OT: Unbekannte Geheimschrift

Diese Geheimschrift hat nur indirekt mit Ockenheim zu tun. Genau genommen nur die Tatsache, dass sie dem Notizbuch eines Ockenheimers entnommen wurde. Nämlich dem Notizbuch meines Uropas Nikolaus Weinheimer.

In dem (spätestens ab) 1903 bis 1924 geführten und nur sporadisch gefüllten Notizbuch finden sich vorwiegend landwirtschaftliche Angaben: Wo welche Pflanzen gekauft wurden, wann was geerntet wurde und wie die Ernte ausfiel, usw. Und mittendrin eine eine halbe Seite mit dieser Geheimschrift (zwischen 1908 und 1924 notiert).

Da meine bisherige Suche nach der Geheimschrift ergebnislos war, bin ich dankbar für Hinweise oder sogar die Lösung. Möglicherweise hat er sie sich aber auch selbst ausgedacht.

Bildnachweis: Petra Tabarelli: Geheimschrift aus Notizbuch von Nik. Weinheimer, CC BY-SA 3.0.

Datenauswertung in practise

Ich bin gerade mal wieder mit der Feldpost von Philipp Weinheimer beschäftigt.
Mit einem Update zur abgeschlossenen Auswertung am Ende des Artikel.

Ich habe nun die Hälfte der Feldpostdaten systematisch gesammelt – allerdings erst die des Eingangs. Ich nutze dafür, recht primitiv, Excel. Senkrecht links die Namen, die ich dann und dann alphabetisch sortiere und waagerecht die einzelnen Stationen. Letztere auch mehrfach genannt, wenn Weinheimer nach einem Urlaub dorthin zurückkehrte oder dort seinen Urlaub verbrachte. Die zweite Spalte ist formatiert und summiert alle in der Zeile genannten Zahlen.

Zunächst trage ich Postkarten, Briefe und Päckchen in einzelne Zellen ein (siehe rechts im Bild), die ich nach Abschluss der Spalte dann summiere und im Kommentar der Zelle aufdrösele. Der besseren Übersicht wegen. Zur dieser markiere ich auch die Treffer farblich, um so einen konstanten Schreibfluss auf den ersten Blick erkennen zu können.

Dieser konstante Schreibfluss, der bislang natürlich nur für die eingegangene Post gilt, betrifft nach 2,5 Jahren nur zwei Personen: Einen “Jakob”, der nie mit Nachnamen genannt wird, und einen Josef Mehler aus dem hiesigen Nachbarstädtchen Gau-Algesheim (wenn ich die Abkürzung “Alg.” hinter dem Namen damit richtig interpretiere). Bei “Jakob” handelt es sich um Weinheimers Schulfreund Jakob Kronebach. Und Josef Mähler könnte Philipp Weinheimer während seiner Ausbildung auf der Landwirtschaftsschule in Gau-Algesheim kennengelernt haben. Vielleicht ist  der heutige gleichnamige Inhaber eines Fliesengeschäftes in Gau-Algesheim sein Nachfahre.

Wie bei Jakob werden in der Auswertung ab und zu Personen nur mit ihrem Vornamen genannt. Oftmals handelt es sich um einen Vornamen, der zuvor schon mit einem Nachnamen (nur einmal mit mehreren Nachnamen) genannt wird. Eine mutmaßliche Zuordnung dieser nachnamenlosen Nennungen wird allerdings erst zum Schluss der Auswertung geschehen. Dass ich Jakob als nahen Verwandten vermute, liegt auch an der herausstechend großen Anzahl an Post, die er Weinheimer zukommen ließ, nämlich 27. Die nächstgrößere (aktuelle) Summe an Post erhielt er von Mehler: 18. Danach folgt die nachnamenlose Anny, hinter der sich seine Cousine Anny Weinheimer versteckt.

Wie eingangs schon gesagt: Meine Auswertung via Excel und formatierten Zellen ist ziemlich primitiv. Allerdings ist es, neben der Auswertung eines mittelalterlichen Güterverzeichnisses, erst meine zweite statistische Auswertung. Und jene die Auswertung dieses Güterverzeichnisses unternahm ich per Hand und mehreren DIN A4-Zetteln, weil ich sie auch flexibel im Zug weiterführen wollte. Welch Durcheinander!

Habt ihr Tipps für mich, wie ich mir künftig das Auswertung einfacher gestalten kann?

Klar, das Eintragen nimmt mir niemand ab. Aber: Abgesehen von dem ununterbrochenen Schreibfluss mag es Personen geben, die nur an einen Standort nicht geschrieben haben. Oder an zwei. Oder nur an die ersten Stationen und später nicht mehr (weil verstorben, selbst eingezogen, etc.).  Das alles mache ich im Anschluss an das Eintragen mit eigenen Augen. Bei diesem überschaulichen Datensatz ist das weniger ein Problem als bei größeren, die folgen könnten. Daher wäre ich für Hinweise sehr dankbar!

Update: Abgeschlossene Auswertung (29.03.2014)

Die Auswertung aller Daten aus dem Feldposteingang bestätigen die ersten und oben geschilderten Eindrücke: Anny Weinheimer und Jakob Kronebach schrieben Philipp Weinheimer nicht nur die meisten Briefe (Anny 28, Jakob 32), sondern auch am konstantesten (Von Anny erhielt er in 13 von 21 ausgewerteten Stationen Post, von Jakob sogar 14 von 21). Auch Josef Mehler war ein regelrechter Briefpartner von Philipp Weinheimer während des Krieges (er schrieb 29 Briefe an 12 seiner Stationen).

Viele Briefe …

Anzahl der geschrieben Postkarten, Briefe und auch Päckchen an Weinheimer

  1. Kronebach, Jakob: 32
  2. Mehler, Josef: 29
  3. Weinheimer, Anny: 28
  4. Krick, Philipp: 19
  5. Weis, Philipp: 18
  6. Bungert, Franz: 17
  7. M., Hildegard: 12
  8. NN, Liesel: 14
  9. Acht, Gerlinde: 13
  10. Fleischer, Eva: 12
  11. Weis, Liesel: 12

…  konstanter Briefverkehr

Die Zahl entspricht der Anzahl der Stationen Weinheimers, an die die folgenden Personen schrieben

Kronebach, Jakob: 14
Weinheimer, Anny: 13
Mehler, Josef: 12
Weis, Philipp: 11
Krick, Philipp: 9
Weis, Liesel: 9
Bungert, Franz: 8
Weinheimer, Philipp [Onkel]: 7
M., Hildegard: 7
NN, Liesel: 7
Fleischer, Eva: 6

Möglicherweise handelt es sich außerdem bei der nachnamenslosen Liesel auch um Liesel Weis.

Der Posteingang nennt außerdem ohne Nachnamen eine Gerlinde und einen Seppel, hinter denen sich Frau Acht und Herr Mehler verbergen könnten. “Frau Weis” könnte Liesel Weis gewesen sein – aber auch Lisbeth Weis oder eine weitere Dame des Nachnamens.

  • Josef Mehler: schrieb insgesamt 30x an x Stationen
  • Gerlinde Acht: schrieb insgesamt 15x an x Stationen
  • Liesel Weis: schrieb insgesamt 13x an x Stationen

Es verändern sich nicht die Anzahl der Stationen, aber der geschriebenen Post: bei Josef +1, Gerlinde +2 und Liesel +1.

Möglicherweise finden sich in den Nachlässen dieser Personen noch Briefe zu Philipp Weinheimer. Für mich erstmals eine Quellensuche außerhalb eines Archives.

„Ich schrieb verhältnismäßig viel.” – Eine erste Auswertung

Wie schon angekündigt, habe ich mich mit der detaillierten Auflistung von erhaltener und versandter Post von Philipp Weinheimer beschäftigt. Er schrieb zwischen 1940 bis März 1945 insgesamt 1459 ((Philipp Weinheimer schrieb schon auf der ersten Seite des Postausgangs: „Ich schrieb verhältnismäßig viel. Zuerst im R.A.D. in Dahnen (Eifel)“, S. 70. Er schrieb durchschnittlich knapp eine Karte, Briefe oder ähnliches pro Tag, sofern man die Dauer der fehlenden Einträge und Urlaube in Ockenheim nicht mitzählt.))

an Karten und Briefen (auch wenigen Telegrammen) und erhielt 714 an Briefen, Karten, Päckchen, Telegrammen und auch Zeitungen ((Zwei von der NSDAP, eine nicht näher genannte von Fr. Bierschenk aus Ockenheim.)).

Die geschriebene Post besteht vor allem aus den 817 Briefe (56,4% ((Die Prozentangaben sind immer auf die zweite Nachkommastelle gerundet.)) ) und 635 Karten (43,5%), die erhaltene aus 495 Briefen (69,33%), 159 Karten (22,27%) und 60 Päckchen (8,4%). Er erhielt also rund die Hälfte an Post wie er schrieb.

Während er so gut wie nie während seiner Heimaturlaubsaufenthalte Post schrieb und erhielt (eine Ausnahme) gibt es noch ein paar weitere Lücken bei den Aufzeichnungen, die insbesondere das Jahr 1942 betreffen und die restliche Kriegszeit ab dem März 1945. Durch das Tagebuch, das er 1942 in einem Kalender führte, lässt sich der Briefverkehr vom 11. Mai bis 15. Juli 1942 rekonstruieren.

Zur besseren Übersicht hier eine komplette Übersicht:

Zur Auswertung

Die Auswertung ist zunächst nur reine Statistik – und ich weiß nicht, ob ich mehr dazu überhaupt veröffentlichen kann. Nicht wegen des rheinland-pfälzischen Archivrechtes – 1940-1945 ist mehr als 60 Jahre vorbei – , sondern viel mehr der Sinnhaftigkeit von Namensauflistungen wegen. Ein einziger Brief ist erhalten; einen Briefverkehr anhand von Briefen und Aufzeichnungen zu rekonstruieren ist inhaltlich nicht möglich. Gut, ich kann den Schriftverkehr zwischen Ph. Weinheimer und beispielsweise seinen Eltern datumsgenau sortieren, aber ich glaube nicht, das es viel bringt; der Kontakt zwischen ihnen war nicht abgebrochen und war unregelmäßig. Auswerten werde ich aber trotzdem – in der Hoffnung, dass sich doch Unregelmäßigkeiten ergeben, denen ich auf den Grund gehen kann. Mit einem Soldaten aus Wiesbaden-Igstadt hatte er noch 1957 Kontakt. Vielleicht habe ich Glück und die Dame, die heute das Haus bewohnt, ist eine Nachkommin von ihm und besitzt Briefe von meinem Opa. Ansonsten bleibt es bei dieser Auswertung.

Die Auflistung

Im Folgenden habe ich die erhaltene und geschriebene Post nach seinen in “Posteingang” und “Postausgang” genannten Stationen[1]Und mit Hilfe von “Wo war ich 1940-1945” in der Kladde auf den Seiten 50-52. aufgeteilt:

Dahnen (R.A.D.) (2. bis 30. Oktober 1940)

  • Erhalten (7 Karten, 17 Briefe, 4 Päckchen)
  • Geschrieben: 65 (33 Karten, 32 Briefe) (= 4,46% von allen, 2,32 Geschriebenes pro Tag)

Koblenz (R.A.D., Generalstabswache) (1. November bis 8. Dezember 1940)

  • Erhalten: 54 (Darunter 2 Päckchen. Karten und Briefe wurden hier nicht unterschiedlich gekennzeichnet)
  • Geschrieben: 93 (52 Karten, 41 Briefe) (= 6,37% von allen, 2,45 Geschriebenes pro Tag)

Kesfeld (R.A.D) (9. Dezember 1940 bis 30. Januar 1941)

N.B.: Zum 31. Januar 1941 wurde er aus dem R.A.D. entlassen.

  • Erhalten: (24 Karten, 33 Briefe, 13 Päckchen, 2 nicht weiter genannte Arten)
  • Geschrieben: 97 (48 Karten, 49 Briefe) (= 6,65% von allen, 1,54 Geschriebenes pro Tag)

Ockenheim (Urlaub) (31. Januar bis 4. Februar 1941

  • Keine Post erhalten und geschrieben

Koblenz-Pfaffendorf (A.E.A. 179) (8. Februar bis 28. Juni 1941)

N.B. Zwischen dem 3. und 5. April 1941 lebte er bei den Brüder Kohns in der Grabenstraße 60, Ochtendung.

  • Erhalten: 108 (37 Karten, 57 Briefe, 14 Päckchen)
  • Geschrieben: 174 (106 Karten, 68 Briefe) (= 11,93% von allen, 1,24 Geschriebenes pro Tag)

Verdun (A.E.A. 179) (29. Juni bis 18. Juli 1941)

  • Keine Post erhalten und geschrieben

Ockenheim (Urlaub) (18. Juli bis 2. August 1941)

  • Keine Post erhalten und geschrieben

Verdun (A.E.A. 179) (3. August bis 27. November 1941)

N.B. Am 3. August und 5. Oktober 1941 in Paris.

  • Erhalten: 101 (14 Karten, 76 Briefe, 11 Päckchen)
  • Geschrieben: 130 (17 Karten, 113 Briefe) (= 5,76% von allen, 1,33 Geschriebenes pro Tag)

Ockenheim (Urlaub) (28. November bis 13. Dezember 1941)

  • Keine Post erhalten und geschrieben

Verdun (A.E.A. 179) (14. Dezember 1941 bis 12. Januar 1942)

N.B. Am 25. Dezember 1941 „im Stall“ als „Stallwachhaltender“.

  • Erhalten: 37 (11 Karten, 21 Briefe, 5 Päckchen)
  • Geschrieben: 81 (48 Karten, 33 Briefe) (= % von allen, 2,89 Geschriebenes pro Tag)

Zwischen 12. Januar und 10. Oktober 1942 fehlen die Einträge sowohl im Postausgang, im Posteingang sogar bis 30. Oktober 1942. Eventuell finden sich für diese Zeitspanne Aufzeichnungen im Kalender 1942.

Nancy (A.E.A. 179) (12. bis 13. Januar 1942)

  • Eintragungen fehlen

St. Wendel (A.E.A. 179) (14. bis 31. Januar 1942)

  • Eintragungen fehlen

Transport St. Wendel nach Ostpreußen (A.E.A. 179) (1. bis 4. Februar 1942)

  • Eintragungen fehlen

Schilino (A.E.A. 179) (4. bis 12. Februar 1942)

N.B. Während dieser Tage lebte er bei „Bauer Hermann Pausat, Schillau (Ostpreussen[!]), Ortsteil Billen“.

  • Eintragungen fehlen

St. Petersburg (A.E.A. 179) (12. Februar bis 18. Juli 1942)

N.B. Einträge anhand des Tagebuchs von 1942 für den Zeitraum vom 11. Mai bis 15. Juli 1942.

  • Erhalten: 53 (8 Karten, 20 Briefe, 23 Päckchen[2]Philipp Weinheimer wurde am 12. Juni 1942 volljährig, was die Päckchenflut im Juni erklärt., 2 Zeitschriften)
  • Geschrieben: 46 (17 Karten, 29 Briefe)

St. Petersburg (Hauptverbandsplatz) (18. bis 24. Juli 1942)

  • Eintragungen fehlen

Narwa (Luftwaffenortslazarett) (25. bis 30. Juli 1942)

  • Eintragungen fehlen

Giżycko (Lazarett) (1. August bis 20. September 1942)

  • Eintragungen fehlen

Giżycko (Urlaub) (20. September bis 20. Oktober 1942)

  • Eintragungen fehlen

Giżycko (Lazarett) (20. bis 24. Oktober 1942)

  • Erhalten: Eintragungen fehlen
  • Geschrieben: 18 (14 Karten, 4 Briefe)

Lüneburg (Reservelazarett) (25. Oktober bis 17. November 1942)

  • Erhalten: 27 (4 Karten, 22 Briefe, 1 Päckchen)
  • Geschrieben: 34 (14 Karten, 20 Briefe)

Ingelheim (Reservelazarett) (17. November 1942 bis 22. Juni 1943)

N.B. Zwischen dem 8. Dezember 1942 und dem 1. Mai 1943 sind keine erhaltenen Briefe verzeichnet.

  • Erhalten: keine[3]„Ingelheim“ steht zwar in der Kladde, aber es sind keine aufgelistet. Möglicherweise war hier im Gegensatz zum Lazarett in Bingen ein Besuch möglich.
  • Geschrieben: 71 (37 Karten, 34 Brief)

Bartoszyce (Genesungsurlaub) (23. Juni bis 20. Juli 1943)

  • Erhalten: Eintragungen fehlen
  • Geschrieben: 9 (4 Karten, 5 Briefe)

Bartoszyce (G.E.B. 44) (21. Juli bis 28. Juli 1943)

  • Eintragungen fehlen

Bartoszyce (Arbeitsurlaub) (28. Juli bis 15. August 1943)

  • Eintragungen fehlen

Bartoszyce (G.E.B. 44) (15. August bis 25. September 1943)

  • Erhalten: 43 (11 Karten, 31 Briefe, eine Zeitung[4]Am 24. September 1943 erhielt Philipp Weinheimer eine Zeitung von Fr. Bierschenk aus Ockenheim.)
  • Geschrieben: 64 (23 Karten, 42 Briefe)

Bartoszyce (Arbeitsurlaub) (26. September bis 14. Oktober 1943)

  • Erhalten: 6[5]Alle sechs erhielt er am 13. Oktober 1943. (2 Karten, 4 Briefe)
  • Geschrieben: nichts

Bagrationowsk (U-Lehrgang) (15. Oktober bis 27. November 1943)

  • Erhalten: 31 (4 Karten, 25, Briefe, 2 Päckchen)
  • Geschrieben: 52 (15 Karten, 37 Briefe)

Bartoszyce (G.E.B. 44) (27. November 1943)

  • Erhalten: nichts
  • Geschrieben: 5 (1 Karte, 4 Briefe)

Bartoszyce (Jahresurlaub) (28. November bis 17. Dezember 1943)

  • Erhalten: (1 Brief)
  • Geschrieben: nichts

Bartoszyce (G.E.B. 44) (17. bis 23. Dezember 1943)

  • Erhalten: (3 Karten, 9 Briefe)
  • Geschrieben: 29 (24 Karten, 5 Briefe)

Olsztyn (24. bis 27. Dezember 1943)

  • Erhalten: nichts
  • Geschrieben: 5 (4 Briefe, 1 Telegramm)

Unbekannt (28. bis 31. Dezember 1943)

N.B. Möglicherweise war er unterwegs von Olsztyn nach St. Petersburg.

  • Eintragungen fehlen

St. Petersburg (G.E.B. 44) (1. bis 18. Januar 1944)

  • Erhalten: 1 (1 Karte)
  • Geschrieben: 35 (21 Karten, 14 Briefe)

Riga (Hauptverbandsplatz, Feldlazarett) (19. Januar bis 8. Februar 1944)

N.B. Am 8. Februar 1944 mit der „Ju 52“ nach Kaliningrad ausgeflogen. Weiterer Weg nach Stollberg unbekannt. Am 30. Januar 1944 „von Kbg.“. In der Übersicht seiner Stationen vermerkt Philipp Weinheimer aber, er sei am 8. Februar 1944 von Riga nach Kaliningrad ausgeflogen.

  • Erhalten: nichts
  • Geschrieben: 2 (1 Karte, 1 Brief)

Stollberg im Erzgebirge (Reservelazarett) (9. Februar bis 5. März 1944)

  • Erhalten: 21 (1 Karte, 16, Briefe, 3 Päckchen, 1 Telegramm)
  • Geschrieben: 39 (12 Karten, 27 Briefe)

Bingen (Reservelazarett) (6. März bis 19. April 1944, 4. Mai 1944)

  • Erhalten: 39 (5 Karten, 34 Briefe)
  • Geschrieben: 28 (16 Karten, 12 Briefe)

Ockenheim(?) (Genesungsurlaub) (20. April bis 4. Mai 1944)

  • Keine Post erhalten und geschrieben

Bartoszyce (Ersatzbataillon) (5. bis 28. Mai 1944)

  • Erhalten: 21 (2 Karten, 18 Briefe, 1 Päckchen)
  • Geschrieben: 41 (16 Karten, 25 Briefe)

Bartoszyce (Abstellurlaub) (29. Mai bis 16. Juni 1944)

  • Erhalten: nichts
  • Summe der geschrieben Post: 8 (6 Karten, 2 Briefe)

Bartoszyce (Ersatzbataillon) (17. bis 20. Juni 1944)

N.B. Für den 17. Juni 1944 ist im Kriegstagebuch ein „Passierschein“ für ein dreiköpfiges „Marsch-Komp. G.E.B. 44“ bei gelegt, zu dem auch Philipp Weinheimer gehörte: „Der Gefr. Weinheimer, Gefr. Vogt, Stgfr. Pengert befindet[!, da Vordruck] sich auf dem Wege zum Bahnhof.“ Es unterschrieb Oberleunant und „Kp.-Chef“ Heinrich.

  • Erhalten: 6 (2 Karten, 4 Briefe)
  • Geschrieben: 15 (11 Karten, 4 Briefe)

St. Petersburg (Front) (23. Juni bis 24. Juli 1944)

  • Erhalten: 21 (19 Briefe, 2 Zeitungen der NSDAP)
  • Geschrieben: 78 (22 Karten, 56 Briefe)

Hapsala (imKriegslazarett) (25. Juli bis 6. August 1944)

  • Erhalten: nichts
  • Summe der geschrieben Post: 1 (1 Brief)

Bad Kösen (Reservelazarett) (6. August bis 10. September 1944)

  • Erhalten: 30 (2 Karten, 27 Briefe, 1 Päckchen)
  • Geschrieben: 40 (15 Karten, 25 Briefe[6]Ein Brief vom vermutlich 6. August an seine Eltern ist erhalten geblieben.

Ingelheim (Reservelazarett) (11. September 1944)

  • Erhalten: nichts
  • Geschrieben: 40 (16 Karten, 24 Briefe)

Rüdesheim (im Reservelazarett) (12. bis 16. September 1944)

  • Keine Post erhalten und geschrieben

Ockenheim (Urlaub) (17. September 1944)

  • Erhalten: 3 (3 Briefe (Paula, Liesel Weis, Walter))
  • Geschrieben: 3 (1 Karte, 2 Briefe)

Kiedrich (Reservelazarett) (17. bis 23. September 1944)

  • Erhalten: nichts
  • Summe der geschrieben Post: 4 (1 Karte, 3 Briefe)

Lazarettzug (24. bis 25. September 1944)

  • Keine Post erhalten und geschrieben

Plauen (Reservelazarett, Centralhalle) (25. September 1944 bis 19. April 1945)

N.B. Die letzte eingetragene, versendete Post datiert vom 3. März 1945, die letzte erhaltene Post am 1. März 1945. Am ersten Weihnachtsfeiertage lebte Philipp Weinheimer bei „Familie Albin Münnich, Jößnitz i. Vogtland über Plauen i. V.“. Am 18. November 1944 war er in Ockenheim (wegen Hochzeitstag der Eltern?).

  • Erhalten: 111 (10 Karten, 97 Briefe, 3 Päckchen, 1 Telegramm)
  • Summe der geschrieben Post: 210 (74 Karten, 130 Briefe, 6 Telegramme)

In der Kladde liegt auch ein DIN A6-großer Zettel für die Zeit zwischen dem 8. Januar und dem 16. März 1945 mit insgesamt 33 Namen. Unklar bleibt, ob es sich um versendete oder empfangene Post handelt. Als Art wird „M“ angegeben.

Grünbach (Reservelazarett) (20. April bis 10. Juni 1945)

  • Eintragungen fehlen

Plauen (Kriegsgefangenenlager) (11. bis 14. Juni 1945)

  • Eintragungen fehlen

Erfurt (15. bis 17. Juni 1945)

  • Eintragungen fehlen

„wieder daheim“ (ab 18. Juni 1945)

[Ende der Eintragungen.]

Bildnachweis:

Fußnoten

Fußnoten
1 Und mit Hilfe von “Wo war ich 1940-1945” in der Kladde auf den Seiten 50-52.
2 Philipp Weinheimer wurde am 12. Juni 1942 volljährig, was die Päckchenflut im Juni erklärt.
3 „Ingelheim“ steht zwar in der Kladde, aber es sind keine aufgelistet. Möglicherweise war hier im Gegensatz zum Lazarett in Bingen ein Besuch möglich.
4 Am 24. September 1943 erhielt Philipp Weinheimer eine Zeitung von Fr. Bierschenk aus Ockenheim.
5 Alle sechs erhielt er am 13. Oktober 1943.
6 Ein Brief vom vermutlich 6. August an seine Eltern ist erhalten geblieben.

“Aus dem Soldatenleben”

Nachdem ich vor einigen Wochen bereits Erinnerungen von Philipp Weinheimer zu seiner dritten Verletzung 1944 veröffentlicht habe, folgen nun drei weitere Seiten über seine Zeit als Soldat zwischen 1940 und 1942, die er in einer Kladde veröffentlicht hat.

In dieser Kladde “Kriegstagebuch” sammelte er während des 2. Weltkrieges diverse Erinnerungen, die teilweise in folgenden Blogbeiträgen veröffentlicht werden. Denn in der Kladde enthalten sind auf der ersten Seite seinen verschiedenen Feldpostnummern[1]Zunächst an zwei verschiedenen Stationen als “Arbeitsmann”, dann als “Fahrer” der Augusta-Kaserne in Koblenz-Pfaffendorf, als “Soldat” und schließlich wieder als … Continue reading Im folgenden schildert er knapp seinen Wechsel vom Reichsarbeitsdienst bis zur ersten Verwundung (1940-1942), die im Folgenden transkribiert wiedergegeben wird.

Es folgen sechs Adressen zu Herren aus Mittel- und Norddeutschland[2]Möglicherweise lernte er sie während des Krieges kennen. und einige kurze, vermutlich selbstgereimte Gedichte. Daran schließen die Adressen seiner Quartiere während seiner Genesungen an, eine Seite weitere “Sprüche”, eine mit Namenstagen und Geburtstagen [3]Unter anderem seiner späteren Frau Marianne., “Filme, die ich in Plauen gesehen habe” (43 in ca. 2 Monaten!) und weitere in Mainz und Gau-Algesheim nach seiner Heimkehr.

Nach einem einseitigen Lazarettbericht aus Ingelheim, der Auflistung, wo er zwischen 1940 und 1945 lebte und einem eingelegten Passierschein vom 17.6.44 [4]”[…] befindet sich auf dem Weg zum Bahnhof […]”., folgte eine wunderbare Quelle, die ich ausgewertet im nächsten Blogeintrag vorstellen werde: Alle während 1940 – 1945 geschriebene und erhaltene Feldpost. Leider nicht den Inhalt, aber zumindest das Datum, der Adressant/Adressat und ob es sich um einen Brief oder eine Postkarte handelte – gegliedert nach seinem derzeitigen Aufenthaltsort. Über mehrere Seiten. Ich hoffe, dass es mir gelingt, wenigstens einige der genannten Personen einzuordnen. Das soll hier aber nicht geschehen, sondern beide weiteren, oben erwähnten Berichte über die Zeit zwischen 1940 und 1942 wiedergegeben werden.

Aus dem Soldatenleben


Am 2. Oktober 1940 bin ich zum Reichsarbeitsdienst eingerückt. In Mainz war Sammelpunkt. Mit einem Sonderzug fuhren wir bis Niederüllfeld. Bis zum Lager waren es noch 18 Km. Am 31. Okt. bin ich nach Koblenz kommandiert worden zur Gaustabswache. Dort bleib ich bis 9. Dez. Dann zu dem inzwischen nach Kerfeld (Eifel) verlegten Lager zurück. Weihnachten war ich auch dort, ebenso Neujahr. Am 30. Jan. 41 wurden wir aus dem R. A. D. entlassen.
Am 5. Februar ging es schon wieder fort. Zu der Artillerie Ersatz Abteilung 179 nach Koblenz[-]Pfaffendorf[,] Augusta-Kaserne[,] Stube 46. Als Fahrer. Hans Dickenscheid ((Mit Hans Dickenscheid fuhr er auch Paraden. Der sehr sportliche Hans turnte dabei auf den sechs oder acht eingespannten Pferden, während Philipp sie lenkte.))  ist bei mir. Am 28. Juni rückte ich mit dem Vorkommando nach Frankreich: Verdun. Vom 18. Juli bis 2. Aug. hatte ich Arbeitsurlaub. Am 4.[,] 5. u. 6. Okt. war ich in Paris. Eine 3 tägishe[!] Besichtigung. War sehr schön. Am 1. Okt. wurde ich Oberkan[?]. Vom 28. Nov. bis 13. Dez. hatte ich Jahresurlaub. […]

[…] Am 9. Januar 42. wurde ich plötzlich mit Walter und Adolf abgerufen u. feldmarschmäßig eingekleidet. ((Vom des Ereignissen des Jahres 1942 berichtet tagesgenau sein erhaltener Taschenkalender. Edition folgt!)) 12. Januar Abfahrt Verdun nach Nancy dann nach St. Wendel. Dort wurde der Marschbattalion zusammengestellt. Mit einem Transportzug am 1. Febr. ab St. Wendel. Die Fahrt ging über Bad Kreuznach[,] Friedberg, Kassel, Magdeburg, Berlin, Thorn, Schillen. Dort wurden wir am 4. Febr. morgens ausgeladen. Privatquartier bei Bauer Herrmann Privat.
12. Febr. Abfahrt mit L. K. W. Schaulen, Mitau, Riga, Wolmar, Dorpert, Petersburg, Ljuban. Ich kam zu der 9. I. R. 44. [?] Am 18. Juli 1942 wurde ich in den schweren Abwehrkämpfen auf dem Wolschowbrückenkopf schwer verwundet; Schulterblattschußbruch rechts. Auf dem Hauptverbandsplatz gleich operiert. 24.7. im Luftwaffenlaz. Narwa. 1. August nach Lötzen (Ostpr.)[.] Von dort fuhr ich in Genesungsurlaub; 20.9.-20.10.42. Am 24.10. verlegt nach Res. Laz. Lüneburg. Am 18.11. nach Ingelheim Teil.[!]-Laz. Neue Schule.[5]Der Brief in der Kladde auf den Seiten 4 und 5.

Aus meinem Soldatenleben

(Fortsetzung von Seite 5.)
Aus dem Res. Lazarett Ingelheim bin ich Ende Juni 43 mit 4 Wochen Genesungsurlaub entlassen [worden]. Nach Ablauf dieses Urlaub’s[!] hatte ich mich bei dem Grenadier-Ersatz-Batallion 44 in Bartenstein / Ostpreussen zu melden. Ein glücklicher Zufall war es, daß noch ein Ockenheimer in derselben Kaserne war. Es war Karl Janz
[6]Karl Janz war etwas gleichaltrig wie Philipp Weinheimer ist aber wenige Jahrzehnte nach dem Krieg schon früh verstorben.. Wir waren oft zusammen und haben uns gut verstanden. – Bei der ersten Untersuchung bei dem Truppenarzt wurde ich 2 Monate g. v. H. geschrieben. Es war zu der Zeit ein Arbeitsurlaub[s]gesuch für mich gemacht worden, welcher auch genehmigt worden ist. Ich bin dann wieder für 14 Tage in Urlaub gefahren. Die Fahrt im Fronturlauber-Schnellzug war schön. Ich bin in Königsberg eingestiegen u. nach 21 Stunden Fahrt in Franfurt a. M. ausgestiegen. Ich habe für die ca. 1200Km. lange Bahnstrecke rund 30 Std. gebraucht.[7]Der Brief ist in der Kladde auf der Seite 34.

Damit endet die knappe Berichterstattung über die Aufenthalte während der Kriegsjahre.

Fußnoten

Fußnoten
1 Zunächst an zwei verschiedenen Stationen als “Arbeitsmann”, dann als “Fahrer” der Augusta-Kaserne in Koblenz-Pfaffendorf, als “Soldat” und schließlich wieder als “Arbeitsmann” nach seiner dritten Verwundung im thüringischen Effelder / Eichsfeld.
2 Möglicherweise lernte er sie während des Krieges kennen.
3 Unter anderem seiner späteren Frau Marianne.
4 ”[…] befindet sich auf dem Weg zum Bahnhof […]”.
5 Der Brief in der Kladde auf den Seiten 4 und 5.
6 Karl Janz war etwas gleichaltrig wie Philipp Weinheimer ist aber wenige Jahrzehnte nach dem Krieg schon früh verstorben.
7 Der Brief ist in der Kladde auf der Seite 34.

24. Juli 1944, St. Petersburg. Ein Brief von Philipp Weinheimer


Edition eines undatierten Briefes von Philipp Weinheimer (1921-2006), der Ende des 2. Weltkrieges an der Front in St. Petersburg stationiert war. Im Brief blickte er auf den 24. Juli 1944 zurück, als ein russischer Angriff ihn schwer am Arm verwundete. Zuvor war er als Soldat bei der unsäglichen Leningradblockade beteiligt, aber bereits Mitte Januar mit einer schweren Armverletzung ausgeflogen worden.

“24. Juli 1944 …….. Der Tag beginnt, ohne daß er sich von den vorherigen wesentlich unterschieden hätte. Nur die unheimliche Waffenruhe des Russen am Vortrage drückt auf die Stimmung. Was wird der Montag bringen? Wir hatten am Sonntag mit einem russischen Angriff gerechnet ….
Ich hatte von 2-4 Uhr Posten im M.G.[-]Stand. Wieder fast vollkommene Ruhe: Jeder, der längere Zeit im vordersten Graben stand, weiß[,] daß dieses einen baldigen Sturm bedeutet. Um 4 Uhr werde ich abgelöst. Mein Gruppenführer hat nun Grabendienst, ich muß die Bunkerwache übernehmen. Ich eße etwas, brenne meine Pfeife an und schreibe 2 Briefe. Draußen war die Sonne schon blutig rot aufgegangen. Der Uffz. kommt kurz vor 5 Uhr zurück; ich legte mich sofort auf meine Pritsche, ich war müde u. hatte die ganze Nacht noch kein Auge zu gehabt. Doch kaum liege ich da, kommt unser Zugführer, Herr Leutnant Vogt, und befiehlt höchste Alarmbereitschaft. Es soll sofort noch ein Doppelposten in die H. K. L. [Hauptkampflinie] .. Der Leutnant geht, ich wecke die anderen. Noch während ich dabei bin, höre ich die ersten Artillerieabschüsse, die Granaten orgeln heran. Die Einschläge liegen im Bereich unserer H. K. L. und unserem Bunker. „Jetzt wird’s[!]“ [,] denke ich für mich. „Es geht los“[,] sage ich nur. Unser Gruppenführer, Uffz. Minzleff [Minzlaff?], will sofort alles rausjagen auf die Gefechtsstände, die ungefähr 30-40 Meter weiter vorne waren. Laufgräben gibt es hier nicht, nur Knüppelstege, es ist ja überall Sumpf und Wasser. O herrliches Lappland. Der Unteroffizier will als erstes aus dem Bunker. „Bist Du verrückt“[,] rufe ich ihm zu . Krachend krepiert eine Granate in unmittelbarer Nähe des Bunkers und bringt eine starke Tanne zum Umstürzen. Aber der Uffz. hat keine Ruhe, er kriecht aus dem Bunker, um Koppel und Gewehr zu holen. Wieder schlagen einige Granaten ein. Unser Uffz. kommt zurück, er hat einen Granatsplitter in die Schulter abbekommen. „Das hast Du davon“[,] knurre ich unzufrieden. Zum Glück ist es nicht so schlimm. Einige Zeit später merke ich, daß der Russe sein Artilleriefeuer verlegt. Infanteriefeuer flackert auf. Nun wird es Zeit[,] denke ich bei mir. Vorsichtig krieche ich aus dem Bunker, schiele um die Ecke zur H. K. L. Ein wüster Anblick. Alles undeutlich in Pulverqualm gehüllt, große Granattrichter, umgestürzte zerfetzte Bäume[,] usw. Mit wenigen Sprüngen habe ich meinen M. G.[-]Stand erreicht, stelle mit Freuden fest, daß den 2 Männern u. dem Maschinengewehr nicht passiert ist. Dankbar aufatmend sehen mich die 2 Kameraden an, der eine ist 18, der andere 19 Jahre alt [Philipp Weinheimer war 23]. Mit einem Blick sehe ich, daß unsere starken Minen und Stacheldrahtsparren zum größten Teil zerstört und der Russe [2 Worte unleserlich] ist. Unglücklicherweise scheint uns die Sonne gerade ins Gesicht, sie blendet uns. Wir schießen ca. 100 Schuß mit M. G., werfen einige Handgranaten. 3 Russen bleiben tot liegen, die anderen türmen zurück. Wieder beginnt das russ. Trommelfeuer u. zwar mit solcher Heftigkeit[,] wie ich es selbst noch nicht erlebte. Ob es da wohl noch ein Entrinnen gibt? Wir sehen uns nur an, ich stopfe meine Pfeife. Ich bin eigentlich sonderbar ruhig. Der Russe schießt mit allen möglichen Waffen. Artillerie, Pak, Flak u. seiner berüchtigten Stalinorgel ein unheimliches Trommeln, die grausig[e]

 

Oper des Krieges. Zwischen das[!] Hämmern der Maschinengewehre mischt sich das Dröhnen der Jagd-, Schlacht- u. Bombenflugzeuge, das Pfeifen u. [die] Detonation der Bomben, das Bellen der Bordwaffen. Aber auch unsere eigenen schweren Waffen sprechen ihre Sprache, wir sehen die unheimliche Wirkung der Nebelwerfer, die Einschläge unsere[r] schweren Mörser. Dazu kommen die siegreichen Luftkämpfe unserer Jagd- und Schlachtflugzeuge. So ging es von 5 – 11 Uhr mit nur ganz kleinen Feuerpausen. Unser Uffz. war in der ersten Stunde noch bei uns im Kampfstand, bekam aber immer mehr Schmerzen und ist auf mein Zureden zurück in den Bunker. Ich übernahm den Befehl über die Gruppe, das M. G. nahm ein junger Gefreiter u. K. O. B. [Kriegsoffizierbewerber], der uns am geeignetsten schien. Unsere Gruppe hatte 2 Kampfstände, in jedem 2 Mann. Ich kroch hinter der zusammengeschossenen Pallisade[!] hin, um mich über den Zustand von Männern und Waffen zu orientieren. Es war alles noch soweit in Ordnung. Die rechts eingesetzt s. M. G. [sub machine gun; 9mm Colt] hatte zwei Schwerverwundete. Ich kroch wieder zum M. G.[-]Stand zurück. So gegen ½ 12 Uhr kam ich auch wieder von den Gewehrständen zurück, der Russe trommelte wieder stärker. Ich legte mich hinter die Pallisade, flach auf den Knüppelsteeg[!] gepresst. Ein Pfeifen, Zisch- u. Krachen; ich fühlte einen schweren Schlag gegen die rechte Schulter, ein heftiger Schmerz. Mir war es, als ob der Arm ab wäre. Ich sprang auf, und lief trotz des feindlichen Feuers zurück zum Bunker, wo der Uffz. war. Der war maßlos erschreckt[,] als er mich sag. Da er allein auch nicht viel machen konnte, rief er nach dem Sanitäter, der im Nachbarbunker war. Der Stabsgefreite kam sofort und verband mich so gut es eben ging. Ich war am jammern[!], die Schulter schmerzte unheimlich . Der Sanitäter und der Uffz. beruhigten mich. Draußen ließ die Schießerei nach. Mit Hilfe des Zugmelders, der inzwischen herbeigerufen wurde, bin ich zum Komp. Gefechtsstand zurückgehumpelt. Dort eine kleine Rast, dann weiter zum Batl. Gefechtsstand, wo auch der Arzt seinen Bunker hatte. Als dieser meine Wunde sah, krummelte[!] er: „Ist halb so schlimm[.]“[.] Dabei nahm er seine Pfeife nicht aus dem Mund. (er rauchte ununterbrochen). Ein San. Uffz. verband mich wieder frisch u. gab mir eine Tetanusspritze mit Morphium. Letzteres linderte die Schmerzen. Weiter ging die Reise mit einem Pferdewagen über Knüppeldamm. Diese Fahrt wird mir ewig gedenken. Mit gebrochenem Schlüsselbein und diese andauernden Erschütterungen. Irgendwo wurden wir abgeladen und mit einem San. Auto rüber zum Hauptvorstandsplatz[?] gebracht. Es war dunkel, ein Arzt frage nach Verwundung usw., mich auch. Darauf wurde ich sofort zum O. P. getragen, rauf auf dem Operationstisch. Ein Sanitäter löst den Verband, der Arzt befühlt die Wunde. Ich schreie auf, wir ein gequältes Tier. „Betäuben“[,] sagt einer. Schon habe ich auch schon eine Maske vor dem Gesicht, ein starker Äthergeruch umgibt mich. „Eins, zwei, drei … sechszehn … sieb … zehn….“[.] Weiter komme ich nicht. ….. Als ich wieder aufwache, liege ich auf einer Trage, die auf dem Boden steht. Ich sehe einen Sanitäter umherschleichen. Ich frage ihn, was mit mir los war. Er gibt keine Antwort. Ein starker Verband liegt um Schulter u. Oberarm. Es ist halbdunkel in dem Raum.

 

Eine Weile später wird alles auf Autos zum Bahnhof geschafft und in Güterwagen verladen. Mit 10 Mann sind wir in einem Wagen. Wir liegen auf Strohsäcken, ich muß sagen, es war nicht schlecht. Die Fahrt geht nun von Jöbi [Jöhvi] über Wesenberg [Rakvere], Reval [Tallinn], nach Habsal [Haapsalu]. In Wesenberg wurden auch schon einige Schwerverwundete ausgeladen. In Habsal war ich 3 Tage. Morgens in aller Frühe wurden wir wieder in den Güterzug verladen. Die Fahrt ging zurück nach Reval bis in den Hafen. Dort hatte schon ein Truppentransporter, etwa 5600 [oder 5500?] B. R. T. [Bruttoregistertonne] groß, angelegt. Auf diesen wurden wir nun verladen. Wir waren mit etwa 1500 Verwundeten auf dem Kahn. Mittags um 4 Uhr begann nun die Seereise. Wenn das nur gut geht, dachten wir. Abends schon schlichen Ärzte u. San. Personal mit Schwimmwesten herum wir lagen mit unseren Gipsverbänden in den Kojen. Ich ließ mir eine Morphiumspritze geben, schlief die ganze Nacht hindurch fest und gut. Nach dem Morgenkaffee humpelte ich nach oben auf das Freideck. Wir waren inzwischen auf hoher See. Der Seegang war aber ziemlich ruhig. Die Sonne schien. Wir fuhren mit unserm Begleit- u. Sicherungsschiffen ein gemütliches Tempo. Auf Freideck traf ich den [durch verwischte Tinte schwer lesbar; es folgen zwei Kürzel] Unterscharführer, der von Kempten war. Nach dem Mittagessen wurde der Seegang stärker. Der Kahn fing an zu schaukeln. Nun waren schon die ersten Seekranken[!]. Ich blieb in meiner Koje liegen, das ist in diesem Falle das Beste. Unseren Sanitäter habe ich gedauert. Der arme Kerl saß oft auf der Treppe vom 2. zum 3. Deck und hielt sich einen Schieber vor der Mund. Es war dies meine erste Hochseereise. Ich könnte ein ganzes Buch davon schreiben ….

Ohne Zwischenfall kamen wir nach Gotenhafen, wo wir Verbandsstoff an Bord nahmen. Weiter ging die Fahrt nach Swinemünde. Während der letzten Stunden auf dem Schiff, gab es Schiffszwieback und Punsch aus Rotwein. Bei herrlichem Wetter kamen wir in Swinemünde an. Am Kai standen schon wartend zwei lange Lazarettzüge. [Das Schiff, das die Verletzten nach Swinemünde brachte, wurde nur wenige Stunden nach dem Verlassen des Lazarettzuges durch alliierte, vermutliche britische Bombenflugzeuge auf Stadt und Hafen zerstört.] Wir wurden sofort umgeladen, und im Laz. Zug ging die Fahrt über Pasewalk, Neubrandenburg, Hannover, Kassel, Gotha, Erfurt, usw. In Bad Kösen wurde ich nachts um 2 Uhr ausgeladen. Nun bin ich hier in der Abteilung Hämmerling. Am 6. August kam ich hier her. Am 13. August hat mich Vater und Gustav [sein Bruder] hier besucht. Am 26. August kam Maria [seine Schwester] u. ist am 28.8. wieder abgefahren.“

 

Route des Lazarettzuges

Zunächst von der Front bei St. Petersburg nach Haapsalu in Estland. Dort wurden die Verletzten in ein Schiff umladen:


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Von Haapsalu (Estland) wurden die Verletzten bis nach Świnoujście (Polen) per Schiff transportiert.
Schließlich von Świnoujście – kurz nach dem Verlassen des Schiffes wurde es durch alliierte Bomber getroffen und sank – in das Lazarett in Bad Kösen, wo vermutlich der Brief entstand:


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Die Datierung des Briefes ist mit Schwierigkeiten behaftet: Zwar schreibt er gegen Ende es Briefes:  „Nun bin ich hier in der Abteilung Hämmerling. Am 6. August kam ich hier her.“, nutzt aber für seine Erzählung mehrmals den historischen Präsens. Eindeutiger beweist die These, dass er tatsächlich im Bad Kösener Lazarett diese Erinnerung verfasste, da er seine folgenden Aufenthalte in kurzzeitige Aufenthalte in Kiedrich (Rheingau) und Ingelheim (Rheinhessen) im September 1944 und anschließendem Lazarettaufenthalt in Plauen im Vogtland bis Anfang März. (Im November scheint er wenige Tage in Ockenheim verlebt zu haben.) Seine letzte Karte sendete er von Plauen am 3. März 1945 “heim”. Danach enden die Eintragungen. In mündlichen Berichten erzählte er, dass er gegen Ende des Krieges mit einem Soldaten aus Kempten aus dem Lazarett in Plauen floh – vermutlich jenem, den er auf dem Lazarettschiff traf. Tatsächlich war die Verletzung vom Juli 1944 seine dritte und letzte; er kehrte danach nicht wieder an die Kriegsfront zurück. Als die Kunde im Lazarett eintraf, dass sich von Osten die russische, von Westen die amerikanische Armee näherte, flohen Weinheimer und der Kempter aus dem Lazarett nach Westen, bewusst in die Arme der Amerikaner, eine sanftere Bestrafung erhoffend. Der Kempter hatte noch eine goldene, offenbar wertvolle Armbanduhr in seinem Besitz, die er einem amerikanischen Soldaten gab. Beide kamen in so amerikanische Kriegsgefangenschaft und wurden nach Nordosten in die schon befreite Zone gebracht, von dort ins Lazarett Ingelheim, wenige Orte von ihren Heimatdörfer entfernt. Dort erlebte Philipp Weinheimer das Kriegsende und durfte in seinen Heimatort zurück.

Philipp Weinheimer war mein Großvater. Diesen Brief habe ich bei Aufräumarbeiten in seinem Haus gefunden, das ich nun bewohne und derzeit nach und nach renoviere. Nächstes Jahr werde ich seinen „Nachlass“ im Haus kategorisieren und verzeichnen, ebenso als Open Access zugänglich machen. Darunter sind Ehrungen des genannten MGVs, in dem er 65 Jahre sang, aber auch viele Arbeitsgeräte, die er für seine Berufe (Fleischbeschauer, Winzer, zeitweise Gemeinderechner) benutzt hat, wie auch Überliefertes seiner Soldatenzeit (Geldscheine, Marken, Urkunden, Fotografien, Schriftstücke, …).

Ich bin mir bewusst, dass es problematisch ist, wissenschaftlich kritisch das Leben eines Vorfahren aufzuarbeiten, besonders während Nazi-Deutschland. Er erzählte jedoch immer frei und ehrlich auch von den 1940er Jahren. Und das durchaus auch selbstkritisch. Dieses “Wissen” hilft auch mir, vor möglicherweise erschreckenden Erkenntnissen über sein Leben die Distanz bewahren zu können.

Abbildungen:

  • Oberes Foto: Anonym: [Philipp Weinheimer in Verdun, 1941] CC-BY SA 3.0
  • Drei Briefseiten: Weinheimer, Philipp: [Feldpost vom 24.07.1944]
  • Unteres Foto: Anonym: [Familie Weinheimer, verm. 1939] CC-BY SA 3.0