1873, Heidelberg. Kein Fußball, sondern Rugby (“football”)

Zufallsfund schreibt Fußballgeschichte neu. Der Historiker Lothar Wieser wollte über einen Revolutionär von 1848 forschen. Stattdessen fand er den ältesten Bericht über ein Fußballspiel in Deutschland aus dem März 1873. Ein Zufallsfund, der Lücken in der deutschen Fußballgeschichtsschreibung offenbart.

Dieser Beitrag für den Deutschlandfunk von Fußballhistoriker Eggers lässt mitunter missverstehen, es handelte sich bei dem Spiel 1873 um Fußball. Das war es aber sehr wahrscheinlich nicht, sondern Rugby bzw. eine Rugby-ähnliche Spielart mit hacking und running game.

Verbreitet war auch diese rugby-football-Spielarten noch nicht, aber sie wurde früher als (Assoziations-)Fußball in Deutschland gespielt. Der Begriff football beinhaltete damals alle Spielvarianten, denn es gab noch keine allzu strikte Trennung (erst in den 1880ern, 1890ern).

Auch Eggers vermutet, dass es sich bei dem Spiel, dessen Spielbericht in der Heidelberger Zeitung 1873 zu finden ist, um ein Rugbyspiel handelt. Sicherheit gibt es nicht, weil nicht genannt wird, nach welchen Regeln gespielt wurde.

Daher ist der Titel etwas missverständlich gewählt, finde ich. Mitunter schreibt es die Heidelberger Rugbygeschichte neu, nicht aber die Fußballgeschichte, denn das in den 1870er Jahren Rugby-Varianten in Südwestdeutschland ein kleinen Boom erlebten, ist bekannt.

Es kann auch gut sein, dass es das bislang älteste Rugbyspiel ist, über das in einer Zeitung berichtet wurde. Aber es war Rugby, kein Fußball. Der älteste Bericht über ein Fußballspiel (ohne Handspiel und running game) kommt weiterhin aus Lüneburg, 1875.

Bewegte Zeiten – Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten

Vortrag: Themenimpulse für die Sportgeschichte für die Tutor*innen des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten in Rheinland-Pfalz

 

Kurz darauf wurde ich erstmals zur Jurorin des Geschichtswettbewerbs ernannt. <3

Deutsche Fußball-Geschichte – Born in Lüneburg

Die deutsche Fußball-Geschichte wird immer wieder mit Konrad Koch in Braunschweig begonnen. Dabei ist dies lediglich ein Mythos. Ein Mythos, der sich allzu leicht verbreitete hatte. Nicht zuletzt durch einen Kinofilm über Konrad Koch mit Daniel Brühl oder über eine erst im Sommer 2020 ausgestrahlte Dokumentation des TV-Senders NDR.

Die Anfänge des Fußball Sports in Deutschland liegen in Lüneburg.

Der Beginn der deutschen Fußball-Geschichte

Der Fußballhistoriker Hans-Peter Hock stieß bei Recherchen auf einen Artikel der englischen Wochenzeitschrift The Field, the farm, the garden. The country gentleman’s newspaper vom 04.09.1875. Diese berichtete, dass Ende August ein Fußballspiel nach FA Rules an der Schule Johanneum in Lüneburg stattgefunden hat. Zu einer Zeit, als in Braunschweig oder auch Dresden noch nach Rugby-ähnlichen Regeln gespielt wurde. (Denn Konrad Koch führte Rugby in Braunschweig ein, nicht Fußball. Es hieß früher nur beides football.)

Dieser Fußballclub an der Schule von Lüneburg wurde 1874 gegründet und bestand vermutlich nur kurze Zeit, wenngleich es im Jahr 1875 noch weitere Spiele gab. Davon bezeugt nicht nur The Field, sondern auch der Lokal-Zeitung von Lüneburg.

Aber es ist für früheste Nennung eines Fußball-Spiels in Deutschland gespielt wurde.

Protagonisten in Lüneburg waren der deutsche Lehrer Wilhelm Karl Philipp Theodor Goerges (1838–1925) und der junge englische Schüler Richard Ernest Newell Twopeny (1857–1915), der zuvor am Marlborough College zur Schule ging. (Exkurs: Twopeny wanderte im Mai 1876 mit seiner Familie nach Australien aus, wurde dort Journalist und Sekretär der South Australian Football Association.)

Meine Linksammlung für die deutsche Fußball-Geschichte ist hier online.

Die deutsche Fußball-Geschichte – von Engländer*innen begründet

Es waren in Lüneburg und zahlreichen weiteren deutschen Städten vor allem Engländer*innen, die die Football-Spielarten wie weitere Sportarten nach Deutschland brachten. Sie waren Geschäftsleute, Urlaubende, Schüler*innen und Studierende und sie spielten in ihrer Freizeit in Deutschland natürlich ihr liebgewonnenen sports. So kam der Fußball nach Deutschland – und viele weitere Länder der Welt.

Die Reaktion von Braunschweig

Natürlich war man in Braunschweig nicht sehr begeistert über diesen Zeitungs-Fund und den Hinweis darauf, dass jener football, den Konrad Koch in Braunschweig einführte, Rugby war. Ein Irrtum, der durch die deutschen Worte zustande kommt. Das deutsche Wort Fußball meint nur association football. Das englische Wort football bedeutete aber noch bis ins 20. Jahrhundert sowohl association football (➡️ Fußball) als auch rugby football (➡️ Rugby).

So pocht Braunschweig auf Kochs Weitsinn, „Fußball als pädagogische Mittel im Schulalltag“ aufgenommen zu haben. Dabei übersehen sie, dass auch in Lüneburg Fußball (und hier tatsächlich literally football) an der Schule gespielt wurde.

„Wenn in Lüneburg tatsächlich erstmals ein Fußballspiel nach modernen englischen Regeln gespielt wurde, so freut uns das und es ist ein weiterer Beleg dafür, wie fortschrittlich die Lehrer damals in Norddeutschland mit dem damals ja neuen Thema des Ballsports umgegangen sind. Es dürfte ohnehin an vielen Orten in Deutschland in dieser Zeit eine aufkeimende Begeisterung für Ballsport gegeben haben. Dies ändert nichts an der Tatsache, dass auf Initiative des Braunschweigers Konrad Koch, den Fußball als pädagogisches Mittel im Schulalltag aufzunehmen, der lange und erfolgreiche Weg dieser Sportart in Deutschland geebnet wurde. Bis heute zeigt sich dies in dem von ihm formulierten deutschen Regelwerk für den Fußball, aus dem zum Beispiel die bis heute noch gültige Abseits-Regel stammt.“
– Stellungnahme der Braunschweig‘s Stadtmarketing GmbH für den TV-Sender NDR.

Tatsächlich war Braunschweig für die deutsche Fußball-Geschichte nur ein Ort von vielen und Konrad Koch nur eine Person von vielen, in denen der rugby football schnell populär wurde. Doch seine Ansichten wurden am deutlichsten überliefert.

 

Bleibt zu hoffen, dass Lüneburg auf breiter Basis in die deutsche Fußball-Geschichte eingeht, ohne aber Kochs Engagement zu mindern.

Die Quelle

The Field 46, 1875, p. 272:

„Lüneburg College Football Club. – Football has now become quite a popular game here, and the adoption of the Association rules has effected a decided improvement in the last year’s somewhat irregular play here. Out of a school of 600 boys, there is naturally a good deal of good material, and the vigour with which pick-ups have been played since the end of the holidays shows well for the coming season. The school has also secured a new and very good ground close to the town, which was inaugurated on the 28th, by the match Classical v. Modern School. Each side had unfortunately lost two members at almost the last moment, and the game was reduced to nine a side, in spite of which a capital match ensued. Modern won the toss, and, there being little or no wind, chose the top goal, Jochmus kicking off for Classical punctually at 5. At first the ball has a tendency to go out, and in the first twenty minutes did not go near either goal, till a long kick from Twopeny, well followed up by the forwards resulted in a goal kicked out of the scrimmage by Behling. Classical now played up very hard, and made more than one shot at goal. A. Crohen being at last rewarded with success. The ball having been kicked off by Twopeny, he followed it up, and after a short dribble secured a second goal for Modern by a near left-footer. From this point the Modern forwards worked very well together, Clausen’s charging being especially good. Behling, after a nice dribble, made a capital try at goal, the ball hitting the post; and immediately afterwards a fine long kick of Twopeny, who kicked very straight and far throughout, brought him another goal. Modern now entirely assumed the offensive, and were only kept out of the Classical’s goal by F. Jochmus and H. Crohen’s good kicking. Soon afterwards the inattention of the Modern goal keeper resulted in a goal neatly kicked after a short dribble by A. Crohen. The game was now kept pretty even to the end, Twopeny securing an easy goal off a free kick. A capital goal kicked by Kühns just before time was disallowed, as he was off side, and a very pleasant game was ended at 6:30, Modern being left victors by four goals (Behling 1, Twopeny 3) to Classical two (A. Crohen 2).

For Classical the two Crohens, Jochmus, and Kühns are worthy of mention, while for Modern their captain (half back), well backed up by Behling, Clausen, and Waldmeister as forwards, played the best. Altogether the play showed great promise, though the “off-side” rule is not very strictly attended to.

Modern: H. Distel (goal), R. E. N. Twopeny (Marlborough College, captain), and R. Heiptker (half backs), E. V. Clausen, A. V. Behling, H. E. Waldmeister, R. Distel, J. E. Wolfson (Bradford), and W. Hanke (forwards). Classical: F. Jochmus (captain, goal), A. Crohen, and H. Crohen (New York) (half-backs), A. Bever (Bradford), and G. Kühns, Mahlsohn, H. Jochmus, G. Heine, and E. Hanke (forwards).

The following are the committee for the present season: R. E. N. Twopeny captain, F. Jochmus hon. sec., A. Crohen treasurer.”

Das Morley-Doodle und falsche Berichte

Am 16. August 2018 veröffentlichte Google ein Doodle zu Ehren des 187. Geburtstags von Ebenezer Cobb Morley in Kuba, Peru, Kolumbien, Brasilien, Argentinien, Neuseeland, Australien, China, Vietnam, Indien, Griechenland, Frankreich, Kroatien, Polen, Litauen, Estland, Deutschland und im Vereinigten Königreich. Allein in Googles Beschreibung des Doodles wimmelt es von Fehlern oder zumindest streitbaren Äußerungen, die ich in diesem Beitrag benennen möchte. Und euch dazu animieren möchte, nicht alles für bare Münze zu nehmen.

Dass ich mich überhaupt mit der Entwicklung der Fußballregeln und -regelwerke beschäftige, hat mangelndes quellenbasiertes Arbeiten als Ursache. Auf der Suche nach Jahreszahlen merkte ich, dass sich Jahreszahlen widersprachen und das nur in allerseltensten Fällen auf die zeitgenössische Quelle (z.B. Zeitungsberichte) verwiesen wird. Die Annahme, dass viele einfach Informationen von zwei, drei Seiten beziehen und diese nicht weiter überprüfen, bestätigt sich immer wieder. So auch bei diesem Doodle.

== Nachträglich Anmerkung: Ich habe nach Erstellen des Posts die Links nicht mehr überprüft. Gut möglich, dass manche Berichte nachträglich berichtet wurden. ==

Dass SWP die ersten FA-Treffen auf 1982 datiert und India Today Morley Geburtsjahr auf 1861, BGR verwechselt es mit 1924, seinem Todesjahr. Klar, das sind Flüchtigkeitsfehler.

Ich nenne nur hier die Quellen, die etwas zu Morley Doodle am 16. August 2018 in deutsch oder englisch gepostet haben. Sofern sie sich nicht auf Google berufen, kann ich nicht näher benennen, woher diese Seiten wiederum ihre Informationen bezogen haben.

Vor den FA Rules von 1863 war das Fußballspiel chaotisch. 
(Quellen: Google und davon vermutlich kopierend: CNN, Googlewatchblog, Express (England), Stern, SWP, Gala, heute.at, The Statesman, News18, Click on Detroit, Augsburger Allgemeine, Latestly, local10, Fox Sports Asia, DNA India, Spiegel Online)

Streitbar. Was ist “chaotisch”? Unreglementiert? Gefährlicher? Hier wäre eine eindeutigere Benennung sinnvoll gewesen. Chaotisch meint vielleicht auch, dass es kein in ganz England gültiges Regelwerk gab. Aber das blieb auch noch viele Jahre nach 1863 so.

Das Fußballspiel vor 1863 war brutal. Das regulierten die FA Rules zum Beispiel durch die Regel 13: Kein Spieler darf Schuhe mit abstehenden Nägeln, Eisenplatten oder Guttapercha an den Sohlen und Absätzen tragen.
(Quellen: Google und davon vermutlich kopierend: Computerbild, Googlewatchblog, NDTV, The Sun, CNN, Moneycontrol, Indian Express, Stern, SWP, Gala, zeenews, The Statesman, Hull Daily Mail, news.com.au, India Today, BGR, Click on Detroit, Latestly, local10, Fox Sports Asia, DNA India, Spiegel Online)

Falsch. Diese Regel 13 gibt es selbst in den Regelwerken jener Schulen, die nach unserer heutigen Auffassung eine Art von Rugby oder American Football spielten, so Rugby School. Und das bereits 1845.

Morley stand durchaus 1863 für ein weniger gefährliches Fußballspiel ein, aber erstens nicht alleine, sondern u.a. mit Alcock und Pember und zweitens ging es um das hacking, gefährliches Attackieren könnte man es nennen. Um die Diskussionen um das Verbot von hacking habe ich erst zuletzt einen Beitrag hier veröffentlicht. Dis Diskussion führte Blackheath FC pro hacking, aber selbst in deren Regelwerk von 1862 ist alles aus Schuhen Herausstehende verboten. Aber insbesondere das Spiel an der Cambridge University war genauso wenig brutal wie  das Fußballspiel nach den FA Rules.

Morley Regelwerk / Morley entwarf 13 Regeln [oder ähnlich ausgedrückt].
(Quellen: Google und davon kopierend/zitierend: Computerbild, Googlewatchblog, NDTV, The Sun, CNN, Indian Express, Express (England), Stern, heute.at, zeenews, Hull Daily MailHindustan Times, News18, news.com.au, BGR, Click on Detroit, Augsburger Allgemeine, Latestly, metro.co.uk)

Falsch. Ja, Morley brachte zum ersten Treffen seine Vorstellung der Regeln als Entwurf mit. Dieser hatte 23 Regeln. Falsch ist, dass die 1863 publizierten Regeln von ihm sind bzw. dass er 13 Regeln vorschlug. Die Entwürfe, die auf den vorbereitenden Treffen diskutiert wurden, unterscheiden sich aber in Teilen von den 1863 veröffentlichten Regeln. Das veröffentlichte Regelwerk fußt zu einem ganz großen Teil auf ebenfalls in der zweiten Jahreshälfte 1863 veröffentlichten Regelwerk der Cambridge University. Die FA regulierte es an manchen Stellen, nämlich:

  • die Spielfeldgröße (von 100×200 yd auf 100×150 yd),
  • die Tormaße (von 15 ft auf 8 yd, bedeutet aber in unserem Maßsystem auf zwei Nachkommastellen gerundet keinen Unterschied macht),
  • bei dem Anstoß gab es bei der FA keinen Mindestabstand von 10 yd für alle Nicht-Ausführenden,
  • der Eintritt von der Seitenlinie statt dem Einwurf,
  • der Seitenwechsel, der 1863 in Cambridge nur zur Halbzeit durchgeführt wurde, bei der FA zunächst nach jedem Tor.

Alles andere wie die Torerzielung, unerlaubtes Spiel und Handspiel, Vorgaben zum Schuhwerk (ja, auch das), Freistöße, usw. waren bei beiden Regeln identisch.

Morley formalisierte die Abseitsregel wesentlich.
(Quellen: Google und davon vermutlich kopierend: Computerbild, zeenews, Hull Daily Mail, News18, India Today, BGR)

Um diese Aussage zu bestätigen, fehlen mir die Quellen. In den Zeitungsberichten für die Generalversammlung 1866 (nicht vorher!) ist nicht vermerkt, auf wessen Vorschlag die bisherige Abseitsregel geändert wurde. 1863 war jede/r abseits, der der gegnerischen Torlinie näher war als der Ball, 1866 war man abseits, wenn weniger als drei gegnerische Spielende im Moment des Passspiels vor der/dem angreifenden Spielerin/Spieler standen. Der Googlewatchblog und Stern treiben es auf die Spitze und schreibt, dass es 1863 keine Abseitsregel gab.

Abseits gab es nicht.
(Quellen: Computerbild, Googlewatchblog, SternGala, BILD)

Sehr wohl gab es 1863 eine Abseitsregel. Ich zitiere Regel 6 aus dem 1863 veröffentlichten Regelwerk der FA: “When a player has kicked the ball any one of the same side who is nearer to the opponent’s goal line is out of play and may not touch the ball himself nor in any way whatever prevent any other player from doing so until the ball has been played; but no player is out of play when the ball is kicked from behind the goal line.”. Übersetzt: “Wenn ein Spieler den Ball zu einem Mitspieler / einer Mitspielerin der eigenen Seite gekickt hat, die /der näher an der Torlinie des Gegners ist als der Ball, der ist aus dem Spiel und darf den Ball weder selbst berühren noch in irgendeiner Weise andere Spieler daran hindern, dies zu tun, bis der Ball gespielt wurde; aber kein Spieler ist aus dem Spiel, wenn der Ball hinter der Torlinie gekickt wird.” (Der letzte Halbsatz bezieht sich auf die damaligen Vorläufer unseres heutigen Eckstoßes, hier ein wenig näher erklärt.

Morley war der Vater des modernen Fußballs
(Quellen: Google und davon vermutlich kopierend: Computerbild, Time of India, NDTV, The Sun, Moneycontrol, Indian Express, Express (England), SternSWP, Gala, heute.at,  zeenews, The Statesman, Hull Daily Mail, News18, news.com.au, India Today, Click on Detroit, Augsburger Allgemeine, Latestly, metro.co.uk, local10, Fox Sports Asia, Spiegel Online, BILD und bereits vor dem 16.08.18 zahlreiche Veröffentlichungen)

Streitbar. Oder anders: Würde ich akzeptieren, wenn die beiden Wörter “einer der” ergänzt wird. Er war sicher einer der Väter des modernen Fußballs bezeichnen. Ich freue mich dann auf weitere Doodles für Thomas Arnold, Charles William Alcock und noch eine mehr, in Deutschland dann auch gerne noch Konrad Koch und Walter Bensemann. metro.co.uk, bezeichnet Morley zwar in der Überschrift als “father of modern football” , schreibt im Bericht dann aber richtig “The Yorkshireman is credited as being one of the founding fathers of football as we know it today and it is a reputation he thoroughly deserves.”.

Und a propos “Moderner Fußball”: Zu diesem sehr definitionsabhängigen Begriff und Fußball in England habe ich für 120minuten einen Beitrag geschrieben.

Der am 16. August 1831 in der englischen Stadt Hull als Sohn eines Ministers geborene Ebenezer Cobb Morley […].
(Quelle: Computerbild)

Nicht fußballhistorisch, sondern inhaltlich bzw. die Übersetzung falsch. Einmal googeln und bereits mehrere Seiten auf der ersten Seite hätte geholfen, welche Übersetzung für “minister” hier zutreffend ist. Minister ist es nämlich nicht, sondern Geistlicher. Ebenezer Cobb Morley Vater war Reverend Ebenezer Morley.

Morley gründete 1858 mit dem Barnes Club den ältesten Fußballverein der Welt.
(Quelle: Computerbild, BILD)

Falsch. Holla, wow, da haben gleich mehrere Vereine etwas dagegen, nämlich der 1857 gegründete Sheffield FC und – streitbar – der 1824 gegründete und 2007 wiedergegründete Foot-Ball Club aus Edinburgh, über dessen Geschichte vor kurzem John Hutchinson und Andy Mitchell ein Buch veröffentlicht haben ((Vgl. Hutchinson, John/Mitchell, Andy: The World’s First Football Club (1824). John Hope and the Edinburgh footballers. A Story of Sport, Education and Philantropy. North Carolina: CreateSpace 2018.)). Letzterer hat sich offenbar zunächst in den 1840er Jahren aufgelöst (es gibt dazu keine Quelle, aber der Verein wird später nicht mehr erwähnt) und wurde nun “wiedergegründet”, sofern man es auf Grund der fehlenden Quelle für eine Auflösung überhaupt so bezeichnen möchte. In Edinburgh mag man wahrscheinlich lieber den Ausdruck “pausiert”.

Die FA Rules von 1863 legen unter anderem die Spielerzahl und die Spieldauer fest.
(Quelle: Computerbild, BILD)

Falsch. Beides, Spieleranzahl und Spieldauer, wurden erstmal 1897 durch das IFAB festgelegt.

Das Fußballspiel gegen Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts wurde durch nur sehr wenige Regeln gesteuert.
(Quelle: Googlewatchblog)

Falsch. Die Rugby School Rules von 1845 haben 37 Regeln, die FA Rules von 1863 13 Regeln. Und das Fußballspiel an der Privatschule in Rugby war wesentlich chaotischer/gefährlicher als das von der FA erlaubte Fußballspiel.

Ab 1863 war das Fußballspiel attraktiver und strukturierter.
(Quelle: Googlewatchblog, CNN, Stern, SWP, Gala, heute.at, Hull Daily Mail, News18, Westfälische Rundschau, Augsburger Allgemeine, Spiegel Online)

Streitbar. Attraktiver und strukturierter wurden sie für mich erst in den folgenden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, wie zum Beispiel die erwähnte 1866 eingeführte neue Abseitsregelung. Oder das sich entwickelnde Amt des Schiedsrichters (zur Entwicklung: hier (Regel V – Schiedsrichter) und hier (Regel VI – Schiedsrichterassistenten).)

Ein Spiel wird es auf der rechten Seite des Doodles zu sehen ist, war erst ab 1866 möglich.

 

Das Fußballspiel ab 1863 bot den Zuschauern mehr.
(Quelle: Googlewatchblog, heute.at)

Streitbar. Zuschauer als Fans entwickelten sich erst in den 1880er Jahren, bisweilen auch Ende der 1870er Jahren.

Bereits vor 1863 gab es Eckstöße, Freistöße und Einwürfe. Diese wurden aber erst durch die FA Rules flächendeckend eingeführt.
(Quelle: Berliner Morgenpost, Westfälische Rundschau)

Falsch. Freistöße nach Fouls und Eckstöße gab es beides ab 1872. Richtig ist, dass es einen Einwurf gab und das Eckstöße und Einwürfe bereits in anderen Regeln verankert waren, so zum Beispiel in den Sheffield FC Rules (1858-1867) und Sheffield FA Rules (1868-1877). Der Freistoß war allerdings bis 1871 immer eine Belohnung, keine Bestrafung.

Und außerdem: Die FA Rules waren nicht automatisch 1863 in ganz England oder gar im ganzen Vereinigten Königreich gültig. Erstmal nur im London und Umland und wenigen anderen Vereinen.

Morley war die erste Person, die die Regeln des Fußballs niederschrieb.
(Quelle: Express (England), Stern, Galaheute.at, zeenews, Independent, Click on Detroit, n-tv, local10, Fox Sports Asia, DNA India, Spiegel Online, BILD)

Falsch, denn es gab bereits vor 1863 zahlreiche Regelwerke. Von denen beschreiben die meisten frühen eher ein rugbyähnliches Spiel, aber spätestens die Cambridge University Rules von 1857 beschrieben das Fußballspiel, das wir als Fußball bezeichnen.

Die Fußballregeln wurden beim Treffen am 26.10.1863 formuliert.
(Quelle: Fox Sports Asia)

Falsch. Am 26.10.1863 war das erste Treffen. Die Regeln, wie sie veröffentlicht wurden, wurden beim fünften Treffen am 1.12.1863 so entworfen und am 8.12.1863 letztendlich bestätigt und dann veröffentlicht.

 

Vielleicht hat ja jemand Lust, den seit zwei Tagen existierenden Eintrag zu Morley in der deutschen Wikipedia entsprechend zu verbessern.

 

Fotocredits

Screenshot des Google-Doodles anlässlich E. C. Morley 187. Geburtstag.

Der feine Sportlikör “Hahohe”

Kurz stutzte ich, als ich in der wöchentlich erschienenen Arbeitssport-Zeitschrift namens Freie Sport-Woche die Überschrift “Wer kennt den feinen Sportlikör ‘Hahohe’?” las. Werbung? – Nein. Kommt daher der Ruf der Hertha-Fans? – Nein, den gab es schon vorher und gab dem Likör den Namen.

Ich bin mir nur nicht sicher, ob es sich bei dem Artikel um die Wahrheit oder eine Verulkung des “bürgerlichen Fußballsports” durch die Arbeitssport-Zeitschrift handelt. “Bürgerlich” bezeichnet diese Zeitschrift Vereine, die zum DFB gehörten und professionell und kapitalistisch agierten – im Gegensatz zum Arbeitersport.

Vielleicht kennt jemand den Likör oder weiß, dass es nur eine Verspottung ist.

Ergänzung: Dank @blauesgehirn weiß ich nun, dass Willi Kirsei kein Unbekannter, sondern eine Legende war, die Hertha zur Meisterschaft 1930/31 führte. Was einen bei der Lektüre des Artikels noch mehr schmunzeln lässt.

 

Wie auch immer – hier der gesamte Artikel aus: Freie Sport-Woche. Zeitschrift für Spiel und Sport 12 (1930). S. 209-210 (= Nummer 13, 31. März 1930).

 

Wer kennt den feinen Sportlikör “Hahohe”?

Wilh. Busch, einer unserer feinsten Humoristen prägte einmal das sehr bedeutsame Verschen: ” Es ist ein Brauch von alterher, wer Sorgen hat, hat auch Likör!”[.] Ob der Wahrheit und Weisheit dieses Lätzchens braucht sich niemand zu streiten, der einen offenen Blick für die Seiten des Lebens hat.

Inwieweit dieser Ausspruch aber auch auf das sportliche Leben in Bezug gebracht werden konnte, lag bisher immer noch in ungeträumten Träumen begraben.

Aber auch hier hat sich dieser Tage eine Wandlung vollzogen. Jetzt wissen wir, daß “geistreiche” Sportfreunde für den Sport etwas erfunden haben (für den bürgerlichen selbstverständlich nur), das ihn bestimmt jetzt besser auf die Beine bringen wird.

Stand dieser Tage da in einem bürgerlichen Berliner Sportblättchen in großer Inseratenaufmachung;

“Ha, Ho, He – edelster Feinbittersportlikör.
Generalvertreter: Willi Kirsei!”

Als Erklärung ist dazu folgender Anhang gemacht, um die Sache richtig zu begreifen:

Mit “Ha, Ho, He!” zogen in den letzten Jahren die Berliner “Herta”-Leute immer in den Kampf[,] um  die Deutsche Fußballmeisterschaft. Der Schlachtruf “Ha, Ho, He, Herta BSC” sollte, von ihrer Anhängerschaft tausendfach gebrüllt, der Herta-Mannschaft öfter schon zum Meistertitel verhelfen. Aber leider – mit den bloßen Wort war’s nie allein getan. Eben deshalb wohl hat ein findiger Kopf den Ha-Ho-He-Feinbitterlikör erfunden. Mit dessen “Hilfe” man wohl nun glaubt, einmal Meister werden zu können. Das Interessanteste aber an der Geschichte ist die Person des Generalvertreters. Herr Kirsei ist schon lange Zeit Spieler bei Herta BSC. Von ihm ist auch die Tatsache bekannt, daß er als “Amateurspieler” Tagesspesen in Höhe von 15 M. erhält, die aber nur als Aufwandsentschädigung gelten für Trainingsunterricht. Na, schon gut. Wir “glauben” das gern, sind doch die Begriffe Amateur oder Berufsspieler in  d e m  Lager eng miteinander verbunden.

Im allgemein aber werden durch den Feinbittersportlikör  H a h o h e  die Aussichten sich im bürgerlichen Felde weisen, dem Sport nun auch in dieser Sache mehr “Vergeistigung” antun zu können. Denn man to! Wir gratulieren herzlichst zu diesem Fortschritt. Er wird den bürgerlichen Sport nun auf andere Füße stellen, und der Herr Generalvertreter wird die Bestellung in Zeiten der Meisterschaft kaum erledigen können. Prost drauf! Heil und Sieg! – – – E. F.”