their Music in the Eighteenth Centuries. In: David Wyn Jones (Hg.): Music in Eighteenth Century Britain. Aldershot 2000. S S. … Continue reading Anhaltspunkte für das musikalische Repertoire der embassy chapels erhalten wir beispielsweise von Carl Barbandt, der zeitweise Organist an der bayrischen embassy chapel war. Über seine Sammlung „Sacred Hymns, Anthems[183]Zu Anthems vgl. Temperley, Music in Church. S. 363-377., and Versicles“ von 1766 schrieb Vincent Novello knapp 60 Jahre später in einer anonymen Rezension im „Quartely Musical Magazine und Review“, sie wäre „the first attempt to introduce a deviation“ von der Gregorianik“.[184]Zit. nach: Olleson, The London Roman Catholic Embassy Chapels. S. 107. Vgl. Novello, Vincent: The Evening“ Service. In: Quartely Musical Magazine und Review (1823). S. 205. Zuvor wurden in den embassy chapels nur gregorianische Choräle gesungen. Barbandts neue Kompositionen war die erste Abweichung von dieser Norm.[185]Vgl. Searle, London. S. 1459. Seine Sammlung besteht aus zwei Teilen: Der erste Teil enthält  einfache, unkomplizierte Kompositionen für das Hochamt aller wichtigen Feste des Kirchenjahres und weiterhin neuvertont Domine salvum fac als Gebet für den König, Tantum ergo und Dies irae. Der zweite Teil besteht aus 55 Hymnen für Vesper und Komplet. Der Laienmusiker William Mawhood war in allen der drei vorgenannten embassy chapels in London als Organist und Chorsänger tätig war.[186]Vgl. Olleson, The London Roman Catholic Embassy Chapels. S. 108. Seine Tagebuchaufzeichnungen von Februar 1767 bis September 1790[187]Die Tagebücher von Mawhood sind teilweise abgedruckt und behandelt in: Reynolds, E. E. (Hg.): The Mawhood Diary. Selections from the Diary Note-Books of Publications. 50 Bände. London 1956. bieten detaillierteste Vorstellungen des musikalischen Repertoires über Datum, Ort und Liturgie dieser drei Kapellen.[188]Vgl. Olleson, The London Roman Catholic Embassy Chapels. S. 108-109. Mawhood erwähnte beispielsweise in den 1760er und den 1770ern zwei Messen von Samuel Webbe sen., zwei Messen von Thomas Augustine … Continue reading An der bayrischen Kapelle war spätestens ab Mitte der 1760er Samuel Webbe sen., Barbandts Assistent, die wichtigste Person der katholischen Kirchenmusik in England. Im Oktober 1775 beerbte er George Paxton als Organist der sardischen Kapelle und wirkte 1776 bis spätestens 1797 oder 1798 als Organist an der portugiesischen Kapelle, war aber weiterhin auch in der bayrischen Kapelle tätig. Damit besaß er in den drei wichtigsten embassy chapels jener Zeit die Kontrolle über die musikalische Organisation.[189]Vgl. Olleson, The London Roman Catholic Embassy Chapels. S. 111. Von der Nachfolge Paxtons berichtet Mawhood am 26. Oktober 1775 in seinem Tagebuch. Ein Rezensent schrieb in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im „Quartely Musical Magazine und Review“ zu Webbes Messen, sie hätten universellen Charakter erreicht und bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts ihre Beliebtheit nicht verloren. In der sardischen Kapelle gab Webbe freitags kostenlosen Unterricht in Kirchenmusik. Unter seinen Schülern befanden sich auch Samuel Wesley und Vincent Novello, die später in den embassy chapels einen ähnlich großen Einfluss hatte wie er. Samuel Wesley schrieb hauptsächlich Motetten, Kirchenlieder und Psalmodien und arbeitete spätestens seit September 1778 an den embassy chapels. Vincent Novello fertigte seit November 1780 Kompositionen für den römischen Liturgieritus an und sang im Chor der sardischen und portugiesischen Kapelle. Dort kam er mit Webbe sen. in Kontakt und freundete sich mit seinem Sohn, Samuel Webbe jun., an. Kurze Zeit später wurde er Assistent des Organisten der sardischen Kapelle. Auch seine Kompositionen (u.a. A Collection of Sacred Music, 1811 und 1825) wurden Hauptbestandteil der Liturgie der embassy chapels. Sowohl Novello als auch Wesley wirkten während der Blütezeit der katholischen Kirchenmusik in England zwischen dem zweiten Catholic Relief Act 1791 und der Schließung der portugiesischen embassy chapel 1824. Wesley komponierte in dieser Zeit sein beliebtestes Werk „In exitu Israel“ (1810)[190] Vgl. Olleson,: The London Roman Catholic Embassy Chapels. S. 109-114. und Novello veröffentlichte mit seiner zweibändigen „A Collection of Sacred Music as performed at the Royal Portugese Chapel in London“ (1811) den Beweis für sein Kompositionsschaffen in der portugiesischen Kapelle.[191]Vgl. Olleson, The London Roman Catholic Embassy Chapels. S. 114. Zitat ohne bibliographischen Hinweis. Zugunsten der variety finden sich in dieser Samlung auch Arragements von Werken anderer … Continue reading Auch der rege Briefwechsel zwischen Mai 1811 und Dezember 1825 zwischen Novello und Wesley enthält viele Informationen über das Musikleben und Repertoire der embassy chapels im beginnenden 19. Jahrhundert: über Musik, die aufgeführt werden soll, Berichte über Folgen des Gottesdienstes, die Wesley während Novellos Abwesenheit durchführte, Wesleys Kommentare über die Kapläne und andere Dinge, die die Kapellen betrafen.[192]Vgl. Olleson, The London Roman Catholic Embassy Chapels. S. 115. Für eine Edition des Briefwechsels siehe Olleson, Philip (Hg.): The Letters of Samuel Wesley. Professional and Social Correspondance … Continue reading Bemerkenswert ist, dass sich während dieser Blütezeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts die embassy chapels auch im anglikanischen Umfeld als Ort für vorzügliche Musikdarbietungen etablierten. So war die bayrische embassy chapels als “the shilling opera” bekannt, da Sänger von King’s Theatre hier als Solisten im Gottesdienst auftraten.[193]Vgl. Olleson, The London Roman Catholic Embassy Chapels. S. 117. Novellos älteste Tochter Mary schrieb in ihrer Biographie über ihren Vater: „It became a fashion to hear the service at the Portuguese chapel; and South Street, on a Sunday, was thronged with carriages waiting outside, while their owners crowded to suffocation the small, taper-lighted space within”.[194]Zit. nach: Olleson, The London Roman Catholic Embassy Chapels. S. 117. Vgl. Clarke: The Life and Labours of Vincent Novello. S. 4.

Schluss

Das englische Musikwesen im Georgian Age war in allen Bereichen vom Wandel der Zeit begriffen. Die von den Werken Händels und der opera seria begeisterte Oberschicht bekam ihren Wunsch nach variety und novelty gestillt, indem bereits bekannte und beliebte Musikwerke durch ihren Inhalt verändert wurden und selten noch dem Originalwerk entsprachen. Der Opernbesuch stillte zudem ihr Begehren nach Darstellung und Sich-in-Szene-setzen. Über viele Jahre hinweg bildete die Oper eine beinahe familiäre Vertrautheit, bis mehrere Faktoren diese im Verlauf weniger Jahrzehnte auflösten. Die auflösenden Faktoren bedingten sich einander: Nach der Vergrößerung des Auditoriums der Londoner Opernhäuser frequentierten auch kontinuierlich mehr Personen aus der middle class als Zuschauer zu Opernveranstaltungen. Sie waren durch die industrielle Revolution reich an Geld und Einfluss geworden und konnten sich oftmals auch für eine ganze Saison an Operndarbietungen einschreiben, subskribieren. Oder ein Mäzen spendierte ihnen einen Sitzplatz in der Loge, der vormals im Besitz eines Adeligen war. Die reichen Kapitalbesitzer besaßen oftmals mehr als ein verarmter Adeliger. Für die bisherigen Zuschauer der Oberschicht schwand mit der Vergrößerung des Zuschauerraumes und den vielen neuen Personen das bisherige Erlebnis des Opernbesuches: Man kannte immer weniger der Personen und konnte auch nicht mehr alle sehen. Darüber hinaus konnten sie sich mit der neuen Art von Oper, der opera buffa, nicht identifizieren – im Gegenteil zu den middle classes.

Jener Teil dieser middle classes, der reich an Bildung war und sich für Kunst interessierte, fand man selten unter den Opernbesucher. Sie spielten vielmehr Opern am heimischen Klavier und anderen Musikinstrumenten nach und knüpften Verbindungen zu Gleichgesinnten. Über diese Verbindungen war ein Opernbesuch möglich, jedoch nicht häufig. Doch oftmals gewann die Familie an Ansehen und Einfluss durch eine gute musikalische Ausbildung ihrer Töchter und damit ihre Verbindungen zur Oberschicht entwickelte.

Eine eigene Form der musikalischen, in sich eher geschlossenen Gruppen waren glee clubs und Freimaurerlogen.

Die Kirchenmusik ab dem endenden 18. Jahrhundert wurde im städtischen und ländlichen Bereich einer Reform unterzogen: Neu komponierte, leicht erlern- und singbare Lieder sollten der vorangeschrittenen Verweltlichung der anglikanischen Kirche entgegenwirken. Viele Geistliche kamen ihrer seelsorgerischen Pflicht nicht mehr nach und verweilten auf ihren Pfründen, anstatt Gottesdienst zu feiern. Ausgaben für neue Musik oder einen Chor waren für sie Verschwendung. Unter diesem Betragen litt nicht nur die Kirchenmusik, sondern auch der Gottesdienstbesuch im aAllgemeinen. Durch die Reformen sollte der Gottesdienst und insbesondere die Kirchenmusik wieder aufgewertet werden.

Die katholischen embassy chapels waren bis zum Catholic Relief Act ein abgeschlossener Bereich.

Nach Aufhebung dieses Gesetzes wurden namhafte englische Komponisten als Organisten angestellt, die für diese Anstellung oftmals konvertierten. Sie komponierten für den Gottesdienst neue, dem zeitgenössischen Stil entsprechende Werke, die die bisherigen Gottesdienstmelodien zu einem größeren Teil ersetzten. Parallel zum Niedergang der anglikanischen Kirchenmusik wurde die reiche musikalische Entwicklung des Gottesdienstes der embassy chapels vermehrt auch von Anglikanern wahrgenommen.

Das blühende englische Musikwesen gab in den Veränderungen der öffentlichen Musikveranstaltungen wie ein Spiegel wider, wie sich die gesellschaftliche Zusammensetzung und die Bedeutung gesellschaftlicher Schichten änderte: Die Oberschicht verlor zum Teil ihren Einfluss und Ansehen zu Gunsten der aufstrebenden middle classes.

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  • Hurd, Michael: Glees, Madrigals, and Partsongs. In: Nicholas Temperley/Charles G. Manns (Hgg.): The Romantic Age. The Blackwell History of Music in Britain. Band 5. Oxford 1988. S. 242-265.
  • Jungmann, Irmgard: Sozialgeschichte der klassischen Musik. Bildungsbürgerliche Musikanschauung im 19. und 20. Jahrhundert. Stuttgart 2008.
  • Kendall, Alan: Gioacchino Rossini. The Relunctant Hero. London 1992.
  • Krieg, Gustav A.: Einführung in die anglikanische Kirchenmusik. Köln 2007. Long, Kenneth R.: The music of the English church. New York 1972.
  • Long, Kenneth R.: The music of the English church. New York 1972.
  • McVeigh, Simon: Freemasonry and Musical Life in London in the Late Eighteenth Century. In: David Wyn Jones (Hg.): Music in Eighteenth Century Britain. Aldershot 2000. 72-100.
  • Mohn, Barbara: Das englische Oratorium im 19. Jahrhundert. Quellen, Traditionen, Paderborn (.a.) 2000 (= Beiträge zur Kirchenmusik 9).
  • Nicoll, Allardyce: A history of early eighteenth century drama 1700-1750. Cambridge 1925.
  • Olleson, Philip (Hg.): The Letters of Samuel Wesley. Professional and Social Correspondance 1797-1837. Oxford 2001.
  • Olleson, Philip: The London Roman Catholic Embassy Chapels and their Music in the Eighteenth Centuries. In: David Wyn Jones (Hg.): Music in Eighteenth Century Britain. Aldershot 2000. 101-118.
  • Perkin, Harold: The Origins of Modern English Society 1780-1880. London 1969.
  • Petrat, Nicolai: Hausmusik des Biedermeier im Blickpunkt der zeitgenössischen musikalischen Fachpresse (1815-1848). Hamburg 1986. (=Hamburger Beiträge zur Musikwissenschaft 31)
  • Philip, Robert: London. In: Stanley Sadie (Hg.): New Grove Dictionary of Music and Musicians. Band 15. London ²2001. S. 91-167.
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  • Weber, William: Did People Listen in the 18th Century? In: Early Music 25 (1997). S. 678-681.
  • Willaert, Saskia: Italian Opera at the King’s Theatre in the 1760. The Role of the Buffi. In: David Wyn Jones (Hg.): Music in Eighteenth Century Britain. Aldershot 2000. 17-35.
  • Wood, Gillen D’Arcy: Romanticism and music culture in Britain 1770-1840. Virtue and virtuosity. New York 2010.
  • Woodfield, Ian: Opera and drama in eighteenth-century London. The King’s Theatre, Garrick and the business of performance. Cambridge 2001. (= Cambrige studies in opera)
  • Zöllner, Eva: English Oratorio after Handel. The London Oratorio Series and its Repertory 1760 – 1800. Marburg 2002.

Fußnoten

Fußnoten
1 Vgl. Zum blühenden Londoner Konzertleben vor allem: 1) Philip, Robert: London. In: Stanley Sadie (Hg.): New Grove Dictionary of Music and Musicians. Band 15. London ²2001. 2) Holman, Peter: Eighteenth-Century English Music. Past, Present, Future. In: David Wyn Jones (Hg.): Music in Eighteenth Century Britain. Aldershot 2000. 3) Fiske, Roger: Concert Music II [in 1760 – 1800]. In: Henry D. Johnstone/Robert Fiske (Hgg.): The Eighteenth Century. The Blackwell History of Music in Britain. Band 4. Oxford 1990.
2 Zum Wandel der englischen Gesellschaft im 18. und 19. Jahrhundert vgl. Perkin, Harold: The Origins of Modern English Society 1780-1880. London 1969.
3 Vgl. Blom, Eric: Musik in England. Hamburg [1948]. S. 208.
4 Vgl. Ebd S. 234.
5 Vgl. Ebd. S. 208.
6 Vgl. Range, Matthias: William Boyce’ Anthem for the Wedding of King George III. In: Musical Times 147 (2006). S. 59-62, insbesondere S. 60.
7 Vgl. Blom, Musik in England. S. 230.
8 Vgl. Ebd. S. 230.
9 Vgl. Ebd. S. 256.
10 Vgl. Ebd. S. 234.
11 Vgl. Searle, London. Sp. 1467.
12 Vgl. Holman, Eighteenth-Century English Music. S. 4.
13 Vgl. Carr, Bruce: Theatre Music: 1800-1834. In: Nicholas Temperley/Charles G. Manns (Hgg.): The Romantic Age. The Blackwell History of Music in Britain. Band 5. Oxford 1988. S. 288.
14 Vgl. Carr, Theatre Music. S. 288.
15 Vgl. Fiske, Roger: English Theatre Music in the Eighteenth Century. London 1973. S. 259. Dazu gehörten Ballette, Pantomime, Sage, Zauberei o. ä.
16 Vgl. Carr, Theatre Music. S. 289.
17 Vgl. Searle, London. Sp.1461; Caldwell, England. S. 48.
18 Vgl. Carr, Theatre Music. S. 289; Faulstich, Werner: Die bürgerliche Mediengesellschaft (1700-1830). Göttingen 2002 (= Geschichte der Medien). S. 253-254.
19 Vgl. Caldwell, England. Sp. 50; Hall-Witt, Fashionable Acts. S. 17.
20 Vgl. Faulstich, Bürgerliche Mediengesellschaft. S. 254.
21 Vgl. Carr, Theatre Music. S. 289; Fiske, English Theatre. S. 256.
22, 71 Vgl. Fiske, English Theatre. S. 256.
23 Vgl. Ebd. S. 259.
24 Vgl. Wood, Gillen D’Arcy: Romanticism and music culture in Britain 1770-1840. Virtue and virtuosity. New York 2010. S. 56.
25 Zum patronage-System in der englischen Gesellschaft vgl. Perkin, The Origins of Modern English Society. S. 32-46.
26 Vgl. Wood, Romanticism and music culture in Britain 1770-1840. S. 57.
27 Vgl. Wood, Romanticism and music culture in Britain 1770-1840. S. 56; Rohr, Deborah: The Caareers of British Musicians. A Profession of Artisans. Cambridge 2001. S. 37; Fiske, Roger: Music in Society. In: Henry D. Johnstone/Robert Fiske (Hgg.): The Eighteenth Century. The Blackwell History of Music in Britain. Band 4. Oxford 1990. S. 10.
28 Zit. nach: Wood, Romanticism and music culture in Britain 1770-1840. S. 56.
29 Gründungsmitglieder waren Georg Friedrich Händel, Friedrich Wiedemann und Michael Festing.
30 Zu den großen Unterschieden der Bezahlung vgl. Blom, Musik in England. Hamburg. S. 194; Wood, Romanticism and music culture in Britain. S. 130; Hall-Witt, Jennifer: Fashionable Acts. Opera and Elite Culture in London 1780-1880. Durham 2007. S. 40; Woodfield, Ian: Opera and drama in eighteenth-century London. The King’s Theatre, Garrick and the business of performance. Cambridge 2001. (= Cambrige studies in opera) S. 199, 207. Die Hauptdarsteller der opera seria verdienten dabei teilweise doppelt so viel wie opera buffa-Hauptdarsteller.
31 Vgl. Woodfield, Opera and drama , S. 207; Hall-Witt, Fashionable Acts, S. 40; Fiske, English Theatre. S. 261.
32 Beginnend am Freitag nach Aschermittwoch.
33 Vgl. Zöllner, Eva: English Oratorio after Handel. The London Oratorio Series and its Repertory 1760 – 1800. Marburg 2002. S. 7, 19, 21; Mohn, Barbara: Das englische Oratorium im 19. Jahrhundert. Quellen, Traditionen, Entwicklungen. Paderborn (.a.) 2000 (= Beiträge zur Kirchenmusik 9).S. 19-21, 23; Fiske, Concert Music II. S. 211. Für den Erlass siehe Nicoll, Allardyce: A history of early eighteenth century drama 1700-1750. Cambridge 1925.S. 19.
34 Vgl. Mohn, Das englische Oratorium. S. 23.
35 Vgl. Zöllner, English Oratorio after Handel. S. 29.
36 Der impresario wiederum kümmerte sich im 18. Jahrhundert um die Verpflichtung der Musiker, war aber auch für die Wirtschaftlichkeit des Gebäudes und des Spielbetriebs verantwortlich.
37 Vgl. Zöllner, English Oratorio after Handel. S. 20.
38 Vgl. Ebd. S. 44.
39 Vgl. Ebd. S. 31, 48, 55.
40 Vgl. Ebd. S. 17, 46.
41 Vgl. Ebd. S. 47.
42 Vgl. Ebd. S. 17.
43 1 guinea entsprach 10s 6d.
44 Vgl. Zöllner, English Oratorio after Handel. S. 43-44, 55.
45 Vgl. Ebd. S. 48, 59, 61-64.
46 Vgl. Ebd. S. 56-58.
47 Vgl. Ebd. S 59, 64-65.
48 Vgl. Ebd. S. 59.
49 Vgl. Ebd. S. 65.
50 Vgl. Holman, Eighteenth-Century English Music. S. 6; Zöllner, English Oratorio after Handel. S. IX [Preface]; Wood. Romanticism and music culture in Britain 1770-1840, S. 22, 24, 30.
51 Vgl. Mohn, Das englische Oratorium. S. 20; Zöllner, English Oratorio after Handel. S. 4-5, 8, 31, 66. Neben Gesangssolisten traten auch Instrumentalsolisten auf. Typische Solo-Instrumente waren Orgel, Violine, Oboe, Querflöte, Cello, Horn, Fagott und Klarinette.
52 Vgl. Mohn, Das englische Oratorium, S. 31-43.
53 Vgl. Mohn, Das englische Oratorium. S. 20.
54 Um nicht wiederholend den Terminus „Opern und Oratorien“ zu verwenden, wird nachfolgend nur von der Oper geschrieben, jedoch immer auch die Oratorienaufführung gleichsam gemeint.
55 Vgl. Hall-Witt, Fashionable Acts. S. 3.
56 Vgl. Ebd. S. 266.
57 Vgl. Ebd. S. 4, 18, 265.
58 Vgl. Ebd. S. 24.
59 Vgl. Ebd. S. 18.
60 Vgl. Ebd. S. 266-267.
61 Vgl. Hall-Witt, Fashionable Acts, S. 266, 268.
62 Zit nach: Hall-Witt, Fashionable Acts. S. 23. Aufschlussreich für das Verständnis des Verhaltens dieses “event-orientierten” Publikums ist auch: Weber, William: Did People Listen in the 18th Century? In: Early Music 25 (1997). S. 678-681.
63 Vgl. Hall-Witt, Fashionable Acts. S. 24.
64 Vgl. Ebd. S. 40-43 Fiske, Music in Society. S. 14.
65 Vgl. Fiske, English Theatre. S. 258.
66 Vgl. Hall-Witt, Fashionable Acts. S. 23.
67 Vgl. Ebd. S. 10, 35-39; Willaert, Italian Opera at the King’s Theatre, S. 21-28.
68 Vgl. Hall-Witt, Fashionable Acts, S. 40.
69 Vgl. Ebd. S. 34.
70 Vgl. Ebd. S. 5.
72 Vgl. Hall-Witt, Fashionable Acts. S. 17-18.
73 Vgl. Ebd. S. 4; Fiske, Music in Society. S. 14; Fiske, English Theatre. S. 256.
74 Vgl. Fiske, English Theatre. S. 257; Fiske, Music in Society. S. 14; Hall-Witt, Fashionable Acts. S. 4.
75 Vgl. Hall-Witt, Fashionable Acts. S. 4.
76, 78 Vgl. Ebd. S. 57.
77 Vgl. Ebd. S. 60.
79 Vgl. Ebd. S. 155.
80, 89 Vgl. Ebd. S. 267.
81 Vgl. Hall-Witt, Fashionable Acts, S. 116, 130, 267.
82 Vgl. Ebd. S. 271.
83 Vgl. Ebd. S. 7.
84 Vgl. Ebd. S. 148-155.
85 Der zerstörerischste riot mit einem Schaden von £ 2.000 ereignete sich am 3. Februar 1762 in Covent Garden allerdings nicht wegen einer Preiserhöhung, sondern weil es nach drittem Akt nicht den üblichen Preisnachlass um 50% gab. Nach dem Hauptstück oder vor dem letzten Akt des Hauptstückes gab es eine Pause, in der manche Zuschauer das Theater verlassen konnten, andere es für die Hälfte des Preises betreten durften. Vgl. hierzu: The Gentleman’s Magazine: The Restauration and the Eighteenth Century. Topics. A Day in Eighteenth-Century London. Texts and Contexts. Evening: Playhouses. Dieser riot ist auch in anderer Literatur kurz behandelt: Carr, Theatre Music. S. 289; Fiske, English Theatre. S. 256-257; aer, Marc: Theatre and disorder in late Georgian London. Oxford 1992. S. 18-23, 238.
86 Vgl. Hall-Witt, Fashionable Acts, S. 271.
87 Vgl. Ebd. S. 116.
88 Vgl. Ebd. S. 25-26.
90 Vgl. Ebd. S. 3, 145, 155.
91 Vgl. Hall-Witt, Fashionable Acts. S. 5
92 Vgl. Willaert, Saskia: Italian Opera at the King’s Theatre in the 1760. The Role of the Buffi. In: David Wyn Jones (Hg.): Music in Eighteenth Century Britain. Aldershot 2000. S. 17-20; Haskins, Robert: Theatre Music II [in 1760 – 1800]. In: Henry D. Johnstone/Robert Fiske (Hgg.): The Eighteenth Century. The Blackwell History of Music in Britain. Band 4. Oxford 1990. S. 263.
93 Vgl. Willaert, Italian Opera at the King’s Theatre in the 1760. S. 30-33.
94 Die Musikstücke waren entweder vom Kontinent importiert oder vom Hauskomponisten für dieses Theaterhaus komponiert worden.
95 Vgl. Willaert, Italian Opera at the King’s Theatre in the 1760. S. 21-23; Hall-Witt, Fashionable Acts, S. 38.
96 Vgl. Willaert, Italian Opera at the King’s Theatre in the 1760. S. 25.
97 Vgl. Hall-Witt, Fashionable Acts, S. 45.
98 Vgl. Wood. Romanticism and music culture in Britain 1770-1840, S. 16; Sadie, Stanley: Music in the Home II [in 1760 – 1800]. In: Henry D. Johnstone/Robert Fiske (Hgg.): The Eighteenth Century. The Blackwell History of Music in Britain. Band 4. Oxford 1990. S. 313-314; Blom, Eric: Musik in England. S. 246-247.
99 Vgl. Caldwell, London. S. 35; Faulstich, Bürgerliche Mediengesellschaft. S. 294-298.
100 Vgl. Faulstich, Bürgerliche Mediengesellschaft. S. 299.
101 Vgl. Sadie, Music in the Home II. S. 314.
102 New Musical Magazine, 1783-[unbekannt], von James Harrison.
103 Pianoforte Magazine, 1799-1802, von James Harrison, Cluse & Co.
104 Vgl. Faulstich, Bürgerliche Mediengesellschaft. S. 296-299.
105 Vgl. Sadie, Music in the Home II. S. 323-351.
106 Vgl. Wood, Romanticism and music culture in Britain 1770-1840.S. 4; Searle, London. S. 1473.
107 Vgl. Wood, Romanticism and music culture in Britain 1770-1840. S. 53.
108 Vgl. Sadie, Music in the Home II. S. 336, 340, 343.
109 Vgl. Fiske, Music in Society. S. 4.
110 Vgl. Ebd. S. 8-9; Sadie, Music in the Home II. S. 324-327.
111 Vgl. Wood. Romanticism and music culture in Britain 1770-1840, S. 162-163.
112 Vgl. Petrat, Nicolai: Hausmusik des Biedermeier im Blickpunkt der zeitgenössischen musikalischen Fachpresse (1815-1848). Hamburg 1986. (=Hamburger Beiträge zur Musikwissenschaft 31) S. 99; Fiske, Music in Society. S. 5.
113 Vgl. Wood, Romanticism and music culture in Britain 1770-1840. S. 17, 155-159; Hall-Witt, Fashionable Acts, S. 44; Petrat, Hausmusik des Biedermeier, S. 98-99.
114 Vgl. Hall-Witt, Fashionable Acts, S. 44. Zit. nach: Kendall, Alan: Gioacchino Rossini. The Relunctant Hero. London 1992. S. 124.
115 Vgl. Wood. Romanticism and music culture in Britain 1770-1840, S. 166.
116 Vgl. Wood, Romanticism and music culture in Britain 1770-1840. S. 65., 155, 160-162 Siehe zur Bezeichnung der jungen Frauen als Automaten auch das Kapitel 5 dieses Sammelband, den Aufsatz „Austen’s accomplishment” im gleichen Sammelband von Wood, S. 151-179.
117 Vgl. Wood. Romanticism and music culture in Britain 1770-1840, S. 153-154.
118 Vgl. Wood. Romanticism and music culture in Britain 1770-1840, S. 153-157.
119 Vgl. Reimer, Erich: Hausmusik. In: Handwörterbuch der musikalischen Terminologie, 5. Auslieferung). Mainz 1977; Eibach, Joachim: Die Schubertiade. Bürgerlichkeit, Hausmusik und das öffentliche im Privaten, 2008. In: Themenportal Europäische Geschichte. (Letzter Zugriff: 29.07.2021).
120 Vgl. S. Habermas, Jürgen: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Frankfurt am Main 1990. S. 44-45; Schwindt, Nicole: Kammermusik. In: Ludwig Finscher (Hg.): Musik in Geschichte und Gegenwart 2S, Bd. 4. Sp. 1641.
121 Vgl. zu den adeligen und bürgerlichen Salons auch: Wood. Romanticism and music culture in Britain 1770-1840, S. 155-157; Petrat, Hausmusik des Biedermeier, S. 238-249.
122 Vgl. Wood. Romanticism and music culture in Britain 1770-1840. S. 152-166; Budde, Gunilla: Blütezeit des Bürgertums. Bürgerlichkeit im 19. Jahrhundert. Darmstadt 2009. S. 62.
123 Vgl. Wood, Romanticism and music culture in Britain 1770-1840. S. 179. Zit. nach: Pichot, Amédée: Historical and Literary Tour of a Foreigner in England and Scotland. 2. Bände. London 1825. Band I, S. 188.
124 Vgl. Wood, Romanticism and music culture in Britain 1770-1840.  S. 201. Zit. nach: Reeve, Henry (Hg.): The Grenville Memoirs (Second part). A Journal of the Reign of Queen Victoria from 1837 to 1852 by the late Charles C. F. Grenville. 3 Bände. London 1885. Band I, S. 167-168.
125 Vgl. Hall-Witt, Fashionable Acts. S. 6-7.
126 Vgl. Ebd. Fashionable Acts, S. 42, 54-55, 227. Dieser Grund wird von James Johnson jedoch abgelehnt.; siehe Hall-Witt, Fashionable Acts. S. 7.
127 Vgl. Ebd, S. 227.
128 Vgl. Dahlhaus, Carl: Brahms und die Idee der Kammermusik. In: Neue Zeitschrift für Musik. Mainz 1973. S. 563.
129 Vgl. Jungmann, Irmgard: Sozialgeschichte der klassischen Musik. Bildungsbürgerliche Musikanschauung im 19. und 20. Jahrhundert. Stuttgart 2008. S. 24.
130 Vgl. besonders: Robins, Brian: The catch club in 18th-century England. In: Early Music 4 (2000). S. 517-529.
131 Vgl. Hurd, Michael: Glees, Madrigals, and Partsongs. In: Nicholas Temperley/Charles G. Manns (Hgg.): The Romantic Age. The Blackwell History of Music in Britain. Band 5. Oxford 1988. S. 243-246. Vgl. Langford, Englishness identified. Laut dessen Inhaltsverzeichnis gehören zu Englishness: energy (= industry, locomotion, physicality, melancholy, Gravity, Order, Practicality), candor (= plainness, openness, separateness, domesticity, honesty, humbug), decency (= barbarity, fair play, property, modesty), taciturnity (= silence, conversation, oratory, clubbability).
132, 134 Vgl. Hurd, Glees, Madrigals, and Partsons. S. 242.
133 Vgl. Blom, Musik in England. S. 210-211.
135 Vgl. Blom, Musik in England. S. 234.
136 Vgl. Hurd, Glees, Madrigals, and Partsons. S. 245-247.
137 Vgl. McVeigh, Simon: Freemasonry and Musical Life in London in the Late Eighteenth Century. In: David Wyn Jones (Hg.): Music in Eighteenth Century Britain. Aldershot 2000. S. 72-77. Liedtext: „Let faithful Masons’ healths go round, / in swelling [anschwellenden] cups all cares be drown’d [ertrunken], / And hearts united ‚mongst the Craft [Handwerk] be found / (…) My brethren, thus all cares resign [aufgeben], / Let your hearts glow [glüht] with thoughts divine, / And veneration [Bewunderung] show to Solomon’s shrine.“.
138 Vgl. McVeigh, Simon: Freemasonry and Musical Life in London in the Late Eighteenth Century. S. 75-77.
139 „Lodge opened in the Third Degree in an adjacent Room, Procession entered the Lodge Room, and the usual ceremonies being observed, the Three Rulers were seated. A piece of music was then performed, and the 12 Assistants entered in procession and after repairing to their stations the Chapter was opened in solemn form. Brother Barker then rehearsed the Second Section. A piece of music was then performed by the instruments. Brother Preston then rehearsed the third Section. An Ode on Masonry was then sung by three voices. Brother Hill rehearsed the 4th Section, after which a piece of solemn music was performed. Bror. Brearley rehearsed the 5th Section, and the funeral procession was formed during which a solemn dirge was played and this ceremony concluded with a Grand Chorus. Bror. Berkley rehearsed the 6th Section, after which an anthem was sung. Bror. Preston then rehearsed the 7th Section, after which a song in honour of Masonry, accompanied by the instruments was sung. The Chapter was then closed with the usual solemnity, and the Rulers and twelve Assistants made the procession round the Lodge, and then withdrew to an adjacent Room, where the Master’s Lodge was closed in due form.“, zit. nach McVeigh, Simon: Freemasonry and Musical Life in London in the Late Eighteenth Century. S. 82.
140 Vgl. McVeigh, Simon: Freemasonry and Musical Life in London in the Late Eighteenth Century. S. 83-84, sowie Anmerkungen im Anhang S. 95.
141 Vgl. McVeigh, Simon: Freemasonry and Musical Life in London in the Late Eighteenth Century. S. 78-79. Ebenso werden Musiker mit Freimaurerei in Verbindung gebracht, deren Zugehörigkeit sich aber nicht beweisen oder aber widerlegen lässt. Oft resultieren diese Gerüchte durch in Oper oder Oratorium verarbeitete Elemente, die dem Gedankengut der Freimaurer nahe stehen.
142, 147 Vgl. McVeigh, Simon: Freemasonry and Musical Life in London in the Late Eighteenth Century. S. 79.
143 Vgl. McVeigh, Simon: Freemasonry and Musical Life in London in the Late Eighteenth Century. S. 79-80. Vgl. zu “Lodge of Antiquity” auch: Rylands, W. H./Firebrace C. W.: Records of the Lodge Original No. 1 Now the Lodge of Antiquity, No. 2. London 1911-26.
144 Vgl. McVeigh, Simon: Freemasonry and Musical Life in London in the Late Eighteenth Century. S. 80-81. Vgl. zu “Lodge of the Nine Muses” auch: An Account of the Lodge of the Nine Muses No. 235 from its foundation in 1777 to the Present Time. London 1940; und zum Mitglied Johann Christian Bach: Warburton, E.: Johann Christian Bach und die Freimaurer-Loge zu den Neun Musen in London. In: Bach-Jahrbuch 1978 (1992). S. 113-117.
145, 150 Vgl. McVeigh, Simon: Freemasonry and Musical Life in London in the Late Eighteenth Century. S. 81. Vgl. zu “Pilgrim” auch: O’Leary, N.: The History of Two Hundred Years of Pilgrim Lodge No. 238. London 1979.
146 Vgl. McVeigh, Simon: Freemasonry and Musical Life in London in the Late Eighteenth Century. S. 79. Vgl. zu “Somerset House Lodge” auch: Oxford, A. W.: No. 4. An Introduction to the History of the Royal Sommerset House and Inverness Lodge. London 1928.
148 Vgl. McVeigh, Simon: Freemasonry and Musical Life in London in the Late Eighteenth Century. S. 79-80. Vgl. zu “Lodge of Antiquity” auch: Rylands, W. H./Firebrace C. W.: Records of the Lodge Original No. 1 Now the Lodge of Antiquity, No. 2. London 1911. S. 26.
149 Vgl. McVeigh, Simon: Freemasonry and Musical Life in London in the Late Eighteenth Century. S. 80-81. Vgl. zu “Lodge of the Nine Muses” auch: An Account of the Lodge of the Nine Muses No. 235 from its foundation in 1777 to the Present Time. London 1940; und zum Mitglied Johann Christian Bach: Warburton, E.: Johann Christian Bach und die Freimaurer-Loge zu den Neun Musen in London. In: Bach-Jahrbuch 1978 (1992). S. 113-17.
151 Vgl. Long, Kenneth R.: The music of the English church. New York 1972. S. 39.
152 Vgl. Krieg, Anglikanische Kirchenmusik. S. 23.
153 Vgl. Long, Music of English Church. S. 39.
154 Vgl. Krieg, Gustav A.: Einführung in die anglikanische Kirchenmusik. Köln 2007. Long, The music of the English church. S. 23; Temperley, Nicholas: Music in Church. In: Robert Fiske (Hg.): Music in Britain. The Eighteenth Century. Oxford 1990. S. 359.
155 Vgl. Krieg, Anglikanische Kirchenmusik. S. 31. Für einen ausführlichen Ablauf des Morning Service vgl. Krieg, Anglikanische Kirchenmusik. S. 19.
156 Für einen ausführlichen Ablauf des Communion Service vgl. Krieg, Anglikanische Kirchenmusik. S. 19-20.
157 Für einen ausführlichen Ablauf des Evening Service vgl. Krieg, Anglikanische Kirchenmusik. S. 20.
158 Vgl. Krieg, Anglikanische Kirchenmusik. S. 31.
159 Vgl. Ebd. S. 31. Eine vollständige Bibel, Credo, Vaterunser und die zehn Gebote sowie die Schriftlesung sollten in der Landessprache gehalten bzw. verfasst werden, vgl. Long, Music of English Church. S. 19-20.
160 Vgl. Long, Music of English Church. S. 20; Krieg, Anglikanische Kirchenmusik. S. 15. Für weiterführende Informationen zum Book of Common Prayer siehe Long, Music of English Church. S. 22-25.
161 Vgl. Wood, Romanticism and music culture in Britain 1770-1840. S. 67.
162 Vgl. Long, Music of English Church. S. 317-318; sowie Krieg, Anglikanische Kirchenmusik. S. 81-82.
163 Vgl. Rohr, The Caareers of British Muscicians. S. 9.
164 Vgl. Long, Music of English Church. S. 317-322. Zit nach: Long, Music of English Church. S. 322.
165 Die Erforschung der provinziellen Kirchenmusik oder psalmody wird durch eine schlechte Überlieferungslage gehemmt. Auf Grund der dezentralisierten unstrukturierten Organisation gab es keine regionale oder überregionale Archive für Musikwerke. Einen Vorstoß wagte Nicholas Temperley mit seiner zweibändigen Untersuchung „The Music of the English Parish Church“, für die er 756 englische psalmody-Bücher von 1700-1820 mit insgesamt 17.424 englischen und amerikanischen Strophenpsalmen und Hymnen auswertete. Siehe: Temperley, Nicholas: The Music of the English Parish Church. 2 Bände. Cambridge 1979.
166 Vgl. Long, Music of English Church. S. 37-38, 325; Krieg, Anglikanische Kirchenmusik. S. 23.
167 Vgl. Long, Music of English Church. S. 325: Die Bräuche variierten.
168 Vgl. Ebd. S. 37.
169 Vgl. Long, Music of English Church. S. 37, 325; Drage, A Reappraisal of Provincial Church Music. S. 173-183.
170 Vgl. Long, Music of English Church. S. 325.
171 Vgl. Drage, Sally: A Reappraisal of Provincial Church Music. In: David Wyn Jones (Hg.): Music in Eighteenth Century Britain. Aldershot 2000. S. 174.
172 Vgl. Drage, A Reappraisal of Provincial Church Music. S. 173.
173 Vgl. Long, Music of English Church. S. 317.
174 Vgl. Caldwell, London. S. 44.
175 Der englische Begriff anthem wird hier benutzt um ihn von dem Terminus hymn/Hymnus abzugrenzen, da im Deutschen sowohl hymn als auch anthem gleichermaßen mit „Hymne“ übersetzt wird. Ein Anthem ist im engeren Sinne aus den mehrstimmigen Antiphonen entstanden, die schon vor der Reformation an Festtagen sowohl zu bestimmten Gottesdiensten als auch zu anderen liturgischen Festlichkeiten außerhalb des Gottesdienstes aufgeführt wurden. Nach der Reformation wandelte es sich zum reformatorischen Gegenstück zur Motette, ist textlich an die theologischen Maßstäbe des Book of Common Prayer gebunden und musikalisch an das reformatorische Interesse an Wort-Verständlichkeit. Aber schon bald nach der Reformation wurde es musikalisch freier verwendet und gilt als Sinnbild für einen für Chor und Orgel arrangierten Satz. Auch die musikalische Form des Anthem ist nicht fest bestimmt.
176 Vgl. Drage, A Reappraisal of Provincial Church Music. S. 172.
177 Vgl. Temperley, Music in Church. S. 380.
178 Vgl. Searle, London. Sp. 1458.
179 Vgl. Drage, Sally: A Reappraisal of Provincial Church Music. S. 176.
180 Vgl. Long, Music of English Church. S. 326.
181 Vgl. Temperley, Music in Church. S. 357; Olleson, Philip: The London Roman Catholic Embassy Chapels and their Music in the Eighteenth Centuries. S. 101.
182 Vgl. Olleson, Philip: The London Roman Catholic Embassy Chapels and their Music in the Eighteenth Centuries. In: David Wyn Jones (Hg.): Music in Eighteenth Century Britain. Aldershot 2000. S S. 101-104. Für weiterführende Informationen vgl. Darby, Rosemarie: The Music of the Roman Catholic Embassy Chapels in London 1765 to 1825. Manchester 1984.
183 Zu Anthems vgl. Temperley, Music in Church. S. 363-377.
184 Zit. nach: Olleson, The London Roman Catholic Embassy Chapels. S. 107. Vgl. Novello, Vincent: The Evening“ Service. In: Quartely Musical Magazine und Review (1823). S. 205.
185 Vgl. Searle, London. S. 1459.
186 Vgl. Olleson, The London Roman Catholic Embassy Chapels. S. 108.
187 Die Tagebücher von Mawhood sind teilweise abgedruckt und behandelt in: Reynolds, E. E. (Hg.): The Mawhood Diary. Selections from the Diary Note-Books of Publications. 50 Bände. London 1956.
188 Vgl. Olleson, The London Roman Catholic Embassy Chapels. S. 108-109. Mawhood erwähnte beispielsweise in den 1760er und den 1770ern zwei Messen von Samuel Webbe sen., zwei Messen von Thomas Augustine Arne als Organist der sardischen Kapelle, eine Messe von Stephen Paxton und eine Messe von Francesco Pasquale Ricci, die sich zum Teil in späteren Musiksammlungen wiederfinden lassen.
189 Vgl. Olleson, The London Roman Catholic Embassy Chapels. S. 111. Von der Nachfolge Paxtons berichtet Mawhood am 26. Oktober 1775 in seinem Tagebuch.
190 Vgl. Olleson,: The London Roman Catholic Embassy Chapels. S. 109-114.
191 Vgl. Olleson, The London Roman Catholic Embassy Chapels. S. 114. Zitat ohne bibliographischen Hinweis. Zugunsten der variety finden sich in dieser Samlung auch Arragements von Werken anderer Künstler.
192 Vgl. Olleson, The London Roman Catholic Embassy Chapels. S. 115. Für eine Edition des Briefwechsels siehe Olleson, Philip (Hg.): The Letters of Samuel Wesley. Professional and Social Correspondance 1797-1837. Oxford 2001.
193 Vgl. Olleson, The London Roman Catholic Embassy Chapels. S. 117.
194 Zit. nach: Olleson, The London Roman Catholic Embassy Chapels. S. 117. Vgl. Clarke: The Life and Labours of Vincent Novello. S. 4.

Adoption und Eheschließungen als Machtfaktor im Prinzipat am Beispiel von Agrippina der Jüngeren und Nero

Diese Hausarbeit habe ich im Sommersemester 2011 im Seminar “Nero und das Ende der iulisch-claudischen Dynastie” bei Dr. Andreas Goltz (Geschichte, Uni Mainz) verfasst.

Einleitung

Agrippina die Jüngere[1]Agrippina die Jüngere wird im Folgenden nur mit ihrem praenomen genannt. Ihre Mutter, Agrippina die Ältere, wird dagegen immer mit dem Ephilet „die Ältere“ genannt. galt lange Zeit bis in das 20. Jahrhundert als skrupellose, machtbesessene Frau, die Morde beging, um sich und ihren Sohn Lucius Domitius Ahenobarbus, den späteren Kaiser Nero[2]Nero wird im Folgenden nur mit diesem Namensbestandteil genannt, wenngleich er bis zu seiner Adoption „Lucius Domitius Ahenobarbus“ hieß und durch die Adoption mit vollem Namen „Nero Claudius … Continue reading, in den Mittelpunkt des römischen Imperiums zu stellen. Diese einstimmig negativ konnotierte Sichtweise basiert auf der Rezeption der uns überlieferten Quellen, die von Agrippina der Jüngeren und Nero berichten. Es sind nur drei Quellen von drei Autoren überliefert, die über die Jugend Kaiser Neros berichten: Die „Annales“ von Tacitus aus dem frühen 2. Jahrhundert, die Biographien über Claudius und Nero von Sueton, die ein paar Jahre nach Tacitus‘ Werk erschienen, sowie die „Römische Geschichte“ des griechischen Historikers Cassius Dio aus der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts. Doch keiner der Autoren hat Nero persönlich erlebt. Allein Tacitus könnte Kindheitserinnerungen an die letzten Regierungsjahre Neros haben. Dieser starb als Tacitus zehn Jahre alt war. Daher basieren die Aussagen der genannten Autoren auf mündlichen Tradierungen, die durch spätere Rezeptionen beeinflusst wurden.[3]Sueton verstand sich als Schriftsteller und nicht als Historiker. Sein Anspruch war es nicht, möglichst realitätsgetreu die Person wiederzugeben, sondern unterhaltend zu schreiben. Mit Agrippina verbanden die Autoren den Stereotyp der skrupellosen Schönen.[4]Vgl. Barrett, Agrippina, S. XIV. Erst nach dem zweiten Weltkrieg begann die Forschung, Agrippina werturteilsfreier zu sehen und den Ehrgeiz und den Machthunger im zeitlichen und sozialen Kontext zu relativieren.

Die folgende Seminararbeit wird Agrippinas Beweggründe für eine Hochzeit mit princeps Claudius‘ und der anschließenden Adoption ihres Sohnes durch ihren dritten Ehemann Claudius anhand von Quellen darlegen, aber auch deren Objektivität zu hinterfragen. Hierzu wird im Hauptteil zunächst der Vorgang der Adoption in seinen Formen während der römischen Republik und des Imperiums dargestellt und kurz auf Agrippinas Leben bis zu ihrer Heirat mit princeps Claudius eingegangen. Schließlich wird die Adoption Neros anhand von Quellenzitaten und Forschungsliteratur beleuchtet.

Zur Stützung der angeführten Argumente in dieser Seminararbeit wird aktuelle Forschungsliteratur renommierter Autoren herangezogen. Eine besonders hilfreiche Stütze in der neueren Forschung um Agrippina der Jüngeren sind die Werke von Anthony Barrett und Gerhard H. Waldherr, die in ihren Biografien über Agrippina bzw. Nero eine objektivere Charakterisierung Agrippinas entwerfen.

Formen von Adoption in der Späten Römischen Republik und im Kaiserreich

Adoptionen waren in der römischen Antike ein häufiger Vorgang. Schon in der Gründungssage der Stadt Rom wird von der Adoption Romulus‘ und Remus‘ berichtet. Kinderlosigkeit und Elternlosigkeit waren so weit verbreitet, dass es hierfür einen gemeinsamen Begriff gab: orbitas.[5]Vgl. Kunst, römische Adoption, S. 13; vgl. Ebenso: Corbier, Divorce and Adoption, S. 63. Die Adoption diente der Beendigung der orbitas.[6]Vgl. Corbier, Divorce and Adoption, S. 63. In der römischen Rechtsaufassung unterstand das Kind der väterlichen patria potestas, deren Voraussetzung der Besitz des römischen Bürgerrechts war. Diese war die rechtliche Voraussetzung, dass ein adoptierter Sohn später die Stellung seines Vaters übernehmen durfte. Personen ohne patria potestas durften auch keine Adoption vollziehen.[7]Vgl. Kunst, römische Adoption, S. 14.

Man unterscheidet in der heutigen Forschung zwischen zwei Formen der Adoption während der römischen Republik und des Prinzipats: arrogatio[8]Auch adrogatio genannt. und adoptio.[9]Vgl. Salomies, Nomenclature, S. 5; vgl. ebenso: Kunst, römische Adoption, S. 13, sowie: Corbier, Divorce and Adoption, S. 63-64. Durch arrogatio wurden erwachsene Personen sui iuris und deren Familie als Ganzes durch den Adoptivvater in dessen Familie eingegliedert. Die Familie verlor damit ihre selbstständige Existenz und auch ihr Vermögen an den neuen pater familias.[10]Vgl. Kunst, römische Adoption, S. 15-16. Zum Verfahren der arrogatio siehe Kunst, römische Adoption, S. 16-19. Adoptio war dagegen eine Angelegenheit zwischen zwei Familienvätern um die Adoption eines Kindes unter patria postestas und musste vor der Volksversammlung stattfinden.[11]Vgl. Kunst, römische Adoption, S. 20-21. Auch das Verfahren der adoptio findet sich auf diesen Seiten. Beide Formen wurden bewusst einer rigiden sozialen Kontrolle unterworfen, indem sie in der Öffentlichkeit praktiziert und für jeden zugänglich dauerhaft festgehalten wurden.[12]Vgl. Kunst, römische Adoption, S. 51; vgl. ebenso: Corbier, Divorce and Adoption, S. 63. Die Adoptierten wechselten in die agnatische Abstammung ihres Adoptivvaters und nahmen dessen nomen gentile an.[13]Vgl. Salomies, Nomenclature, S. 5-6; vgl. ebenso: Corbier, Divorce and Adoption, S. 48.

Zu den beiden typischen Adoptionsvarianten kam eine dritte Variante hinzu, die Adoption per Testament[14]Vgl. Kunst, römische Adoption, S. 15., die häufigste Adoptions-Variante im Prinzipat.[15]Vgl. Salomies, Nomenclature, S. 53. Die Quellen unterscheiden nicht zwischen den drei Formen, sondern verwenden mit adopto, adoptare für alle die gleiche Terminologie. Dieser Vorgang war jedoch nach dem heutigen Verständnis keine Adoption, sondern eine Vererbung („heirominis ferendi condicio“), durch die der Adoptierte das Vermögen des Vererbers sowie dessen praenomen und oft auch dessen cognomen übernahm, aber sein ursprüngliches nomen gentile und seine filation behielt.[16]Vgl. Salomies, Nomenclature, S. 6 und Corbier, Divorce and Adoption, S. 64.

Jede der drei Adoptions-Arten war ein rein privatrechtlicher Akt, der aber je nach Umständen und Rang der ihn vollziehenden Personen politische Bedeutung gewann.[17]Vgl. Nesselhauf, Adoption des römischen Kaisers, S. 486. Die römischen principes nutzten die Adoption, um ihre Nachfolge, die sie gesetzesrechtlich nicht regeln konnten, faktisch entsprechend einer dynastischen Politik vorzubestimmen und das Eingreifen des Senates zu einer leeren Formalität zu machen.[18]Vgl. Nesselhauf, Adoption des römischen Kaisers, S. 482-483. Schon römische nobiles bedienten sich während der römischen Republik diesem Verfahren, um die Stellung und Machtposition der Familie … Continue reading Durch die Adoption ging die Hausmacht des princeps in vollem Umfang an dessen adoptierten Sohn über, sofern er als Nachfolger bestimmt war. Die Adoption der principes war keine gesetzliche, aber eine faktische Nachfolgesicherung zum Erhalt der Dynastie.[19]Vgl. Corbier, Divorce and Adoption, S. 48.

Das Leben Agrippinas der Jüngeren bis zu ihrer Hochzeit mit Kaiser Claudius

Der frühe Tod der Eltern und der Verlust ihres Status‘ als princeps-Tochter, dürfte auf Agrippinas Kindheit und späteres Leben größten Einfluss gehabt haben.[20]Vgl. Barrett, Agrippina, S. 24-32. Ausführliche Beschreibung über Agrippinas Geburt in Köln, ihrer ersten Reise nach Rom und ihrer ersten Jahre, Germanicus‘ Tod, die Huldigungsbestrebungen ihrer … Continue reading. Sie war vier Jahre alt, als ihr Vater Germanicus in Antiochia in der Provinz Syria aus ungeklärten Ursachen starb. Augustus hatte testamentarisch die Adoption Germanicus‘ durch Augustus‘ Nachfolger Tiberius festgesetzt, doch die Ehefrau des Germanicus‘, Agrippina die Ältere[21]Agrippina die Ältere wird in den Quellen mit den gleichen Charakterattibuten wie ihre Tochter versehen: egozentrisch, arrogant, sehr mutig, kompromisslos und willensstark. Vgl. Barrett, Agrippina, … Continue reading, war von einer Verschwörung des amtierenden princeps Tiberius überzeugt und dass dieser ihren Mann um sein Erbe als Nachfolge-princeps berauben wollte.[22]Vgl. Barrett, Agrippina, S. 22. Zu den Adoptionen der Iulier vgl. Bernoulli, Johann Jacob: Das julisch-claudische Kaiserhaus. Hildesheim 1969 (= Nachdruck der Ausgabe Stuttgart 1886). Vgl. ebenso: … Continue reading Sie brüskierte Tiberius mit politischen Äußerungen derart[23]Vgl. Waldherr, Nero. S. 18-19 und Barrett, Agrippina, S. 32-39., dass er sie aus Rom und später auf verschiedene Inseln verbannte, wo Agrippina die Ältere den Hungertod wählte. Zwei ihrer Söhne, Agrippinas beide ältesten Brüder, wurden wenige Jahre später auf zwei unterschiedliche Inseln verbannt und wählten dort ebenfalls den Selbstmord.[24]Vgl. Waldherr, Nero. S. 19-20.

So hatte Agrippina früh wegen politischer Machtspiele einen Teil der Familie verloren. Nach Tiberius‘ Tod und Wirren um dessen Nachfolger kam schließlich ihr jüngster und einzig verbliebener Bruder Gaius, genannt Caligula, an die die Macht als princeps. Warum die Prätorianergarde ihn und nicht gleich Germanicus Bruder Claudius zum princeps ernannten, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich ist es jedoch, dass Caligula als Sohn des durch Tiberius adoptierten Germanicus‘ die iulische Linie fortführte und man zudem davon überzeugt war, dass Eigenschaften vom Vater auf die Kinder übergehen und man Germanicus‘ Güte in Caligula erwartete.[25]Vgl. Barrett, Agrippina, S. 23. Germanicus erbte die Popularität seines Vaters Drusus und galt als mustergültiges Beispiel für einen stattlichen, mutigen und würdevollen Mann in vollem Besitz … Continue reading Tatsächlich galt princeps Caligula in seinen ersten Regierungsjahren als Musterbeispiel eines gerechten Kaisers[26]Vgl. Barrett, Agrippina, S. 52-53 und Waldherr, Nero. S. 21.Großzügigkeit, Harmoniestreben und Sorge für das Allgemeinwohl zeichneten ihn aus. Er veranlasste die Rehabilitierung seiner Mutter und … Continue reading bis er offenbar plötzlich Wahnvorstellungen bekam und selbst für seine nächsten Verwandten fremd und unberechenbar wurde.[27]Vgl. Waldherr, Nero. S. 23. Die Forschung geht von den Folgen einer Hirnhautentzündung aus, die diesen charakterlichen Wandel bei Caligula verursachten. Wegen eines angeblichen Verrats an ihm verbannte er unter anderem seine Schwestern Agrippina und Livilla auf zwei unterschiedliche Inseln.[28]Vgl. Waldherr, Nero. S. 28 und Barrett, Agrippina, S. 64. Agrippina war zu diesem Zeitpunkt bereits mit Gnaeus Domitius Ahenobarbus verheiratet und hatte einen gemeinsamen Sohn mit ihm: Nero.[29]Vgl. Barrett, Agrippina, S. 56 und Waldherr, Nero. S. 28. Nach Neros Geburt gebar Agrippina keine weiteren Kinder. Vielleicht, damit es keine Erbstreitigkeiten zwischen ihren Kindern geben sollte. Ein Jahr nach der Verbannung starb Agrippinas Mann Gnaeus und Caligula eignete sich den Familienbesitz seiner Schwester an.[30]Vgl. Waldherr, Nero. S. 28. Zu Gnaeus Verurteilung siehe Barrett, Agrippina, S. 49-50. Caligula starb aber bereits ein Jahr später. Als princeps folgte ihm Claudius. Dieser rief als Agrippinas Onkel väterlicherseits Agrippina und Livilla aus der Verbannung zurück und gab Agrippina sowohl das durch Caligula beschlagnahmte Vermögen wieder[31]Für eine ausführliche Charakterisierung Caligulas siehe Waldherr, Nero. S. 20-22 und 24-30., als auch den einflussreichen und vermögenden Konsul Gaius Sallustius Crispus Passienus zum Mann. Dieser starb bereits sechs bis sieben Jahre später, angeblich von Agrippina vergiftet.[32]Vgl. Waldherr, Nero. S. 31.

Die Hochzeit von princeps Claudius mit Agrippina und die Adoption Neros

Agrippina bekam nach ihrer Rückkehr aus dem Exil[33]Vgl. Barrett, Agrippina, S. 79. eine öffentliche Rolle in der Kaiserfamilie von Claudius und ließ keine Gelegenheit aus, ihren Sohn Nero in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Am wirksamsten gelang es ihr am Säkularfest des Jahres 47, an dem mit einem ludus Trojae dem 800. Geburtstages der Stadt Rom gedacht wurde: Der neunjährige Nero trat als Anführer der aristokratischen Jugend auf und erhielt deutlich mehr Beifall als der drei Jahre jüngere Sohn Claudius‘ namens Britannicus[34]Vgl. Waldherr, Nero. S. 31-32 und Barrett, Agrippina, S. 90., da das Publikum in Nero den letzten Nachkommen des charismatischen Germanicus‘ erkannte.[35]Vgl. Barrett, Agrippina, S. 97-98. Vgl. auch: Tac. ann. XI 11.2, XI 12,1 und Suet. Nero 7.1.

Nach der Hinrichtung seiner Frau Messalina wegen zahlreicher nachgesagter Liebes-Affären[36]Vgl. Waldherr, Nero. S. 32-34 und Barrett, Agrippina, S. 91-94. Vgl. auch: Tac. ann. XI 37,4-38.2, Suet. Claud. 26.2 und Dio LX 5 [Epitom nach Exc. Val. 225, Xiphilinos 143, 16-31 R. St., Zonaras … Continue reading wurde Claudius mit Agrippina, seiner Nichte verheiratet.[37]Vgl. Kierdorf, Claudius, S. 74. Die Quellen berichten einhellig, dass Agrippina ihre Vertrautheit genutzt hatte, um Claudius zu bezirzen.[38]Vgl. hierzu: Tac. Ann. XII 3.1, Dio 60.2.4, 6-7 und Dio LX 6 [Epitom: Xiphilinos 143,31-144,3 R. St.]. Doch vermutlich haben auch politisch-dynastische Überlegung bei der Wahl Agrippinas zur neuen Ehefrau Claudius‘ eine Rolle gespielt. Agrippina war als Tochter des Germanicus direkt mit Augustus verwandt, Claudius nicht, da er nicht von Tiberius adoptiert worden war. Durch die Heirat kamen das Erbe und Charisma des Germanicus‘ auf Claudius und es konnte vermieden werden, dass ein anderer Mann Agrippinas Abstammung für sich nutzte.[39]Vgl. Barrett, Agrippina, S. 96-97. Vgl. auch: Tac. Ann. XII.2.3 und Tac. ann. XII 25,1. Diese dynastische Verbindung kann man nicht überbewerten. Das Problem, dass die Ehe zwischen Claudius und Agrippina mit sich brachte, wurde mit der lex Vitellius gelöst: Das Gesetz erlaubte Onkel und Nichte die Hochzeit. Somit konnten Claudius und Agrippina im Jahre 49 heiraten.[40]Vgl. Eck, Agrippina, S. 38-39; Kierdorf, Claudius, S. 74; Waldherr, Nero. S. 37 und Barrett, Agrippina, S. 101. Die Quellen berichten folgendes: Tac. ann. XII 5.1-2, 6.3: C. Pompeio Q. Veranio … Continue reading Noch vor der Hochzeit war Ende 48 Nero mit Claudius‘ Tochter Octavia verlobt worden, obwohl diese bereits Lucius Iunius Silanus versprochen war.[41]Vgl. Waldherr, Nero. S. 42; Levick, Claudius, S. 71; Kierdorf, Claudius, S. 75 und Barrett, Agrippina, S. 98-99. Vgl. auch: Dio LX 31.8 [Epitom Zonaras 11,10, p. 31,15-32,4 D.], Tac. Ann. XII 3.2, … Continue reading

Obwohl Claudius bereits einen Sohn aus der Ehe mit Messalina hatte, adoptierte er Nero.[42]Vgl. Lindsay, Adoption, S. 201. Vgl. auch: Tac. ann. XII 25,2-26: His evictus triennio maiorem natu Domitium filio anteponit, habita apud senatum oratione eundem in quem a liberto acceperat modum. … Continue reading Am 25. Februar des Jahres 50[43]Vgl. Levick, Claudius, S. 71; Kierdorf, Claudius, S. 74; Barrett, Agrippina, S. 111. wurde aus Lucius Domitius Ahenobarbus nun Nero Claudius Drusus Germanicus.[44]Vgl. Eck, Agrippina, S. S. 44; Levick, Claudius, S. 71 und Barrett, Agrippina, S. 111. Für weitere Einzelheiten zur Adoption Neros siehe auch: Kunst, römische Adoption, S. 50, 83; Nesselhauf, … Continue reading Zeitgenossen sahen die Adoption als Ergebnis der Machenschaften Agrippinas, doch die dynastischen Gründe dürften eine entscheidendere Rolle gespielt haben. Auch könnte Claudius befürchtet haben, Messalinas schlechter Charakter könnte auf Britannicus vererbt worden sein.[45]Vgl. Lindsay, Adoption, S. 201. Auf Messalina kann in dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden. Tacitus erwähnt zudem, dass Pallas mit Agrippina daran beteiligt war, Claudius von der Adoption zu überzeugen, während Eck jedoch vermutet, dass er nicht maßgeblich daran beteiligt war.[46]Vgl. Levick, Claudius, S. 72.

In der Forschung besteht Uneinigkeit, was die Variante der Adoption anbelangt. Während die sich meisten Autoren mit einer Einteilung zurückhalten, sieht Kunst in der Adoption Neros durch Claudius eine Testamentsadoption[47]Vgl. Kunst, römische Adoption, S. 21., Prévost zählt sie zur arrogatio.[48]Vgl. Prévost, adoptions politques, S. 39.

Zeitgleich mit Neros Adoption erhielt Agrippina als erste Frau zu Lebzeiten des Gatten die Auszeichnung augusta[49]Vgl. Tac. Ann. XII 26,1: (…) Augetur et Agrippina cognomento Augustae; sowie: Dio LX 33.2a [Epitom Zonaras 11,10, p. 32, 22-23 D.]: Hierauf [Adoption] verlieh Claudius der Agrippina den Titel … Continue reading,nach Tacitus Beschreibung durch den Senat[50]Vgl. Eck, Agrippina, S. S. 40., verliehen. Ihr vollständiger Name lautete nun „Iulia Agrippina Augusta“.[51]Vgl. Eck, Agrippina, S. S. 41; Levick, Claudius, S. 71; Kierdorf, Claudius, S. 74; Waldherr, Nero. S. 52 und Barrett, Agrippina, S. 108-109. Dieser Titel macht sie aber nicht rechtlich zur Kaiserin.

Im Folgenden erhielt Nero im Jahre 51 zahlreiche Auszeichnungen, die ihn der Öffentlichkeit immer stärker als Nachfolger präsentierten. Dazu gehört die verfrühte Übergabe der toga virilis[52]Vgl. Eck, Agrippina, S. S. 45; Kierdorf, Claudius, S. 74-75 und Waldherr, Nero. S. 49. Bradley beschreibt in seinem Kommentar zur Biographie Neros auf Seite 53, warum er Neros Alter bei der Übergabe … Continue reading, als Claudius anlässlich seines 60. Geburtstages das Konsulat übernahm[53]Vgl. Kierdorf, Claudius, S. 75 und Levick, Claudius, S. 72-73., wie auch die Ehrung als princeps iuventutis[54]Vgl. Eck, Agrippina, S. S. 45; Waldherr, Nero. S. 50 und Barrett, Agrippina, S. 116. Vgl. auch: Dio LX 33.2c [Zonaras 11,10, p. 32,29 – 33,7 D.]: Als Nero – dieser Name setzte sich nämlich bei … Continue reading, als außerordentliches Mitglied in den Priesterkollegien[55]Vgl. Waldherr, Nero. S. 50; Eck, Agrippina, S. S. 45; Kierdorf, Claudius, S. 74-75 und Barrett, Agrippina, S. 116. und das imperium proconsulare.[56]Vgl. Eck, Agrippina, S. S. 45; Kierdorf, Claudius, S. 74-75 und Waldherr, Nero. S. 51.

Agrippina genoss auch im Folgenden ihre Machtstellung und nutzt ihre Vorstellung so intensiv, dass sie Nero lästig wurde und sie Nero ihre Jahre 59 durch einen Dolchstoß umbrachte.

Schluss

Wäre Agrippina männlichen Geschlechts gewesen, hätten die Quellen vielleicht ein anderes Bild von ihr gezeichnet. Mit ihren Eigenschaften hätte sie als Mann sicherlich hohe Ämter erreichen können. Als gebildete Frau, die zudem noch machtinteressiert war, entsprach sie aber nicht dem Frauenbild der Zeitgenossen. Sie wird eher nach den politischen Auswirkungen ihres Tuns bewertet, als nach den Gründen und Gegebenheiten, die sie hierzu veranlassten. Dabei kann man ihr Wirken durchaus als Bemühung um die Kontinuität des iulische-claudischen Herrscherhauses sehen, als logische Auswirkungen des dynastischen Geistes, in dem sie erzogen wurde. Nach dem Tod ihrer beiden älteren Brüder war sie durch ihre Stellung in die Lage gekommen, die frühere iulisch-claudische Machtposition wieder zu restaurieren. Da mag auch die eine oder andere Rachemaßnahme und Vergeltungsgedanken für die erlittene schwere Kindheit mitgespielt haben, das Gefühl der Ohnmacht gegenüber den Mächtigen und deren Willkür.

Ich schließe mich Waldherrs Vermutung an, dass für Agrippina Rücksichtslosigkeit, Verschlagenheit und brutaler Einsatz aller Mittel zum politischen Überlebenskampf gehörten, wenn man kein Spielball der Mächtigen werden wollte.

Mitgespielt haben mag auch, dass die Quellen ein negatives Bild von Nero zeichnen und darin auch die Familie mit einbezogen haben. Das Leben und das Tun von Agrippina bot die ideale Voraussetzung für einen mahnenden Beleg, was passieren kann, wenn sich Frauen nicht in die ihr zugedachte Rolle schicken.

Quellen- und Literaturverzeichnis

Quellenverzeichnis

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  • Claud. = Mottershead, J: Suetonius. Claudius. Bristol 1986.
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  • Dio = Veh, Otto: Cassius Dio. Römische Geschichte. Band IV und Band V. Zürich 1987.

Literaturverzeichnis

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  • Eck, Werner: Agrippina, die Stadtgründerin Kölns. Eine Frau in der frühkaiserzeitlichen Politik. Köln 1953 (= Schriftenreihe der Archäologischen Gesellschaft Köln e. V. 22).
  • Flach, Dieter: Seneca und Agrippina im Antiken Urteil. In: Chiron 3 (1973), S. 265-276.
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  • Kierdorf, Wilhelm: Claudius. In: Clauss, M. (Hg.): Die römischen Kaiser. München 1997. S. 67-76.
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  • Levick, Barbara: Claudius. London 1990 (= Imperial biographies).
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  • Nesselhauf, Herbert: Die Adoption des römischen Kaisers. In: Hermes 83 (1955). S. 477-495.
  • Perné, Walter: De filis filiabusque Germanici Iulii Caesars e litteris, testimoniis epigraphicis, nummis demonstrata. Quellensammlung und biographische Auswertung. Wien 2006. (Letzter Zugriff: 26.07.2011)
  • Prévost, Marcel-Henri: Les adoptions politques à Rome sous la république er le principat. Paris 1949 (= Publications de l’Institut de Droit Romain de L’Université de Paris 5).
  • Salomies, Olli: Adoptive and Polyonymous Nomenclature in the Roman Empire. Helsinki 1992 (= Commentationes Humanarum Litterarum 97) Schneider, Helmuth: Nero. In: Clauss, M. (Hg.): Die römischen Kaiser. München 1997. S. 77-85.
  • Scramuzza, Vincent M.: The Emperor Claudius. Cambridge 1940 (= Harvard historical studies 44).
  • Waldherr, Gerhard H.: Nero. Eine Biografie. Regensburg 2005.

Fußnoten

Fußnoten
1 Agrippina die Jüngere wird im Folgenden nur mit ihrem praenomen genannt. Ihre Mutter, Agrippina die Ältere, wird dagegen immer mit dem Ephilet „die Ältere“ genannt.
2 Nero wird im Folgenden nur mit diesem Namensbestandteil genannt, wenngleich er bis zu seiner Adoption „Lucius Domitius Ahenobarbus“ hieß und durch die Adoption mit vollem Namen „Nero Claudius Drusus Germanicus Caesar“.
3 Sueton verstand sich als Schriftsteller und nicht als Historiker. Sein Anspruch war es nicht, möglichst realitätsgetreu die Person wiederzugeben, sondern unterhaltend zu schreiben.
4 Vgl. Barrett, Agrippina, S. XIV.
5 Vgl. Kunst, römische Adoption, S. 13; vgl. Ebenso: Corbier, Divorce and Adoption, S. 63.
6 Vgl. Corbier, Divorce and Adoption, S. 63.
7 Vgl. Kunst, römische Adoption, S. 14.
8 Auch adrogatio genannt.
9 Vgl. Salomies, Nomenclature, S. 5; vgl. ebenso: Kunst, römische Adoption, S. 13, sowie: Corbier, Divorce and Adoption, S. 63-64.
10 Vgl. Kunst, römische Adoption, S. 15-16. Zum Verfahren der arrogatio siehe Kunst, römische Adoption, S. 16-19.
11 Vgl. Kunst, römische Adoption, S. 20-21. Auch das Verfahren der adoptio findet sich auf diesen Seiten.
12 Vgl. Kunst, römische Adoption, S. 51; vgl. ebenso: Corbier, Divorce and Adoption, S. 63.
13 Vgl. Salomies, Nomenclature, S. 5-6; vgl. ebenso: Corbier, Divorce and Adoption, S. 48.
14 Vgl. Kunst, römische Adoption, S. 15.
15 Vgl. Salomies, Nomenclature, S. 53. Die Quellen unterscheiden nicht zwischen den drei Formen, sondern verwenden mit adopto, adoptare für alle die gleiche Terminologie.
16 Vgl. Salomies, Nomenclature, S. 6 und Corbier, Divorce and Adoption, S. 64.
17 Vgl. Nesselhauf, Adoption des römischen Kaisers, S. 486.
18 Vgl. Nesselhauf, Adoption des römischen Kaisers, S. 482-483. Schon römische nobiles bedienten sich während der römischen Republik diesem Verfahren, um die Stellung und Machtposition der Familie zu erhalten und weiterzugeben.
19 Vgl. Corbier, Divorce and Adoption, S. 48.
20 Vgl. Barrett, Agrippina, S. 24-32. Ausführliche Beschreibung über Agrippinas Geburt in Köln, ihrer ersten Reise nach Rom und ihrer ersten Jahre, Germanicus‘ Tod, die Huldigungsbestrebungen ihrer Mutter und die Gerüchte um das Gerücht der Ermordung Germanicus‘. Zu Germanicus vgl. die Biographien von Akveld, Willem Frederik: Germanicus. Groningen 1961; sowie Summer, Graham Vincent: Germanicus and Drusus Caesar. Wetteren 1967
21 Agrippina die Ältere wird in den Quellen mit den gleichen Charakterattibuten wie ihre Tochter versehen: egozentrisch, arrogant, sehr mutig, kompromisslos und willensstark. Vgl. Barrett, Agrippina, S. 44.
22 Vgl. Barrett, Agrippina, S. 22. Zu den Adoptionen der Iulier vgl. Bernoulli, Johann Jacob: Das julisch-claudische Kaiserhaus. Hildesheim 1969 (= Nachdruck der Ausgabe Stuttgart 1886). Vgl. ebenso: Meise, Eckhard: Untersuchungen zur Geschichte der Julisch-Claudischen Dynastie. München 1969 (= Vestigia 10); sowie Bringmann, Klaus/Schäfer, Thomas: Augustus und die Begründung des römischen Kaisertums. Berlin 2002.
23 Vgl. Waldherr, Nero. S. 18-19 und Barrett, Agrippina, S. 32-39.
24 Vgl. Waldherr, Nero. S. 19-20.
25 Vgl. Barrett, Agrippina, S. 23. Germanicus erbte die Popularität seines Vaters Drusus und galt als mustergültiges Beispiel für einen stattlichen, mutigen und würdevollen Mann in vollem Besitz seiner geistigen und körperlichen Fähigkeiten. auf der Höhe – ein ausgezeichneter Mann. Durch seinen frühen Tod blieb sein Ansehen bewahrt. Zur Charakterisierung Germanicus siehe beispielsweise Waldherr, Nero. S. 18-20 und Barrett, Agrippina, S. 22-23.
26 Vgl. Barrett, Agrippina, S. 52-53 und Waldherr, Nero. S. 21.Großzügigkeit, Harmoniestreben und Sorge für das Allgemeinwohl zeichneten ihn aus. Er veranlasste die Rehabilitierung seiner Mutter und Brüder. Seine Schwestern Livilla, Drusilla und Agrippina erhielten diverse Ehrungen: (1) Rechte vestalischer Jungfrauen (und damit rechtlich mündige Personen wie ein römischer Bürger), (2) Freiheit, öffentliche Spiele von den vorderen Sitzen zu sehen, (3) wurden einschlossen in den jährlichen Schwur für das Wohlbefinden des princeps und (4) den Treueschwur für den princepssowie (5) die Formel, die Konsule bei einem Gesetzesantrag im Senat vortrugen.
27 Vgl. Waldherr, Nero. S. 23. Die Forschung geht von den Folgen einer Hirnhautentzündung aus, die diesen charakterlichen Wandel bei Caligula verursachten.
28 Vgl. Waldherr, Nero. S. 28 und Barrett, Agrippina, S. 64.
29 Vgl. Barrett, Agrippina, S. 56 und Waldherr, Nero. S. 28. Nach Neros Geburt gebar Agrippina keine weiteren Kinder. Vielleicht, damit es keine Erbstreitigkeiten zwischen ihren Kindern geben sollte.
30 Vgl. Waldherr, Nero. S. 28. Zu Gnaeus Verurteilung siehe Barrett, Agrippina, S. 49-50.
31 Für eine ausführliche Charakterisierung Caligulas siehe Waldherr, Nero. S. 20-22 und 24-30.
32 Vgl. Waldherr, Nero. S. 31.
33 Vgl. Barrett, Agrippina, S. 79.
34 Vgl. Waldherr, Nero. S. 31-32 und Barrett, Agrippina, S. 90.
35 Vgl. Barrett, Agrippina, S. 97-98. Vgl. auch: Tac. ann. XI 11.2, XI 12,1 und Suet. Nero 7.1.
36 Vgl. Waldherr, Nero. S. 32-34 und Barrett, Agrippina, S. 91-94. Vgl. auch: Tac. ann. XI 37,4-38.2, Suet. Claud. 26.2 und Dio LX 5 [Epitom nach Exc. Val. 225, Xiphilinos 143, 16-31 R. St., Zonaras 11,10, p.30, 20-31, 14D.].
37 Vgl. Kierdorf, Claudius, S. 74.
38 Vgl. hierzu: Tac. Ann. XII 3.1, Dio 60.2.4, 6-7 und Dio LX 6 [Epitom: Xiphilinos 143,31-144,3 R. St.].
39 Vgl. Barrett, Agrippina, S. 96-97. Vgl. auch: Tac. Ann. XII.2.3 und Tac. ann. XII 25,1.
40 Vgl. Eck, Agrippina, S. 38-39; Kierdorf, Claudius, S. 74; Waldherr, Nero. S. 37 und Barrett, Agrippina, S. 101. Die Quellen berichten folgendes: Tac. ann. XII 5.1-2, 6.3: C. Pompeio Q. Veranio consulibus pactum inter Claudium et Agrippinam matrimonium iam fama, iam amore inlicito firmabatur; necdum celebrare sollemnia nuptiarum audebant, nullo exemplo deductae in domum patrui fratris filiae: quin et incestum ac, si sperneretur, ne in malum publicum erumperet metuebatur. nec ante omissa cunctatio quam Vitellius suis artibus id perpetrandum sumpsit. percontatusque Caesarem an iussis populi, an auctoritati senatus cederet, ubi ille unum se civium et consensui imparem respondit, opperiri intra palatium iubet. (…)at enim nova nobis in fratrum filias coniugia: sed aliis gentibus sollemnia, neque lege ulla prohibita; et sobrinarum diu ignorata tempore addito percrebuisse. morem accommodari prout conducat, et fore hoc quoque in iis quae mox usurpentur. Gleiches berichten Sueton (Vgl. Suet. Claud. 26.3) und zwei Epitome von Cassius Dios Werk (Vgl. Dio LX 6 [Epitom: Xiphilinos 143,31-144,3 R. St.] und Dio LX 31.8 [Epitom Zonaras 11,10, p. 31,15-32,4 D.]).
41 Vgl. Waldherr, Nero. S. 42; Levick, Claudius, S. 71; Kierdorf, Claudius, S. 75 und Barrett, Agrippina, S. 98-99. Vgl. auch: Dio LX 31.8 [Epitom Zonaras 11,10, p. 31,15-32,4 D.], Tac. Ann. XII 3.2, XII 4.3 und Suet. Claud. 27.2.
42 Vgl. Lindsay, Adoption, S. 201. Vgl. auch: Tac. ann. XII 25,2-26: His evictus triennio maiorem natu Domitium filio anteponit, habita apud senatum oratione eundem in quem a liberto acceperat modum. adnotabant periti nullam antehac adoptionem inter patricios Claudios reperiri, eosque ab Atto Clauso continuos duravisse. Ceterum actae principi grates, quaesitiore in Domitium adulatione; rogataque lex qua in familiam Claudiam et nomen Neronis transiret. (…); sowie: Suet. Nero 7.1: (…) Undecimo aetatis anno a Claudio adoptatus est (…); und ebenso: Dio LX 32.2 [Epitom Exc. Val. 228 (p. 677), Xiphilinos 144, 3-7 R. St., Zonaras 11,10, p. 32, 5-13 D]: Der andre Sohn, der mit Sejans Tochter verlobt gewesen war, befand sich ja nicht mehr am Leben. Den Domitius hingegen machte sie damals zum Schwiegersohn des Claudius und setzte später auch seine Adoption durch. Sie erreichte diese Ziele dadurch, daß sie einerseits Claudius durch seine Freigelassenen überreden ließ, andererseits Vorkehrungen traf, daß sowohl der Senat wie auch die Bevölkerung und die Soldaten bei jeder Gelegenheit ihre Stimmen zur Unterstützung ihrer Wünsche vereinten.
43 Vgl. Levick, Claudius, S. 71; Kierdorf, Claudius, S. 74; Barrett, Agrippina, S. 111.
44 Vgl. Eck, Agrippina, S. S. 44; Levick, Claudius, S. 71 und Barrett, Agrippina, S. 111. Für weitere Einzelheiten zur Adoption Neros siehe auch: Kunst, römische Adoption, S. 50, 83; Nesselhauf, Adoption des römischen Kaisers, S. 479-480 und Corbier, Divorce and Adoption, S. 64-66. Für weitere von der gängigen Forschungsmeinung unterschiedliche Ergebnisse von Bradley zur Adoption Neros siehe Suetonius. An Historical Commentary, S. 54-55. Tacitus bezeichnet den Vorgang konkret als adoptio in Tac. Ann. XII 25,1 („C. Antistio M. Suillio consulibus adoptio in Domitium auctoritate Pallantis festinatur…”), während er ihn in Tac. Ann. XII 26,1 als in familiam Claudiam et nomen Neronis transpire und in Tac. Ann. XI 11,2 adoptione mox in imperiumm et cognomentum Neronis adscitus umschreibt.
45 Vgl. Lindsay, Adoption, S. 201. Auf Messalina kann in dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden.
46 Vgl. Levick, Claudius, S. 72.
47 Vgl. Kunst, römische Adoption, S. 21.
48 Vgl. Prévost, adoptions politques, S. 39.
49 Vgl. Tac. Ann. XII 26,1: (…) Augetur et Agrippina cognomento Augustae; sowie: Dio LX 33.2a [Epitom Zonaras 11,10, p. 32, 22-23 D.]: Hierauf [Adoption] verlieh Claudius der Agrippina den Titel Augusta.
50 Vgl. Eck, Agrippina, S. S. 40.
51 Vgl. Eck, Agrippina, S. S. 41; Levick, Claudius, S. 71; Kierdorf, Claudius, S. 74; Waldherr, Nero. S. 52 und Barrett, Agrippina, S. 108-109. Dieser Titel macht sie aber nicht rechtlich zur Kaiserin.
52 Vgl. Eck, Agrippina, S. S. 45; Kierdorf, Claudius, S. 74-75 und Waldherr, Nero. S. 49. Bradley beschreibt in seinem Kommentar zur Biographie Neros auf Seite 53, warum er Neros Alter bei der Übergabe der toga virilis auf 12 Jahre und 2 Monate festlegt.
53 Vgl. Kierdorf, Claudius, S. 75 und Levick, Claudius, S. 72-73.
54 Vgl. Eck, Agrippina, S. S. 45; Waldherr, Nero. S. 50 und Barrett, Agrippina, S. 116. Vgl. auch: Dio LX 33.2c [Zonaras 11,10, p. 32,29 – 33,7 D.]: Als Nero – dieser Name setzte sich nämlich bei ihm durch – die toga virilis anlegte, da suchte der Himmel gerade an jenem Tage, an dem dies geschah, die Erde mit einem lange anhaltenden Beben heim und versetzte in der Nacht alle gleichermaßen in Schrecken.
55 Vgl. Waldherr, Nero. S. 50; Eck, Agrippina, S. S. 45; Kierdorf, Claudius, S. 74-75 und Barrett, Agrippina, S. 116.
56 Vgl. Eck, Agrippina, S. S. 45; Kierdorf, Claudius, S. 74-75 und Waldherr, Nero. S. 51.